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Bestandsaufnahme der regionalen Biotechnologie

08.12.2011

  Bestandsaufnahme der regionalen Biotechnologie  

Wirtschaft und Wissenschaft trafen sich zur „BioBilanz 2011“ in Berlin  

Am 6.12.2011 fand in der Brandenburgischen Landesvertretung in Berlin die „BioBilanz 2011“ statt, zu der BioTOP und der Biotechnologieverbund Berlin-Brandenburg (bbb) eingeladen hatten. Anstelle eines Hauptvortrages wie in den vorherigen Jahren wurde die Bilanzierung diesmal in Form einer Gesprächsrunde („Aktuelle Herausforderungen für die Biotechnologie“) vorgenommen, in der drei Experten von Dr. Kai Bindseil  zu den Komplexen Wissenschaft, Wirtschaft und Finanzierung  befragt wurden. 

Dr. Norbert  Gerbsch, Vorsitzender bbb e.V., Hennigsdorf und stv. Hauptgeschäftsführer BPI, bewertete die Forschungssituation in der Region für den Bereich Biotechnologie als sehr günstig („prima“). Der besondere Charme liege darin, dass sich für praktisch jeden lebenswissenschaftlichen Aspekt einen Forschungspartner finden lasse. Eine strukturelle Schwäche liege darin, dass viele Wissenschaftseinrichtungen auf Landesfinanzierungen angewiesen, die teilweise politisch verordneten Sparanstrengungen unterliegen. Als herausragendes Ereignis im Wissenschaftsbereich wurde die Anbahnung der Fusion und Charité und MDC angeführt. Vorbild sei das KIT in Karlsruhe, auch bei der Lösung der unterschiedlichen administrativen Zuständigkeiten (Landesuniversität, Krankenhaus, Großforschungseinrichtung des Bundes). In jeden Fall seien aber die Synergieeffekte beachtlich. Auf die Frage Bindseils, warum bei soviel Forschungs-Input dann am Ende der Pipeline vergleichsweise wenig Innovationen herauskämen, antwortete Gerbsch mit dem Verweis auf die Länge der Pipeline: die Entwicklungszeiten bis hin zu einem fertigen Medikament seien in der Biotechnologie eben äußerst lange, wie das Beispiel Mologen zeige. Darüber hinaus vermisste Gerbsch eine öffentliche Debatte, was der Gesellschaft Innovationen im Gesundheitsbereich tatsächlich wert sind.

Dr. Klaus Stöckemann (Peppermint VenturePartners) stellte den Ansatz des Charité Biomedical Funds vor, mit einzelne Forschungsprojekte aus der Klinik in Gründungsunternehmen überführt werden sollen. Der Fonds verfüge über ein zugesagtes Kapital von 30 Mio Euro. Im Unterschied zur Lage um das Jahr 2000 („Neuer Markt“) stelle es heute eine besondere Herausforderung dar, solche „freischwebenden Forschungsprojekte“, von denen es viele gebe, mit Startkapital zu versorgen. „Bridging the Gap“, laute das Stichwort. Für die Region sei es eine gewisse Verbesserung,  dass alle großen Pharmakonzerne mindestens mit einem Hauptstadtbüro in Berlin vertreten seien. Das erleichtere den Kontakt zur Wissenschaft und könne auch von Vorteil bei den Corporate Venture Fonds sei, die alle großen Pharma-Unternehmen inzwischen aufgelegt haben (außer Bayer Pharma). Sein Fonds CBF,  so Stöckemann, sei auf Ausgründungen aus der Charité ausgerichtet. Teilweise handele es sich auch um Forschungsprojekte, für die es noch kein Gründerteam gebe und die geeigneten Personen erst noch  gesucht werden müssen. Thematische Schwerpunkte sind Diagnostik und Medizintechnik mit starkem Akzent auf Telemedizin und Healthcare IT. Viele VC-Unternehmen investierten heute lieber in Medizintechnik als in Biotechnologie wie noch vor einigen Jahren. Da sich auch die KfW zurückgezogen habe, werde es für Gründer immer schwieriger, Erstrunden-Finanzierungen hinzubekommen. Als Modell für die Region Berlin-Brandenburg empfahl Stöckemann die Lösung in Bayern, wo sich der Europäische Investmentfonds und die Bayerische Landesbank zur Bildung eines Fonds zusammen getan hätten.

