3. Stadtforum 2030: Ratlos im Rathaus

08.08.2013

  3. Stadtforum 2030: Ratlos im Rathaus 

Braucht Berlin Wirtschaftswachstum – oder besser doch keines?  

Was für ein Fehlschlag !

An diesem Abend hätte sich tatsächlich was bewegen lassen. Aber die Chance wurde vertan. Und zwar von allen. Hauptsächlich aus einem Grund: Kommunikationsunfähigkeit. Das 3 Stadtforum war in seinem Aneinander-Vorbeireden und damit seiner sozialen Wirkungslosigkeit eine bedrückende Veranstaltung. Zwei Lehren sind zu ziehen:  1. Wer Transformation will, muss den Kommunikations-Hebel massiv verstärken. 2. Das Stadtforum muss Kommunikation ebenfalls üben.

 

TEIL 1  Kurzfassung

TEIL 2  Aus den Beiträgen

TEIL 3  Analyse

TEIL 4  Vorschlag

 

(1)

In  der dritten Veranstaltung des Stadtforums 2030, gestern Abend im Roten Rathaus Rathaus (7.8.), ging es um das Thema Wirtschaft. Ein Höhepunkt war der Auftritt des Soziologen Harald Welzer, der über „Perspektiven für einen zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort“ sprechen sollte. Welzer entwickelte dort, wie zu erwarten, sein Konzept einer „reduktiven Moderne“, die sich vom expansiven Wachstum verabschiedet hat, und stand damit im völligem Widerspruch zu den politischen Vorrednern aus dem Berliner Senat (Böhning, Müller, Yzer), die allesamt das weitere Wachstum als wirtschafts- und stadtentwicklungspolitischen Zukunftskurs der Stadt propagierten. Welzer bekam in der abschließenden Diskussionsrunde zwar Unterstützung von Nico Paech, der aber dort ebenfalls die Minderheitenposition vertrat. Leider gelang es in der Diskussionsführung nicht, die Spannung zwischen beiden Positionen Wachstum und Postwachstum aufzugreifen und produktiv nutzbar zu machen. Es überwog die Ablehnung des Welzerschen Zukunftsansatzes. Der Berliner DGB-Vize Hoßbach fragte nach, ob es sich um eine „Provokation“ handeln solle, was Welzer verneinte. Zwei Unternehmensvertreter (Shiva Medicare, ResearchGate) unterstrichen die Bedeutung des Wirtschaftssstandorts Berlin in den Branchen Gesundheit und Informationstechnik. Für die Politiker war die Flächenbereitstellung an dezidierten „Zukunftsorten“ ein zentrales Instrument der Wirtschaftspolitik. 

  

(2)

Eigentlich waren nur zwei Politiker im Programm angekündigt: der Stadtentwicklungssenator, als Träger der Stadtforums-Reihe, und die Wirtschaftssenatorin wegen des Fachthemas der dritten Runde: die Zukunft der Berliner Wirtschaft. Dann hatte sich aber in letzter Minute noch der Hausherr in Gestalt von Senatskanzlei-StS Böhning auf die Rednerliste gesetzt und umfunktionierte seine obligate Begrüßung zu einer kleinen wirtschaftspolitischen Grundsatzrede. Vielleicht ist irgendwo Wahlkampf.  Böhnings Botschaft: Berlin ist eine wachsende Stadt:  Steuereinnahmen, Schülerzahlen, Arbeitsplätze, Gründerhauptstadt. Aus Berlins erster Gründerzeit (19. Jh.) müsse aber gelernt werden, dass wirtschaftliches Wachstum mit sozialem Ausgleich verbunden werden müsse. Es gehe um ein „sozial gerechtes,  menschliches Wachstum“, das bringe die Politik ins Spiel. „Das Wachstum gestalten“, ist laut Böhning die „Forderung unserer Zeit“. Dies erstrecke sich nicht allein auf die Wirtschaft im engeren Sinne, sondern auch auf den Verkehr – wo Wachstum keineswegs ein immer „Mehr an Straßen“ bedeute, und Berlin gerade auch ein Vorreiter an neuen Formen der innerstädtischen Mobilität sei,  oder dem Bereich Wohnungsbau. Hier wurde Böhning vorsichtig, weil er Müllers Zuständigkeitsbereich betrat, sprach von immensen Neubauvorhaben, „produktiver Investitionspolitik“, generell einer neuen Phase der Berliner Stadtpolitik. In dieser Situation dürfe es „keine Denkverbote“ geben. Auch das Stadtforum an diesem Abend solle als „Tankstelle“ dienen, um neue Ideen zu tanken. Viele andere Städte schauten derzeit aufmerksam nach Berlin, um den Wandlungsprozess der deutschen Hauptstadt zu verfolgen. Dies betreffe nicht nur den Wohnungs- und Städtebau, sondern auch den Umgang mit Technologie. Berlin sei dabei, sich neu zu erfinden, und sei hierbei in den letzten zwei Jahrzehnten gut vorangekommen. In der bevorstehenden Phase, dem 2030-Prozess, müsse es aber darum gehen, und das war Böhnings wichtigster Satz, dass es für Berlin „nicht um ein  schlichtes Mehr, sondern um ein Anders und Besser“ gehen müsse. Der politische Beitrag dazu sei ein innovatives Wirtschaftsmodell plus sozialem Zusammenhalt.

