21.03.2016
WÖM-2: Die Politik wünscht von der Wissenschaft Ideen für Partizipations-Plattformen
Der Workshop der Akademien-AG „Kommunikation zwischen WÖM" (1) am
18.3. in der Berliner Reinhardtstraßenhöfen, wo die Leopoldina ihre
Berliner Niederlassung hat, begann sehr praxisnah: Mit einem Grußwort
der SPD-Bundestagsabgeordneten Daniela de Ridder (2). Auf ihr Betreiben
war im Oktober die parlamentarische Befassung mit dem Thema zustande
gekommen: in Form einer Expertenanhörung zur Wissenschaftskommunikation
im Forschungsausschuss des Bundestages. (3)
Jetzt, in der umgekehrten Aufstellung, gestand die Politikerin vor den
Wissenschaftlern ein, dass sie trotz des damaligen Fach-Inputs „hier
mehr Fragen als Antworten mitgebracht habe". Weil die „Politik nicht
lernresistent" sei, wolle ihre Seite die damaligen Empfehlungen
„aufgreifen und nochmals vertiefen".
(Acatech-Präs. Hüttel, SPD-MdB de Ridder, Foto MR)
Das Angebot de Ridders an die Wissenschaft umfasste vier Punkte. Zuerst interessierte die Politikerin - auch noch unter dem vorangegangenen Landtagswahl-Sonntag mit den massiven Ergebnissen für die AfD -, wie bei der Kommunikation über soziale Medien komplexe Inhalte nicht unter die Räder kommen. Wenn dort alles nur im Pecha Kutcha-Format abgehandelt werden könne, schade das dem Verständnis komplexer Zusammenhänge. Wenn die Wissenschaft sich jetzt die sozialen Medien anschaue, so war ein Anliegen der Abgeordneten: „Vernachlässigen Sie nicht die Inhalte!"
Ethik in der Journalistenausbildung
Weiter beschäftige sie die Qualitätssicherung in der
Wissenschaftskommunikation und im Wissenschaftsjournalismus vor dem
Hintergrund einer immer schnelleren Taktung bei der Veröffentlichung. Am
aktuellen Beispiel der Berichterstattung über den neuen
Bundesverkehrswegeplan, der für ihren Wahlkreis von einiger Bedeutung
ist, machte de Ridder die Notwendigkeit auf journalistischer Seite
deutlich, nicht allein - weil technisch jetzt möglich - ein
Info-Häppchen nach dem andern zu produzieren, sondern auch zu verdichten
und zu prüfen, was ist „gesättigtes Wissen". In diesem Sinne begrüße
sie es sehr, dass es einen „Code of Conduct" für den
Wissenschaftsjournalismus gebe (ist damit „Siggen" gemeint?).
Dieser Aspekt sollte auch in den Curricula der Hochschulen für
Wissenschaftsjournalismus ausgebaut werden. Bei diesem Punkt drei war
ihr auch wichtig, „neben den technischen Skills auch die ethischen
Maßstäbe" zu berücksichtigen. Dazu zähle auch der „Eros von Wissen,
Neugierde und Leidenschaft". Den Hochschulen legte sie ans Herz, sich zu
diesen Ausbildungsfragen vertiefenden Gedanken machen. Unklar blieb,
warum der Ausbildungsbereich des redaktionellen Volontariats nicht
einbezogen wurde. Sollte dort, im Unterschied der Journalistenausbildung
an den Hochschulen, alles in Ordnung sein? Wahrscheinlich wurde hier
nur der akademische Teil adressiert, weil die Wissenschaftler zugegen
waren.
Soziale Medien für Austausch der Akteure
Noch sehr in der Überlegungsphase waren die Bemerkungen der SPD-Forschungspolitikerin zur Nutzung der sozialen Medien als Plattformen des Austauschs, etwa zwischen Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft. Mit technischen Mitteln zu einer anderen Kommunikation der Akteure zu gelangen, sei für sie „ein crucial point". Es müsse aber eine „echte Partizipation" dabei herauskommen, keine nur gespielte. „Hier müssen wir noch nachdenken, in welchen Formen und mit welchen Partnern das geschehen kann", sagte de Ridder und erlaubte sich eine Randbemerkung zum „Ringen mit unserem Koalitionspartner", der Unionsfraktion. Sie selbst favorisiere „konsultative Verfahren", die am Ende zu einer Synthese zusammengeführt werden müßten. „Wir sind hier offen für neue Ideen der Kommunikation" zwischen Wissenschaft und Gesellschaft, lautete der wohl wichtigste Input der Politikerin an die gelehrte Versammlung.
Sie konkretisierte dies am Beispiel der Wissenschaftsjahre des BMBF. Es sei bemerkenswert, wie stark dort der Anteil der Wissenschaftskommunikation geworden sei. „Lassen Sie uns das weiter denken", lud de Ridder ein und nannte Formate wie Open Science und Citizen Science. Damit es keiner überhören konnte, kam die Wiederholung. „Ich bitte Sie um ganz konkrete Empfehlungen an uns". Wenn die Wissenschaftler sich nicht artikulieren, so de Ridder, „dann wird das verhallen, was Sie hier diskutieren". Damit kam sie auf das politische Zeitbudget der Regierungskoalition zu sprechen. Zwar dauere die Legislaturperiode bis zur Bundestagswahl im September 2017, doch werde die Phase des Wahlkampfs spätestens im Januar beginnen. Die wirksamen Aktionen für WK und WJ, wie die Stellung von Anträgen, müßten vorher passieren. „Der Zeitrahmen ist eng". Was in der nachfolgenden Legislaturperiode zu dem Thema möglich sein werde, dazu wage sie keine Prognose. „Seien Sie mutig! Formulieren Sie Angebote!"
Fragen an die Abgeordnete hatten die Abstimmung mit der CDU zum Thema, eine europäische Suchmaschine, die Einbeziehung von NGOs etwa im Feld der Friedensforschung, das Science Media Center und die öffentlich-rechtlichen Medien. „Wir müssen eine Lobby für den Wissenschaftsjournalismus schaffen", war das Schlußwort des Gastes aus der Politik. Gastgeber Hüttl sagte zu, den „Plattform-Charakter aufzugreifen".
Dann mußte die Abgeordnete in den Bundestag, um dort eine Rede zur FuE-Förderung der KMU zu halten (4). Auf die Punkte de Ridders wurde in der WÖM-Veranstaltung dann nicht mehr eingegangen. Sie wurden schlichtweg ignoriert. (6)
Manfred Ronzheimer
(1) https://idw-online.de/de/event52113?ipc_year=&ipc_month=
(1a) http://www.acatech.de/de/projekte/laufende-projekte/wissenschaft-oeffentlichkeit-medien-2.html
(2) https://www.bundestag.de/bundestag/abgeordnete18/biografien/D/de_ridder_daniela/258290
(2a) http://www.daniela-de-ridder.de/
(3) http://www.taz.de/!5239188/
(4) http://www.bundestag.de/mediathek/
(4a) http://webtv.bundestag.de/iptv/player/macros/bttv/news.rss?lastName=De%20Ridder&firstName=Daniela
(5) https://twitter.com/hashtag/woem2
(6) https://www.facebook.com/manfred.ronzheimer/posts/1072752852776763
(7) https://www.youtube.com/watch?v=3blrT4JWY-Y
Fünf Stunden-Video von der WÖM-Veranstaltung