10.03.2010
Gestiegenes Interesse an Mikrokrediten zwingt zum Handeln
Mikrokreditfonds der Bundesregierung braucht flächendeckendes Netz von geschulten Beratern
Deutschland hinkt nach Einschätzung des Deutschen Instituts für
Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin im internationalen Vergleich bei der
Bereitstellung von Minikrediten für kleine Firmen und Unternehmen „hinterher".
Diese Bewertung traf der DIW-Ökonom Alexander Kritikos am Dienstag in einer
Diskussionsrunde des Märkischen Presse- und Wirtschaftsclubs. Banken sei dieser
Bereich oftmals zu risikoreich und teuer. Nach einer Umfrage des Instituts erlangt
ein erheblicher Teil der rund drei Millionen Kleinunternehmen, die Kredite
brauchten, von Banken keine Kredite. Dort fänden potenzielle Kreditnehmer
oftmals kein Interesse und nicht die notwendigen Kontaktpersonen. Allerdings
liegt der wahre Markt für Minikredite laut DIW bei bereits etablierten Firmen,
die das Geld für kurzfristige Geschäfte und für die Projektfinanzierung
brauchten.
Diese Ansicht traf auf der gut besuchten Veranstaltung auf Widerspruch. Vor
allem auch Existenzgründern sollte mit dem erleichterten Zugang zu Krediten
beim Start unter die Arme gegriffen werden. Torsten Jahnke von iq consult aus
Berlin und seit zehn Jahren im Bereich Mikrokredite tätig, begrüßte wie andere
in der Runde den Ende Januar vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales
gestarteten „Mikrokreditfonds Deutschland", der mit seinem Volumen von zunächst
100 Millionen Euro Kredite für Klein- und Kleinstbetriebe sowie junge
Unternehmen sichern soll.
Das Fondsvermögen wird von der Investitions- und Förderbank Niedersachsen
treuhänderisch für den Bund verwaltet. Die Kreditvergabe selbst erfolgt durch
die Bochumer GLS Bank auf Empfehlung von so genannten Mikrofinanzierern wie dem
iq consult. Diese sollen die Kreditnehmer betreuen und beraten. Sie erfüllen
damit eine wichtige Funktion als „Scharnier und Mediator" zwischen den
Kreditnehmern und der GLS-Bank. Angestrebt wird eine schnelle und
unbürokratische Kreditvergabe mit einer Laufzeit von drei Jahren. Jahnke sagte,
die ersten Kredite nach diesem Modell seien bereits ausgereicht. Als besonders
wichtig für seine Firma erweise sich dabei, dass die Bundesmittel der
Absicherung der Kredite dienten. Milos Stefanovic, Geschäftsführer der
Bürgschaftsbank Brandenburg, unterstrich die Notwendigkeit selbsttragender
Modelle bei den Kreditnehmern, um eine Vergabe mit gutem Gewissen zu treffen.
Auf die verstärkte Nachfrage nach Mikrokrediten hat dieser Tage auch die EU
reagiert, sagte Kritikos. Die 27 Arbeits- und Sozialminister verständigten sich
nach Informationen aus Brüssel auf ein Konzept, das allen offen steht, die
erwerbslos oder von Jobverlust bedroht sind und eine Firma gründen wollen.
Damit wird eine Zielgruppe ins Auge gefasst, die nach klassischen Bankkriterien
nicht kreditwürdig ist. Anträge nehmen Banken und Sparkassen entgegen, die
diese dann an die zuständigen EU-Stellen weiterleiten. In den kommenden acht
Jahren soll damit rund 45 000 Arbeitslosen der Sprung in die Selbständigkeit
erleichtert werden.
Bedauert wurde, dass es in Deutschland noch an einem flächendeckenden Netz von
Mikrofinanzierern fehlt, um den Beratungsbedarf bei den Kreditinteressierten zu
befriedigen. Eher mit Skepsis wurde quittiert, dass sich durch den nunmehr
angeschobenen Wettbewerb die entsprechenden Strukturen zügig entwickeln
könnten. Kritikos, der beim DIW die Abteilung Innovation, Industrie und
Dienstleistungen leitet, verwies auf Erfahrungen aus anderen EU-Ländern, wo
solche Einrichtungen zentral auf den Weg gebracht wurden.