 

  

  

Stadtentwicklungssenator Müller ging zunächst auf  das Verfahren des Stadtforums ein, mit dem Ziel, ein neues „Leitbild“ zu erarbeiten. In den letzten Monaten seien dazu wichtige Schritte eingeschlagen worden. Es gebe teil heftigste Reaktionen: „Was soll der Quasch? Schon wieder ein Plan!“, klagten die einen, „Endlich!Wichtige Themen sind das“, jubeln die anderen.  Die  Verwaltung wolle die Themen ressortübergreifend behandeln und ikn der Stadtöffentlichkeit diskutieren. Bei der letzten Sitzung sei es um die soziale Struktur der Stadt gegangen, heute um die Wirtschaft. Er freue sich,  dass Senatorin Yzer dabei sei. Fragen, die man besprechen wolle, seien etwa: was läßt die Stadt wachsen? Brauchen wir dieses Wachstum? Ist das positiv? Sollte man nicht eher zurückschalten?  Etwa bei Prozessen, die besser nicht wachsen sollten. Berlin hatte ein seiner Geschichte schon einmal vier Millionen Einwohner, als es zur führenden Industriestadt wurde. Heute, in Zeiten knapperer Ressourcen, wolle man sich beim Wachstum in Berlin konzentrieren. Dazu gebe es Masterpläne, Runde  Tische, auch dieses  Stadtforum. Müller nannte dann als Beispiel für das strategische  Vorgehen ein Thema aus seinem Zuständigkeitsbereich der Stadtentwicklung, das tags zuvor auch in der Senatssitzung verhandelt worden war: das Fachmarkt-Konzept für Berlin. Schon jetzt gebe es in der Stadt 165 große Verbraucher-,  Bau- und Gartenmärkte. Wenn immer mehr dazu kommen, machen sie den Einzelhandel in den Kiezen kaputt. Soll man dem tatenlos zusehen? Oder regulierend eingreifen? Wieviele Großmärkte sind stadtverträglich? Ein anderes Beispiel, das auch später die Wirtschaftssenatorin aufgriff, ist der Umgang mit den großen Flächen, wie dem ehemaligen Flughafen Tempelhof, dem irgendwann auch einmal ehemaligen Flughafen Tegel, die Heidestraße nahe dem Hauptsbahnhof, die Technologiestandorte Adlershof und Buch an der Peripherie. Wie sollen diese Flächen langzeitlich entwickelt werden?   „Wir wollen Zentren-Bildung, aber keine gegenseitige Kannibalisierung“, sagte Müller. Diese Flächen seien Chancen für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt, etwa zur Ansiedlung neuer Unternehmen.

