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Das Kleingeld der Vielen

18.04.2011

 

Das Kleingeld der Vielen

In Berlin fand die erste deutsche Konferenz zum Crowdfunding im Internet statt

Die Weisheit der Vielen, the wisdom of the crowd, eine gute Idee, aber so hohe Konjunktur hat sie momentan nicht. Dafür macht eine andere Crowd-Idee jetzt hype-mäßig Furore: Das Kleingeld der Vielen. Das Thema Crowd-Funding ist zur Zeit im Internet in aller Munde, gilt es doch gerade für die Web-Projekte von unten als das Finanzierungs-Instrument, nach dem so lange gesucht worden war. Auch auf der Berliner Blogger-Konferenz Re:Publica stand das Thema in dieser Woche auf dem Programm, in Form der ersten Cofunding-Konferenz. Eine recht elitäre Veranstaltung: InnoMonitor - das selbst an einem Crowd-Funding-Konzept bastelt - wollte direkt von dort berichten, wurde aber nicht zugelassen, es weil es angeblich nicht ausreichend Plätze für die Presse gebe. So mußten wir uns mit Notizen vom Live-Stream der Tagung begnügen.

Die Konferenz - (Location: Quatsch Comedy Club) - begann mit einem Werbeblock für die Kreativwirtschaft-Aktivitäten des Bundeswirtschaftswirtschaftsministeriums, vorgetragen von Lutz Gärtner, und zwar deshalb, weil das BMWi ganz wesentlich zum Funding der Veranstaltung beigetragen hat. Später mußte deshalb auch noch ein Block mit Kreativwirtschaft-Betreuern aus den Bundesländern laufen, obwohl die zum Finanzierungs-Thema nicht viel beizusteuern hatten. Laut Gärtner ist die Kreativ-Ini des BMWi, gestartet April 2010, inzwischen an 73 Standorten aktiv und zählte auf der Website im März 2011 rund 80.000 Besucher, was über dem geplanten Benchmark liegt.

Eine guten Faktenüberblick gab zum Einstieg Jörg Eisfeld-Reschke, der Anfang 2010 das ikosom - Institut für Kommunikation in sozialen Medien gegründet hatte. Den Oberbegriff des Crowd Sourcing (ein Eindeutschungsversuch lautet „Informelle Finanzierung") definierte er als Ansatz, um Wissen, Fähigkeiten und Kapital zusammenzuführen. Das Crowd Funding suche nun, das Kapital aus einer großen Menge zusammenzubringen. Zwei CF-Prinzipien seien von Bedeutung: „Alles oder nichts" (das Geld fließt nur dann von allen, wenn das die gewünschte Menge erreicht ist, darunter wird es nicht ausgezahlt) und das „Transparenz-Prinzip" (die Macher erklären, wofür sie das Geld verwenden). Als erstes CF-Projekt der Geschichte führte JER die Finanzierung der Freiheitsstatue in New York 1885 an. Anteilsscheine wurde über Zeitungen angeboten. Jüngere Beispiele Sellaband (2006) und Kickstarter (2009), beide USA. In Deutschland kommen ersten CF-Websites im Oktober 2010: Inkubato, MySherpas, Pling, Startnext, 2011 u.a. Visionbakery. Den Anstieg der Nachfrage verdeutlicht JER mit der Google-Kurve, die auch hier auf der Wikipedia-Erklärungsseite zu sehen ist:

http://de.wikipedia.org/wiki/Crowdfunding

Danach brachte der Begriff CF im deutschsprachigen Google 2004 lediglich 11 Treffer, 2007 schon 15.700 und 2010 dann das Dreifache mit 47.800. JER: „CF ist in Deutschland noch ein kleines Pflänzchen".

Über CF seien bisher in Deutschland 57 Projekte abgeschlossen worden. Die Summen reichten von 92,88 bis 8082 Euro.

Von Ikosom wurden in den letzten drei Wochen die 57 Projekte angefragt. Es gab 25 Rückläufe, von denen waren 52 % erfolgreich finanziert. Der beste war zu 120 Prozent überfinanziert. Aber 44 Prozent waren unterfinanziert und erhielten nicht die Finanzmittel, die sie für ihr Projekt kalkuliert hatten. Es gab auch Ausreißer, die auf null Prozent kamen. Gut klappt nach Auskunft der Befragten das Prämien-Modell (so wurden bei der Finanzierung eines Hörspiels auch zwei Sprecher-Nebenrollen angeboten, die gut nachgefragt waren). Schwierig sind nach wie vor die Bezahlwege. Ein Drittel der Projekte sind damit unzufrieden. CF-Geber sind nach Meinung von 96 % „Wiederholungstäter", kommen also wieder. JER: „Das ist aussichtsreich, es scheint die Leute zu begeistern".

