Volksentscheid zum Stromnetz mit „gravierenden Mängeln“

27.08.2013

Volksentscheid zum Stromnetz mit „gravierenden Mängeln“

 

UVB präsentiert Gutachten des Berliner Staatsrechtlers Helge Sodan

 

Die UVB Vereinigung der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg  haben ein

Rechtsgutachten zur Rekommunalisierung des Berliner Stromnetzes und des anstehenden Volksentscheides erstellen lassen. Danach weist der dem Votum am 3.11. 2013 zugrunde liegende Gesetzentwurf des Berliner Energietischs  „gravierende Mängel“ auf, erklärte der FU-Jurist und frühere Berliner Verfassungsgerichts-Präsident Helge Sodan gestern bei Vorstellung der von ihm erstellten 70-Seiten-Expertise in einer Pressekonferenz im Haus der Wirtschaft. Diese Mängel würden es auch verhindern, dass das Gesetz selbst bei mehrheitlicher Zustimmung der Bürger vom Abgeordnetenhaus übernommen werden könnte. Dies unterstrich auch UVB-Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck, der das Parlament in der Pflicht sieht, „den Volksentscheid aufzuheben und durch ein EU-konformes Gesetz zu ersetzen“.

 

Ein Kritikpunkt des Sodan-Gutachtens bezieht sich auf vom Gesetz(entwurf)  geforderte „Gewährträgerhaftung“. Danach muss das Land für etwaige Schulden der künftigen landeseigenen Netzgesellschaft einstehen. Derartige Zusicherungen stellten aber nach heutigen EU-Recht eine unzulässige Beihilfe dar. Dieser Einwand führte auch vor einigen Jahren zur Beendigung der kommunalen Gewährträgerhaftung für die deutschen Sparkassen.

 

Juristisch unzulässig ist  aus Sicht des Gutachtens außerdem die gesetzliche Festschreibung, dass die Netzgesellschaft und der Betrieb ihres Stromnetzes den Kriterien der „ökologischen Nachhaltigkeit und sozialen Gerechtigkeit“ verpflichtet sein wolle. Dies verstoße gegenüber der Neutralitäts-Pflicht, nachdem das Netz allen Strom-Anbietern offen steten müsse, egal ob der Strom aus Wind, Kohle oder Atom gewonnen wurde.

 

Ein heikler Punkt ist weiterhin die Doppelrolle, in der das Land Berlin bei der Vergabe der Konzession zum Netzbetrieb auftrete: zum einen als Entscheider, zum anderen als Antragsteller, der sich neben anderen Konkurrenten um die Konzession bewerbe. Wenn es hier nicht zu extremer Neutralität und Transparenz des Verfahrens komme, sei mit Klagen unterlegener Wettbewerber zu rechnen.

 

Schließlich sei am jetzigen Volksentscheid zu monieren, so Amsinck,  dass der Eindruck erweckt werde, mit dem Entscheid sei  die Rekommunalisierung des Stromnetzes bereits beschlossen. Tatsächlich gehe es am 3. November nur um die Aufforderung an das Land, sich mit einem landeseigenen Unternehmen am Konzessionierungsverfahren zu beteiligen. Hier müsse der Senat noch „ein Höchstmaß an Aufklärung leisten und das Verständnis dafür schärfen“, was eigentlich  zur Abstimmung stehe.

   

Manfred Ronzheimer für InnoMonitor Berlin-Brandenburg

 

 Beachten Sie auch:

 

 27.08.2013
Spannungsgeladene Kontroverse: Energiepolitik in Berlin
BWG diskutierten über das Volksbegehren des Energietischs und die Folgen

 

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DOKUMENTATION

  

http://www.uvb-online.de/uvb/presse/mitteilungen/2013/2013-08-26_PM_Gesetzentwurf_des_Berliner_Energietisches.php

  

26.08.2013

Gesetzentwurf des Berliner Energietisches weist gravierende Mängel auf

Volksentscheid am 3. November 2013 entscheidet lediglich über die Beteiligung des Landes Berlin am Konzessionierungsverfahren

Die Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg e.V. (UVB) hat heute ein Rechtsgutachten des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin a.D., Prof. Dr. Helge Sodan, zur Rekommunalisierung des Berliner Stromnetzes vorgestellt.

UVB-Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck sagte dazu: „Die Berliner Wirtschaft hat ein überragendes Interesse an einer sicheren, preisgünstigen und umweltverträglichen Energieversorgung, welche im internationalen Standortwettbewerb zunehmend an Bedeutung gewinnt. Wir haben Professor Sodan deshalb beauftragt, ein Gutachten zu den Rechtsproblemen des Konzessionierungsverfahrens des Berliner Stromnetzes und zum Volksbegehren des Berliner Energietisches zu erstellen.“

Helge Sodan, der Professor unter anderem für Öffentliches Wirtschaftsrecht an der Freien Universität Berlin ist und viele Jahre Präsident des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin war, führt dazu aus: „Bundesrechtliche Vorgaben im Energiewirtschaftsgesetz verpflichten die zuständige Senatsverwaltung für Finanzen dazu, im Verfahren über die Neuvergabe der Konzession für das Berliner Elektrizitätsnetz strikt auf Diskriminierungsfreiheit und Transparenz zu achten. Ein landeseigenes Unternehmen darf gegenüber den Mitbewerbern nicht bevorzugt behandelt werden.“