 

 „Vielleicht bin ich die totale Fehlbesetzung“, ist Harald Welzers erster Satz, bevor er dann über den „sperrigen Titel“ seines Vortrags auslässt. Denn er verstehe wenig von Ökonomie. Zudem sei das Wachstum an sich nicht die Option. Sondern es gehe darum, was eine Stadt „gut“ werden lässt (im Sinne von „gutes Leben“, gute Arbeit“ etc), was sie zukunftsfähig fürs 21. Jahrhundert macht. Welzer bringt dann seine zentrale methodische Einlassung, die aber in der gesamten Veranstaltung keine Berücksichtigung findet: „Wir sollten nicht die Gegenwart als Bezugspunkt nehmen, sondern die Zukunft, das Jahr 2030“. Soll heißen: Ein normativer Ansatz: welche „gute“ Zukunft wir anstreben sollen und welche Schritte bis dahin getan werden müsse. Das konventionelle Vorgehen des Zukunfts-Debatte verlängert und extrapoliert die Gegenwart in die kommenden Jahren, ist lediglich „Gegenwart plus“.

 

Die Welt der „expansiven Moderne“, mit einem Wirtschaftswachstum des Immer Mehr, ist für Welzer kein Wirtschaftsmodell, mit dem die Menschheit durchs 21. Jahrhundert kommen wird, weil der Ressoucenverbrauch einfach zu hoch ist. Leichter Applaus kommt auf. Für die bisherigen Profiteure der expansiven Moderne, auch Deutschland, auch Berlin, bedeutet das, dass die die „zivilisatorischen Standards“  (Freiheit, Menschenrechte etc) bei Kopplung an dieses Wirtschaftsmodell  nicht mehr halten lassen. Reduktion ist die Konsequenz. Welzers Zukunftsentwurf ist die „reduktive Moderne“, die den Verbrauch – so um den Faktor Fünf  -  senkt, aber gleichzeitig die zivilisatorischen Standards bewahren will. „Berlin wäre dafür ein guter Testfall“.

 

Unter dem Blickwinkel einer anderen Zukunft betrachtet, werden Berlin heutige Schwäche-Punkte zu Stärken. De-Industrialisierung, Kiez-Struktur, heterogene Bevölkerungen – was gestern nachteilig, wird zum urbanen Vorteil. Städte der Zukunft sind verwundbarer, auch durch die Klimaveränderung. Wie Hurrikan Sandy mit New York umgesprungen ist, zeigt das. Städte müssen ihre Resilienz stärken. Solidarische Wirtschaft, eine Kultur des Teilens (Share-Economy) und des Reparierens (Re-Use), Urban Farming. Welzer erinnert daran, dass die Prinzessinnengärten in Berlin erfunden wurden und von hier einen weltweiten Siegeszug angetreten haben. „Die Menschen gestalten ihre Stadt“, nehmen ihre Lebensqualität selbst in die Hand. Hilfreich wäre eine ökonomische Vergleichsrechnung der anderen Art, mit der sich auch die Innovationskraft sozialer Erfindung ermitteln und diskutieren lässt: zum Beispiel die Erfindung des Car-Sharings. Keine Verkehrstechnologie-Innovation, und doch ein anderer Umgang mit Verkehrsmitteln, die urbane Mobilität verändert. Auch keine Innovationen, die aus der Wissenschaft wachsen, sondern bottom up von den Bürgern erfunden werden. Hier habe Berlin viel zu bieten, die Stadt eigne sich hervorragend als Experimentierfeld für die neue Bewegung der „Transition Towns“. Berlin als „Stadt des Übergangs“, das ist Welzers Botschaft. „Wir können die Gegenwart nicht weiter hochskalieren, wir müssen es anders machen!“ Was will Berlin „aufholen“?  Welzer: „Wir haben nichts weiter aufzuholen. Vergessen Sie das! Es geht um die Sicherung des Erreichten“. Dafür müsse Politik entsprechende Experimentierräume bereitstellen. Einen solchen  alternativen Zukunftsort hat sich Welzer bis zum Schluß  aufgehoben: Eine „charmante Perspektive“ wäre es, wenn der neue Hauptstadt-Flughafen nicht mehr fertig gebaut würde, weil man zu der Überzeugung gelangt sei: „Wir machen so was nicht mehr, es gibt eine andere Mobilität im 21. Jahrhundert“.  – Da muss mancher schlucken. Schwacher Applaus. Das Auditorium wurde überfordert.

