Commons: Information als Gemeingut

15.09.2015

Commons: Information als Gemeingut

Zur notwendigen Debatte über einen transformativen Journalismus

Die Gemeingüter, die der Gesellschaft oder in größerem Umfang der Menschheit gehören, finden unter dem Begriff "Commons" wachsende Aufmerksamkeit. Vor allem im Bereich der Ökologie, wo die wirtschaftliche Übernutzung der Commons Atmosphäre, Tropenwälder und Weltmeere planetar-zerstörerische Ausmaße angenommen hat.

Bei Gemeingütern, die gesellschaftlich produziert werden, steht diese Wahrnehmung und Einbettung in Konzepte einer alternativen, nachhaltigen Wirtschaftsweise erst am Anfang. Dies gilt insbesondere für den zentralen Wert der heutigen Informationsökonomie und der mit ihr verknüpften Mediendemokratie: die Information. Für die Commons-Diskussion ist es von Bedeutung, die Rolle gesellschaftlich relevanter Information als öffentliches Gemeingut anzuerkennen und für Strategien der Transformation aktiv einzusetzen. Dies betrifft sowohl die Informations-Inhalte (Content) als auch die technischen und gestalterischen Formate ihrer Verbreitung. Überlebt der Qualitätsjournalismus den Medienwandel?

Die alte Medienwelt verliert ihr bisheriges Geschäftsmodell: Die Ware Information. Früher waren Nachrichten ein knappes Gut, dem die Leser nachliefen und dafür bezahlten. Die Verleger setzten noch eins drauf, verkauften in ihren Blättern Raum für Wirtschaftswerbung und verdienten bombig. Das Internet hat damit Schluss gemacht. Im Spartaumel der Verlagshäuser kommt auch der Qualitätsjournalismus unter die Räder, der im Internet noch keine Bleibe gefunden hat, die seiner Bedeutung entspricht.

Qualitätsjournalismus produziert die Informationen, die die Gesellschaft für ihren demokratischen Diskurs benötigt. Die Kontrollfunktion der Presse hat Grundrechtsrang. Wenn die alten Medien damit aufhören, gesellschaftsrelevante Informationen zu produzieren und zu verbreiten, müssen neue Lösungen gefunden werden. Unabhängige, kritische, qualitativ hochwertige Informationen, die nach den Regeln guten journalistischen Handwerks produziert werden,. sind ein Gemeingut, das für das Funktionieren einer freien, demokratischen Gesellschaft unerläßlich ist. Ein Gemeingut wie saubere Luft, öffentliche Sicherheit und kostenlose Schulbildung.

Die "Commonisierung" von gesellschaftsrelevanten Informationen

Zwei Akteursgruppen können bei der Entwicklung eines Gemeinguts "Gesellschaftlich relevante Information" eine zentrale Rolle spielen: der sich wandelnde Journalismus und die engagierte, partizipationsbereite Zivilgesellschaft. Im Journalismus müssen sich nennenswerte Teile vom Diktat der verwertungsgeleiteten Aufmerksamkeits-Ökonomie lösen und durch das Primat der gesellschaftlichen Relevanz in der Berichterstattung ersetzen. Seitens der Zivilgesellschaft wird diese Gruppe von schreib-interessierten "Bürgerjournalismus" (citizen Journalismus) flankiert. Die taz ist in ihrer Geschichte wie auch mit dieser vorliegenden Ausgabe ein in Deutschland herausragendes Beispiel für diesen Ansatz der "Commonisierung" von Informationen.

Im Zuge des Medienwandels (Zeitungssterben) verbreiten sich heute "bottom up" neue Ansätze zivilgesellschaftlicher Medien, wie Initiativ-Lokalzeitungen und Kiez-Reporter im Internet. Eine Vernetzung untereinander und Qualifizierung steht noch aus. Ebenso die medienpolitische Debatte über die Verwendung der 8 Mrd Euro jährlich für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland. Eine Riesen-Ressource für das Gemeingut gesellschaftsrelevante Information.

Manfred Ronzheimer

 (Dieser Text erschien auch in der "Wandeltaz" vom 5.9.2015)

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