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Die Mechanismen der App-Ökonomie

22.09.2011

 

Die Mechanismen der App-Ökonomie

Dritter Tag der Xinnovations 2011 in der Humboldt-Universität

Am dritten Tag der Xinnovations (21.9.2011) wurde der Nachmittag im Senatssaal des HU-Hauptgebäudes im Format von „Always On" bestritten, bei dem die mobilen Internet-Anwendungen im Mittelpunkt stehen.

Der Geschäftsführer der neofonie mobile GmbH, Rainer Kruschwitz, gab in seinem 20-minütigen Vortrag Antworten auf die Frage, ob das iPad „Retter oder Untergang der Zeitung" sei. Das vor drei Jahren als Tochter der neofonie (die mit einem eigenen Tablet-Versuch wenig glücklich agierte) gegründete Unternehmen hat inzwischen über 40 Apps für 75 Verlagstitel erstellt. Der erste Kunde war der Axel-Springer-Verlag. Die App der Tageszeitung „Die Welt" erhielt sogar eine Medien-Auszeichnung.

Kruschwitz gab einleitend einen kurzen Abriß der Zeitungshistorie, die bis um 1600 zurückreicht (Straßburg und Wolfenbüttel). 1932 war das anfängliche Elite-Medium zum Massenprodukt geworden. In diesem Jahr gab es in Deutschland 4700 Tageszeitungen mit einer Auflage von 25 Millionen Exemplaren. 2010 war die Zahl der Blätter auf 350 geschrumpft, die Auflage auf 19 Mio. Wiederholt sah sich die Zeitung durch andere neue Kommunikationstechniken bedroht, wie 1845 durch die schnelle Nachrichtenübermittlung per Telegraph, später das Radio und Fernsehen und heute massiv durch das Internet. Die Verkaufskurven der Zeitungen gehen massiv nach unten. Die Bild-Zeitung büßte in den letzten 10 Jahren 37 Prozent ihrer Auflage ein. Verdienten die Zeitungen früher ihr Geld zu zwei Dritteln mit Anzeigenerlösen und ein Drittel durch Verkauf an den Leser, so hat letzterer Posten in diesem Jahr erstmals die 50 Prozent überschritten (PwC). Der Grund: das Internet als Werbeträger zieht immer mehr Geld an sich.

Nach einer Umfrage unter Tablet-Benutzern sind zwei Drittel bereit, auch für journalistische Inhalte zu bezahlen. Das iPad könnte den Verlagen schaden, so Kruschwitz, wenn sie es machten wie in den Anfangsjahren des Internet: Ihre Inhalte dort einzustellen, aber ohne ein Erlösmodell. Deshalb werde mit den Apps auf den mobilen Internet-Zugängen eine Zahlpflicht verbunden. Schon juble ASV-Chef Döpfner: Steve Jobs rettet die Verlage!

Neofonie führe gerade eine Studie zur App-Usability durch. Erfolgversprechend sei, die Vorteile von Print - die Leser verbinden mit der gedruckten Zeitung eine höhere Wertigkeit, weil bezahlt - mit den technischen Vorteilen von Online zu verknüfen: indem die Zeitunsi-Anmutung ins Mobil-Gerät übertragen wird. „Bei der richtigen Produktpositionierung gibt es auch eine Bezahlbereitschaft", erklärte Kurschwitz. „Apps sind eine zentrale Säule in einem profitablen, digitalen Medienmix." Derzeit werde viel experimentiert. ASV habe jüngst beeindruckende Zahlen zum Verkauf von Zeitungs-Apps vorgelegt. Der Schweizer Ringier Verlage habe dagegen seine „Webcollection" wieder eingestellt. Die Profitabilität der App-Zeitung hänge davon ab, welcher Aufwand damit verbunden ist. Bei der FR als App-Pionier werde noch jede Mobil-Ausgabe von der Redaktion selbst gebaut. Kostensenkend wird das wohl nicht sein.

http://mobile.neofonie.de/

Anschließend stellte Carsten Busch von HTW neue Trends im Mobile Gaming dar. „Wir sind in diesem Bereich erst am Anfang und wissen an vielen Stellen noch nicht, wohin es geht", sagte der Kunst-Professor. Sicher sei, dass die technischen Grundlagen für den Spiele-Betrieb sich ständig steigerten und zudem seit einigen Jahren vermehrt Kapital in die Spiele-Entwicklung fließe. Der Umsatz mit Games werde derzeit auf 8,5 Mrd Dollar weltweit geschätzt, in Deutschland auf 219 Mio Dollar. Ein Beispiel sind „location based"-Spiele, also Gelände-Spiele, am bekanntesten das Geocaching, die „virtuelle Schnitzeljagd", die in Deutschand bereits 25.000 aktive Spieler hat. Mit einem von Studenten der HTW entwicklten Spiel „Public Interaction" kann man per Handy-Kamera an einer Bus-Haltestelle „Pong" spielen.

Unter dem Titel „Medien im Raum" stellte Jussi Ängeslevä von Art+Com mit Willy Sengewald (http://www.thegreeneyl.com/) ein Medien-Projekt vor, das im Oktober 2010 in Syrien noch stattfinden konnte (Unseen Damascus). Es ging darum, „die Dynamik zu ändern, mit der wir im öffentlichen Raum agieren". Weitere Projekte wurden von Jens Wunderling eingebracht (http://www.defaulttopublic.net/). So eine Augmented Reality im Berliner Computerspiele-Museum, durch die zusätzliche Informationen über die Ausstellungsstücke eingespielt werden.

Die Schlußsession der Xinnovations war vierminütigen Kurzpräsentationen aus der Berliner App-Ökonomie gewidmet. Andre Winzer von der Firma Schaltzeit erklärte die Grundzüge der neuen Online-Anwendungen und brachte Beispiele, so die Run Pee App, über die man im dunklen Kionosaal erfährt, in welcher Richtung die nächste Toilette ist, oder die Open Table App, die Tisch-Reservierungen in 20.000 Restaurants ermöglicht. Die App zahlt der Wirt. So groß das Angebot, aber so ungleich der Zuspruch. Winzer nannte Zahlen, wonach lediglich zwei Prozent der Apps mehr als 1000 mal aufgerufen werden. 80 Prozent sind letztlich erfolglos. Bei ihnen sind nach 90 Tagen die Nutzer weg. Das größte Problem: man muß im Appstore gefunden werden. Eine Empfehlung: Crosspromoten.

Weiter stellten sich dann folgende Internetfirmen vor: 3-point concepts, http://www.asidemag.com/, Condat AG, das Stilbüro, fnctions, Hoccer GmbH, IFIE Ingenieurbüro für innovative Entwicklungen sowie Pressmatrix GmbH. (Zu diesen Firmen bringt InnoMonitor später einen gesonderten Bericht, wenn die Leser das wünschen).

Manfred Ronzheimer für InnoMonitor Berlin-Brandenburg

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