Kontaktadresse, die angegeben wurde: http://www.ikosom.de/, www.facebook.com/

Es folgten dann im Lauf der Veranstaltung immer wieder die Vorstellung von einzelnen CF-Projekten, leider meist nur im Talkshow-Format („Reden wir mal rüber"), aber damit immerhin konkret, leider wenig analytisch. Was immer wieder erwähnt wurde, ist das Scheitern der hergebrachten Finanzierungssysteme, ob VC, Banken oder öffentliche Förderung. Bei den meisten CF-Projekten mit Volumina von 5000 bis 10000 Euro sei für ihr Ministerium der Verwaltungsaufwand zu hoch, bekannte Tanja Mühlhans von der Berliner Senatswirtschaftsverwaltung. Dafür gebe es in Berlin aber auch die Lösung der Mikrokredite bis 25.000 Euro (u.a. von der IBB angeboten). Das Problem der Verwaltung sei die etatmäßige Festlegung fürs ganze Jahr, die dann unterjährig wenig Flexibilität gestatte.

Im Gegenzug wurde in der Diskussion CF auch als „Zeichen für das Scheitern der öffentlichen Förderung" gewertet. Ein Antragsteller, der sich in den „Behördendschungel" gewagt habe, um Fördergelder zu erlangen, berichtete, dass er auf Seite 30 des Antrags aufgegeben habe: „Zu kompliziert für uns".

Neu ist dagegen auf CF-Seite die Einführung des Faktors Community. Dieser Punkt wurde von nahezu allen Teilnehmern sozusagen als USP erwähnt. Ganz entscheidend ist nämlich - noch vor dem Produkt und der Vertriebssuche nach dem zahlenden Kunden für das Produkt - die Bildung, Pflege und Nutzung einer Art Fan-Gemeinschaft, die das Projekt im Tenor für gut hält und seine Realisierung ermöglichen will. Im CF-System wird dieser Sympathiefaktor nun zur geldwerten Erlösquelle. Das läßt sich aber in Businessplänen überhaupt nicht kalkulieren und fällt damit für die darauf aufsetzenden Geldgeber wie VCs völlig aus der Optik. Andererseits gehört für die Projektmacher die Arbeit am Bau des Produkts genauso dazu wie der „Bau der Community". Geld gibt es, wenn beides authentisch ist. Aus diesem Grund wird es klassische Werbung im CF-Bereich kaum Fuß fassen können, vielleicht die CF-Plattformen ausgenommen. Aber auch letztere sind derzeit noch dem informellen Bereich zuzuordnen. Man kennt sich, man hilft sich. So gab sich das erste Cofunding-Meeting über weite Strecken als Familientreffen derjenigen, die schon dazugehören. Entwicklungsbiologisch ist eine solche Kokon-Phase ja nicht zu beanstanden.

Manfred Ronzheimer

(PS Eine weitere Auswertung der Konferenz folgt später an anderer Stelle. Bis dahin Hinweis auf diese Vertiefungsstellen) :

 

Das Programm:

 

http://www.cofunding.de/Programm/Ablauf.html

 

 

10.00

Begrüßung durch die Moderatoren des Tages

Ela Kagel, freie Kuratorin und Produzentin
Dirk Kiefer, Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes

Begrüßung von

Lutz Gärtner, Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft / BMWi

10.15

 

Keynote
Wer investiert warum, wie viel und in welche Projekte?
Ein Überblick über Crowdfunding

Jörg Eisfeld-Reschke, ikosom

10.30 Diskussion / Streitgespräch
Crowdfunding - ein Hype oder die Zukunft der Projektfinanzierung?


Moderation: Karsten Wenzlaff, ikosom 

10.50 Panel
Finanzierung für kreative Projekte gesucht!
Künstler und Kreative berichten von ihren Crowdfunding-Erfahrungen



Moderation: Ela Kagel, freie Kuratorin und Produzentin  

11.50 Pause

12.00  Panel
Crowdfunding als alternative Finanzierungsmöglichkeit?
Zwischen öffentlicher Förderung und Mikro-Mäzenatentum