 

 

 

  

DGB-Mann Christian  Hoßbach ist konsterniert und bringt das in seinem Diskussionsbeitrag zum Ausdruck. „Ich nehme mit: Kartoffelfelder auf dem Alexanderplatz, und die Hartz-IV-Empfänger sollen doch bitte zufrieden sein – Ich habe das als Provokation empfunden.“ Man rede auf diesem Forum nicht über die „Perspektive 2500“. Hoßbach: „Solche Utopien finde ich schwierig“. Durchaus, Ökologie  und Wirtschaft gehören in Einklang gebracht, aber dafür gebe es andere Wege nachhaltigen Wirtschaftens.

  

Auch Wirtschaftssenatorin Yzer beginnt ihren Fachvortrag mit der Bemerkung, sich vom Welzer-Entwurf  „abgrenzen“ zu wollen. Es gebe in Berlin noch immer 200.000 Arbeitslose, und zu einer Stadt der Zukunft gehöre es, den Menschen die Möglichkeit zu geben,  ihre Existenz durch Arbeit hier am Ort bestreiten zu können. Berlin wolle Vielfalt bieten, auch in der Wirtschaft, wozu auch die Industrie zähle, auf die nicht verzichtet werden könne. 40.000 neue Arbeitsplätze entstanden, das Wachstum ist real. Yzers Zukunfts-Berlin heißt „Smart City“: eine Stadt, die den gesellschaftlichen Anforderungen durch technologische Lösungen besser Rechnung trägt.  Es folgt der Standard-Vortrag, den die Senatorin überall hält: Das Konzept der Zukunftsorte, die vernetzte IT-Stadt, Exportsteigerungen. Rekurs auf die Konferenz im Rahmen der Asien-Pazifik-Woche, die von der Stadtöffentlichkeit nicht wahrgenommen wurde. Yzer: „Meine Idee ist die einer Referenzstadt mit modernen Technologien, geeignet als Upscaling für die Megastädte der Welt“. Dann kommt es zum Thema „Einheitlicher Ansprechpartner“, die Fusion von Berlin Partner und Technologiestiftung, Gründerförderung, lauter Gegenwartsthemen. Zum Schluß ein Wort zum vorgeblichen Dissens mit Müller wegen ihrer Äußerung zur Tempelhof-Bebauung.

Während Welzer in die Zukunft jenseits 2030 abgedüst ist, kommt Yzer aus dem Jahr 2013 nicht heraus.

 

Es ist 18.30 Uhr. Die Veranstaltung läuft seit 90 Minuten.  Berlins Wirtschaftszukunft ist noch immer diffus. Es folgen zwei weitere Programm-Blöcke. War das letzte Forum nach dem klassischen Frontal-Unterricht geordnet, wurde diesmal die Carrée-Form gewählt, die Referenten in der Mitte, das Publikum in vier Sitzgruppen drumherum, wie beim Boxring. Eine Gruppe hat allerdings die Twitter-Wall im Rücken, auf der ständig neue Fragen und Bemerkungen einlaufen. Überflüssiges Kommunikationrauschen, das nichts zum Diskurs beiträgt.

 

Zwei Unternehmer mit internationalem Hintergrund werden interviewt, einer hat ein Medizintechnik-Unternehmen in Berlin gegründet, der andere eine Internet-Firma. Der Gesundheits-Mann sagt, es gebe die Chance ein 10 Mio-Euro-Investment aus Großbritannien nach Berlin zu holen, er finde leider nicht die Mitarbeiter in Berlin. Die Firma des Internet-Gründers geht derzeit ab wie eine Rakete, bei der dritten Finanzierungsrunde vor zwei Monaten, 35 Mio Dollar, war sogar Bill Gates dabei („Gates hat noch nie in eine Internet-Firma investiert. Wir sind die erste“), keine Probleme, Mitarbeiter zu bekommen.  Welche Wirtschaftspolitik er braucht? Keine. „Ich fordere nichts von der Politik. Ws wir brauchen, ist öffentliche Wahrnehmung“, sagt Ijad Madisch, ResearchGate-Chef. Am Mittag hat ihn Berlins Wissenschaftssenatorin in der Invalidenstraße besucht. Auch ihr erzählte er, wie jetzt den 200 im Rathaus, dass Berlin im Gründungsbereich München und Hamburg längst abgehängt habe, aber nicht wegen Gründerzentren, und –Infrastruktur und –Förderung, sondern wegen des Ambientes, des kulturellen Umfeldes. Eine Atmosphäre und ein Magnetismus, den Politik ganz wenig beeinflussen kann.