Dr. Andreas Mätzold (BBB GmbH, Biotechnologiepark Berlin-Buch) bewertete die Entwicklung der Biotech-Branche als sehr dynamisch. „Die gefühlte Temperatur ist gut“, sagte Mätzold. Die Bestandsunternehmen bereiteten „sehr viel Freude“. Die Räume des Biotechnologieparks seien mit über 90 Prozent gut gefüllt, es gebe kontinuierlich Ansiedlungs-Anfragen von auswärts. Mit gewisser Sorge sehe man, dass  es derzeit „keine richtigen Neu- und Ausgründungen“ in der Biotechnologie gebe. Für die weitere Zukunft müsse man in Buch umdenken. Das ursprüngliche Konzept des Gründerzentrums habe einen „Endpunkt erreicht“. Die Neuansiedler wünschten größere zusammenhängende Flächen mit einem höheren Ausstattungsgrad, vor allem Lüftungstechnik, einige auch Reinräume. Die Technisierung  sei weit vorangeschritten. Der Markt könne diese Flächen derzeit nicht anbieten. Es sei ein Glückfall, wenn Unternehmen selbst bauten. In Buch gebe es zwei solcher Fälle. Dazu müsse man aber auch die Grenzen des Campus überschreiten. So baut Eckert und Ziegler seine neue Firmenzentrale vor dem Eingang des Bio-Campus. Mätzold wünschte sich in diesem Zusammenhang mehr Entgegenkommen beim Verkauf öffentlichem Grund und Boden an Unternehnmen. Hier sollten Gesichtspunkte der Nachhaltigkeit und der Bindung des Unternehmens an den Standort eine stärker gewichtete Rolle spielen als lediglich der Quadratmeter-Preis. Hier müsse nach einen neuen Modell gesucht werden.

Staatssekretär Henning Heidemanns vom Ministerium für Wirtschaft und Europaangelegenheiten Brandenburg hielt in seinem Statement zugleich Rückschau auf die Entwicklung der Biotechnologie-Region in den letzten 15 Jahren. Damals noch praktisch ein „Nobody“ befinde sich Berlin-Brandenburg heute fast gleichauf mit München-Martinsried. Heidemanns: „Es ist eine Menge passiert“. Auch bei den Fiannzierungsfragen sei er zuversichtlich, sagte der Politiker unter Hinweis auf das künftige EU-Forschungsprogramm Horizon 2020, in dem die Mittel von 55 auf 80 Mrd Euro gesteigert werden sollen. Zudem gingen gesellschaftliche Megatrends wie Bevölkerungsentwicklung und personalisierte Medizin  in eine Richtung, die immer mehre die Kompetenz der Lifescience-Szene benötige. Die Stärke der Region liege in der Kombination und Einbettung von Themen in größere Zusammenhänge, wie etwa im Fall der Telemedizin. Eine weitere Zukunftsperspektive stelle die Bioökonomie dar, wo sich die Region noch in einem aussichtsreichen Spitzencluster-Wettbewerb befinde. Heidemanns: „Es sieht also wirklich gut aus“. Für das nächste Jahr wünschte sich der Staatssekretär eine Steigerung in Richtung Internationalisierung und bessere Sichtbarkeit der Biotech-Region: „Da geht noch mehr“.

In zwei Vortragsblöcken wurden anschließend aktuelle Beispiele aus Wissenschaft und Wirtschaft vorgestellt. Zu den „Hot Topics der Wissenschaft“ gehörte das Thema   Biologisierte Implantate, an dem  Prof. Dr. Britt Wildemann und ihr  Team am  Julius Wolff Institut der Charité-Universitätsmedizin Berlin arbeiten. Die Forschungsarbeiten zu  Biopolymeren für Hochleistungsmaterialien stellte  Prof. Dr. Hans-Peter Fink vom Fraunhofer IAP in Potsdam-Golm vor.  Der Einsatz von  Informationstechnologien in der Medizin auf Basis des menschlichen Genoms steht im Mittelpunkt eines interessanten EU-Projekts, das von Prof. Dr. Hans Lehrach vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik, Berlin, koordiniert wird. 

  Die „Highlights der Wirtschaft“ umfassten das Thema Aktive Immuntherapien gegen Krebs,  das  Dr. Matthias Schroff von der Mologen AG, Berlin, anhand der aktuellen Entwicklungsarbeiten darstellte. Unter dem Titel „Diagnostik aus Berlin-Brandenburg: BRAHMS Biomarker - Stand und Perspektiven“ informierte Jürgen Srega von Thermo Fisher Scientific über die aufstrebende Entwicklung des Henningsdorfer Unternehmens unter dem Dach des internationalen Konzerns. Die Perspektive Startup-Unternehmens bot Dr. Wolfgang Weber von der ifp GmbH, Berlin, das sich erfolgreich im Feld der innovativen  Lebensmitteldiagnostik und –analytik positioniert hat.  Manfred Ronzheimer für InnoMonitor Berlin-Brandenburg  Weitere Informationen:

www.biotop.de

 

 

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