Impulsvortrag: Eine Crowfunding-Zeitreise
Sebastian Metzner, Senior Trend Analyst TrendONE

Senat für Wirtschaft, Technologie und Frauen

Moderation: Dirk Kiefer, Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes 
  
13.00 Mittagspause

14.00 Panel
Social Payment und Crowdfunding: Freiwillige Bezahlmodelle für Inhalte im Netz  


Moderation: Markus Beckedahl, netzpolitik.org

14.45 Interview
The Power of Crowdfunding: Diaspora 2000% overfunded

Maxwell Salzberg, Diaspora
 
Moderation: Ela Kagel
  15.00  Vortrag  
Das Publikum als Co-Produzent: Crowdfunding für Filme
Wolfgang Gumpelmaier, filmtiki

15.20 Pause 

15.35 Vortrag 
Money and Meaning: Wie und warum Menschen in Kreative investieren
Eric Poettschacher, shapeshifters

16.00 Panel
Mit Crowdfunding zum Kultursponsoring 2.0?
Verknüpfung von Kultur und Wirtschaft 


Impulsvortrag: Verknüpfung von CSR und der Crowd auf betterplace 
Moritz Eckert, betterplace

 
Moderation: Dirk Schütz, Kulturmanagement Network
 
16.45  Ausblick
mit Ela Kagel und Dirk Kiefer

17.00 Ende im Quatsch Comedy Club

 

 

 

Hier die Liste der Referenten mit Kurzinfos und Links zu den Projekten:

http://www.cofunding.de/Referenten.html

u.a.

analogsoul

Lauscherlounge Records

Firehazard Studio

Exthanded

Diaspora

Bar25 Film

Shapershifters

Sevenload

ikosom

TrendONE

filmtiki

 

 

 

 

Hier ein fundierter Einstieg in einige Projekte mit konkreten, ermittelten Zahlen

Welche Crowdfunding Best Cases werden auf der co:funding vorgestellt?

(02.04.2011, Anna Theil)

http://www.cofunding.de/News/Detail/b/Welche-Crowdfunding-Best-Cases-werden-auf-der-cof-219

Dokumentarfilm: Bar25

Videospiel: Saber Rider and the Star Sheriffs

Hörspiel: Richard Diamond soll leben von Lauscherlounge Records

Musik: Platten-Produktion der Band A FOREST

Erfindungen: Das Kamera-Schwebestativ Ethanded

 

 

Die Gesamt-Dokumentation der 1. Cofunding, die sukzessive ergänzt wird. Das Hauptdokument:

http://www.cofunding.de/Dokumentation.html

Die Dokumentation der ersten Crowdfunding Konferenz wird hier bis Ende April in einzelnen Schritten zur Verfügung gestellt

 

Twitter: Echtzeit-Ergebnisse für #cofu11

http://twitter.com/search?q=%23cofu11

 

Ein Veranstaltungsbericht, mit Hinweis auf eine weitere Konferenz in Österreich. Hier werden auch nochmal die wichtigsten Merkmale von CF dargestellt:

Mit Crowdfunding Geld für gute Ideen im sozialen Netzwerk sammeln

17.04.2011 Thilo Ruf

http://www.suite101.de/content/mit-crowdfunding-geld-fuer-gute-ideen-im-sozialen-netzwerk-sammeln-a109033

 

Der Bericht einer Forschungsgruppe der Uni Chemnitz über die Veranstaltung, ausführlich und mit vielen Links (benutzen):

Leidenschaft kommunizieren und Brücken bauen - Nachtrag zur re:publica & co:funding 2011

Publiziert am 17. April 2011 von klixs

http://www-user.tu-chemnitz.de/~klixs/?p=76&sms_ss=twitter&at_xt=4daad7a018526b82,0

 

 

Weitere Links:

 

http://re-publica.de/11/tag-3/

http://www.kultur-kreativ-wirtschaft.de/

 

http://blog.radiofabrik.at/civilmedia/

http://www.ikosom.de/tag/cofunding/

 

A Year Without Rent - Per Crowdfunding zum Filmpraktium

Lucas McNellys »Year without Rent« gilt bereits jetzt als eine der herausragendsten Crowdfunding-Kampagnen in 2011

http://www.ikosom.de/2011/04/15/a-year-without-rent---per-crowdfunding-zum-filmpraktium/

http://www.fundraising-kongress.de/w-14.html?s=&PHPSESSID=5e30b235d939df884ed30f3610ad9a6e

 

 

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