 

Es folgt eine Expertenrunde, die das Gehörte noch einmal fachlich vertiefen soll. Aber die Statements bleiben jedes für sich weitgehend solitär. Prof. Dr. Martin Gornig, Stellvertretender Abteilungsleiter der Abteilung Innovation, Industrie, Dienstleistung im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung e. V. will auch Zukunftsorientierung unter der Prämisse der Nachhaltigkeit, aber entscheidend sei, welchen Weg man zu dieser Zukunfts einschlage. „Wir brauchen einen stabilen Weg“, eine Absage an Welzers Wagnis-Kurs.  Matthias Klussmann, Geschäftsführer Becker & Kries Holding GmbH & Co. KG, Mitglied des Präsidiums der IHK Berlin, stellt den Zusammenhang mit der jüngeren Wirtschaftsgeschichte her. Der dramatische Wirtschaftsniedergang Berlin bis 2004 sei gestoppt. Über das Wachstum seitdem sei man froh und wolle es behalten.  Mona Rübsamen, Geschäftsführende Gesellschafterin und Programmdirektion von FluxFM Plattform für regionale Musikwirtschaft GmbH, IHK Ausschuss Creative Industries,  berichtet von ihrem auf 65 Beschäftigte angewachsenen Radiosender und wünscht sich Freiräume, Kommunikation, Vernetzung.  Prof. Dr. Nico Paech, Lehrstuhl für Produktion und Umwelt an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg („Die Party ist vorbei“), gibt in dieser Runde den Welzer-Zwo mit grundsätzlichen Mahnungen: „Unser gegenwärtiges  Wachstum ist nur ein Strohfeuer, weil wir das letzte Tafelsilber verhökern“. Worte, die eigentlich nach Berlin passen. Was werden denn aus den Hochtechnologie-Parks, fragt Paech, wenn der das Erdöl 150 Dollar koste? Berlin solle sich, wo es geht, aus dem Diktat der Finanzmärkte befreien, konkret auch von der „Krake Vattenfall“ und die Unterstützung der „Bürgerenergie“, usw. Philipp Rode, Executive Director and Senior Research Fellow der London School of Economics and Political Science, kann sehr fundiert die Städte London und Berlin vergleichen. Der politische Spielraum in Berlin sei viel größer als ihn der Bürgermeister der britischen Hauptstadt habe. Von daher befinde man sich gerade in einem der „mächtigsten Rathäuser Europas“.  An der LSE hat Rode zur Green Economy gearbeitet, er könnte sehr viel mehr auf die „große Entkoppelungs-Diskussion“ eingehen, auf Fragen der lokalen Raumpolitik, auf die kreative Wirtschaft und Strategien  der Dekarbonisierung. „Auch die Londoner haben es geschafft, ihren  ökologischen Fußabdruck deutlich zu reduzieren“. Aber Rode kann nicht ausholen, da er sich die minimale Zeit mit den vier anderen Diskutanten teilen muss. Quer-Vertiefungen sind gar nicht möglich. Eigentlich hätte Rode, vom Thema und der Kompetenz her,  den Hauptvortrag halten müssen. Das wäre Stoff gewesen, der die stadtpolitische befeuert hätte. Jetzt muss man sich mit den Welzer-Thesen herumschlagen.

 

Die Grünen-Politikerin Franziska Eichstädt-Bohlig beschreibt in der Diskussion „Berlins Dilemma“, wonach  der unbestreitbare wirtschaftliche Aufholprozess nun konterkariert werde durch „viel Spekulation“, die städtischen Raum verteuere und damit nicht nur die Kreativszene, sondern  - Stichwort  Fachmärkte – auch die Kiezwirtschaft  verdränge. Zum Zukunftskurs wolle sie eher dem vom DIW  vorgeschlagenen „Mix aus unterschiedlichen Zielen“ folgen, als Welzers „Bottom up“-Strategie der Erneuerung von unten, aus der Gesellschaft. Eichstädt-Bohlig: „Davon können wir keine 3,5 Millionen Menschen ernähren. Wir brauchen schon eine Steuerung der Prozesse“.