Helge Sodan wies darauf hin, dass selbst ein erfolgreicher Volksentscheid zur Rekommunalisierung die im Grundgesetz verankerte Bindung an Gesetz und Recht nicht aufzuheben vermag: „Der vom ‚Berliner Energietisch‘ vorgelegte Entwurf eines Gesetzes für die demokratische, ökologische und soziale Energieversorgung in Berlin weist einige gravierende Mängel auf. Die darin vorgesehene unbeschränkte Gewährträgerhaftung des Landes Berlin für die Verbindlichkeiten der zu errichtenden Berliner Netzgesellschaft stellt eine Beihilfe dar, welche gegen den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt.“

Dazu ergänzte Amsinck: „Aufgrund der Unzulässigkeit von Beihilfen sehen wir das Berliner Abgeordnetenhaus selbst bei einem erfolgreichen Volksentscheid in der Pflicht, den Volksentscheid aufzuheben und durch ein EU-konformes Gesetz zu ersetzen.“

Mit Blick auf die für den Volksentscheid erforderliche Informationsbroschüre des Berliner Senats sagte Amsinck: „Der Senat muss ein Höchstmaß an Aufklärung leisten und das Verständnis dafür schärfen, was am 3. November 2013 tatsächlich zur Abstimmung steht. Denn selbst mit einem erfolgreichen Volksentscheid würde das Land Berlin lediglich aufgefordert, sich mit einem landeseigenen Unternehmen an dem Konzessionierungsverfahren zu beteiligen. Über eine mögliche  Rekommunalisierung wird dagegen allein im Rahmen des Konzessionierungsverfahrens entschieden.“
Das Rechtsgutachten erhalten Sie unter Telefon 030-31005-113.

 

 

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http://berliner-energietisch.net/images/pm%20berliner%20energietisch%20270813.pdf

 

Berliner Energietisch, Pressemitteilung 27.8.2013

Gesetzentwurf des Energietisches ist rechtskonform

UVB offenbart mangelndes Demokratieverständnis

Der gestern von der Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg (UVB) vorgebrachte Einwand, der Gesetzentwurf des Berliner Energietisches weise „gravierende Mängel" auf ist nicht haltbar.

Eine offizielle Prüfung durch den Senat im Sommer 2012 hat keinerlei rechtliche Bedenken aufgezeigt. Schriftlich wurde dem Energietisch mitgeteilt, dass der Gesetzentwurf nicht gegen höherrangiges Gesetz verstößt. Auch eine juristische Prüfung des Gesetzentwurfes durch den Energietisch Anfang letzten Jahres verlief positiv. Die Vorwürfe durch den UVB sind deshalb nicht nachzuvollziehen.

Der Energietisch fordert weder eine direkte Rekommunalisierung der Stromnetze durch das Land noch eine Vorzugsbehandlung von Berlin Energie im derzeit laufenden Verfahren. Auch wird an keiner Stelle des Gesetzentwurfes die diskriminierungsfreie Durchleitung des Stromes aller Anbieter in Frage gestellt. Eine Gewährträgerhaftung durch das Land Berlin ist bereits heute laut Berliner Betriebe-Gesetz bei berlineigenen Anstalten wie z.B. der BSR oder BVG gegeben. Diese stehen im Gegensatz zu einer Berliner Netzgesellschaft zudem noch im Wettbewerb. In Bereichen der Daseinsvorsorge, wozu die Versorgung mit Elektrizität zweifelsfrei zählt, gilt das Vergabe- und Wettbewerbsrecht keineswegs uneingeschränkt.

Die Ausrichtung auf eine ökologische Nachhaltigkeit des Netzbetreibers hingegen ist im Energiewirtschaftsgesetz verankert. Dort ist neben der sicheren preisgünstigen, verbraucherfreundlichen und effizienten auch die umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität verankert. Die soziale Verantwortung eines Netzbetreibers spiegelt sich dagegen im Umgang mit Abklemmungen von der Energieversorgung wieder. Hier kann eine berlineigene Netzgesellschaft sehr wohl im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten anders agieren als derzeit Vattenfall.

„Die vorgebrachten Vorwürfe sind ein durchschaubares Manöver, den Energietisch zu diskreditieren und für Verwirrung zu sorgen. Ganz ähnliches wurde auch schon beim Wassertisch erfolglos versucht", erklärt Stefan Taschner, Sprecher des Berliner Energietisches.

„Besonders bedenklich finden wir die Aussage von Herrn Amsinck, der das Abgeordnetenhaus auffordert, bei einem erfolgreichen Volksentscheid das Gesetz wieder aufzuheben. Dies lässt auf ein mangelndes Demokratie- und Rechtsstaatsverständnis schließen. Wer rechtliche Bedenken hat, kann nach Inkrafttreten des Gesetzes den Klageweg beschreiten.", ergänzt Michael Efler, Vertrauensperson des Volksbegehrens.

Da dem Energietisch das Gutachten selbst auf mehrmalige Nachfrage noch nicht vom UVB zur Verfügung gestellt wurde, kann nur auf die in der UVB-Pressemitteilung und den Pressemeldungen beschriebenen Vorwürfe eingegangen werden. Eine ausführlichere Stellungnahme kann deshalb zum jetzigen Zeitpunkt nicht erfolgen.

Kontakt: Dr. Stefan Taschner, Tel. 030 - 2435 7803 oder 0176 - 24787213

Berliner Energietisch, Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin, Tel.: 030 - 2435 7803

http://www.berliner-energietisch.net/

Pressekontakt: Dr. Stefan Taschner, Tel.: 0176 - 24787213, taschner@berliner-energietisch.net

   

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