Auch der erste Redner des Abends meldet  sich wieder zu Wort. Staatssekretär  Böhning ist dabei, den Schock zu verdauen. „Ich dachte eigentlich, die Debatte Wachstum versus Zukunft wäre vorbei“, sagt der Chef der Senatskanzlei. Die Debatte, wie sie jetzt das Stadtforum biete, sei eher „standortschädlich für Berlin“. Und dann die Gegenbeispiele: Siemens, Stadler usw. Böhning:  „Es gibt sehr wohl Wachstumspfade für Berlin“.

 

Die Ausschilderung dieser Pfade ist aber an diesem Abend, beim 3. Stadtforum,  nicht gelungen.

 

Manfred Ronzheimer 

 

(Analyse und Bewertung, Tteil 3 und 4, bringe ich auf einer neuen Seite)

 

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3.Stadtforum 2013: Stadtentwicklung für eine ökonomisch prosperierende Stadt


07.08.13, Pressemitteilung - auch hier zu lesen


Berlin steht vor der Herausforderung, Wachstum an Bevölkerung und Wirtschaft systematisch für eine qualitätsvolle Entwicklung der Metropole zu nutzen. Welche Wege hierfür zur Verfügung stehen und beschritten werden sollten, diskutiert die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt bis zum kommenden Jahr gemeinsam mit der Berliner Öffentlichkeit und Fachleuten im Stadtforum 2030.
Die Ergebnisse des Stadtforums fließen in die Arbeiten am neuen Stadtentwicklungskonzept Berlin 2030 ein.

Das 3. Stadtforum 2030 am heutigen 7.August 2013 diskutiert die Frage: „Berlin: ökonomisch prosperierend. Was lässt die Stadt wachsen?".

Fachleute aus der Wirtschaft sowie Vertreterinnen und Vertreter der Politik und Verwaltung debattieren gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern über Zielsetzungen, Handlungsstrategien und Herausforderungen der künftigen ökonomischen Entwicklung Berlins. Hierbei stehen insbesondere folgende Fragen im Fokus: In welcher wirtschaftlichen „Liga" kann und möchte Berlin im Jahre 2030 spielen? Wo liegen ökonomische Zukunftsbereiche und wie kann die Stadtgesellschaft davon nachhaltig profitieren? Um eine breite Öffentlichkeitsbeteiligung zu erreichen, sind alle Interessierten dazu eingeladen, sich auch aktiv über das Internetportal der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt in Form eines Berlintelegramms einzubringen.

Senator Müller: „Wirtschaftlich holt Berlin auf. Wir wollen die positive Wirtschaftsentwicklung weiter unterstützen, die Unternehmen und Menschen, die in Berlin sind, noch besser in diese positive Dynamik einbinden. Dabei sind mir die vorhandenen klein- und mittelständischen Unternehmen besonders wichtig.

Ich setze auf eine dauerhaft zukunftsfähige Wirtschaftsentwicklung: Diese nutzt die Stärken der Wirtschaft in innovativen Branchen und in der Forschung. Sie macht Berlin zur Hauptstadt der Zukunftstechnologien und bietet Beschäftigung für alle. Die wirtschaftliche Dynamik soll auch dazu beitragen, den einmaligen Charakter Berlins langfristig zu bewahren.

Wir müssen gemeinsam darüber diskutieren, welche ökonomischen Zukunftsfelder für die Stadt erfolgversprechend sind und wie wir optimale Wachstumsbedingungen für diese Zukunftsfelder erzeugen."

Cornelia Yzer, Senatorin für Wirtschaft, Technologie und Forschung: „Berlin gehört zu den größten und vielfältigsten Forschungsstandorten in Europa: Über 200.000 Menschen forschen, studieren und arbeiten hier - nicht selten Tür an Tür. Hier steckt immenses Potenzial, das wir international präsentieren müssen, um Technologien und Innovationen aus Berlin noch bekannter zu machen. Berlin kann Referenzstadt für städtische Lösungen auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts werden. Das machen schon heute viele Beispiele aus Bereichen der Gesundheitswirtschaft, Mobilität und Informations- und Kommunikationstechnologie deutlich.

Zur Umsetzung des wirtschaftlichen Wachstums gibt es noch viele geeignete Flächen in der Stadt. Diesen Standortvorteil müssen wir nutzen, um auch die Innovationen des Jahres 2030 in Berlin entwickeln zu können."

Das Stadtentwicklungskonzept soll im Frühjahr 2014 mit einem Senatsbeschluss als ressortübergreifende, strategische Grundlage der Berliner Stadtentwicklung verabschiedet werden.

 Informationen zum Stadtentwicklungskonzept und zum Stadtforum Berlin 2030 unter: www.berlin.de/2030

 

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7. AUGUST 2013

IHK: Berlin braucht klare Prioritäten für eine zukunftsfähige Stadtentwicklung

Heute tagt das 3. Stadtforum 2030 unter dem Motto „Berlin: ökonomisch prosperierend. Was lässt die Stadt wachsen?“ Die IHK Berlin beteiligt sich konstruktiv an diesem Zukunftsschaufenster für unsere Stadt. Klar ist: Berlin verfügt über ein gutes Flächenpotenzial für Gewerbeinvestitionen. Die zukünftigen Herausforderungen liegen vielmehr in der Bereitstellung von ausreichenden Flächen und Standorten für Industrie und Zukunftstechnologien, Kreativwirtschaft und den Wohnungsbau. Auf diese ist in der Stadtentwicklung der Fokus zu legen.

Matthias Klussmann, Mitglied des IHK-Präsidiums und Geschäftsführer der Becker & Kries Holding GmbH&Co. KG sagt anlässlich des heutigen Stadtforums zum Stadtentwicklungskonzept 2030: „Die Berliner Stadtentwicklung muss klare Priorität setzen: Für Investoren und Erweiterungswillige müssen ausreichend Flächen bereitgestellt werden. Diese Flächen dürfen sich weder den Rang ablaufen, noch dürfen sich die unterschiedlichen Nutzungen gegenseitig beeinträchtigen – wie es beispielsweise an industrielle und gewerbliche Betriebe heranrückende Wohnbebauung auslöst.“

Die Stadtentwicklung ist gefordert, räumliche Schwerpunkte zu setzen, sich auf Leuchtturmprojekte zu konzentrieren, ohne andere wichtige Standorte aus dem Blick zu verlieren. Diese Konzentration ermöglicht eine bessere Sichtbarkeit von Standortqualitäten auch in der Außenwahrnehmung und damit nicht zuletzt auch eine bessere Vermarktbarkeit. Wichtig sind eine auf diese Standorte fokussierte Liegenschafts- und Förderpolitik sowie ausreichende Personalkapazitäten in der Verwaltung.

Berlin benötigt für eine ausgewogene Struktur rund 200.000 Arbeitsplätze in der Industrie, derzeit steht Berlin bei gut der Hälfte. Vor allem aber braucht Berlin zukunftsfähige Arbeitsplätze in Unternehmen, die langfristig auf dem Markt bestehen können. Gründungen und Start-ups sowie die Kreativwirtschaft müssen langfristig in der Stadt gehalten werden. In Berlin bieten einige Standorte dafür besonders herausragende Voraussetzungen an:

  • Für Wissenschaft und Industrie sind dies beispielsweise der Wissenschaftspark Adlershof oder der Gesundheits- und Technologiestandort Berlin-Buch,
  • für die Kreativwirtschaft das Gelände des ehemaligen Blumengroßmarktes in Kreuzberg.
  • Der Wohnungsmarkt muss auf geeigneten Flächen auf die prognostizierte hohe Nachfrage reagieren können. Dabei müssen integrierte Quartiere wie beispielsweise die Tempelhofer Freiheit oder Europacity Heidestraße entstehen, die Wohnen, Arbeiten und Kultur vereinen.

 

 

Pressemitteilung der IHK Berlin vom 07. August 2013 - auch hier zu lesen

 

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