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Workshop zur Forschungswende

14.11.2012

 

Workshop zur Forschungswende

Kernforderungen der Zivilgesellschaft an die Wissenschafts- und Forschungspolitik

Am 30. Oktober 2012 trafen sich die Akteure der Zivilgesellschaftlichen Plattform Forschungswende in den Berliner Räumen des NABU zu ihrem zweiten Workshop. Es gab dazu vier einführende Darstellungen, von denen wir hier die von Korbun und Ober wiedergeben (Schneidewind und Albrecht müssen wir nachreichen).

Thomas Korbun vom IÖW - Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, Berlin, ging auf die Kernforderungen der Zivilgesellschaftlichen Plattform ein. Er stellte eingangs fest, dass die Plattform „auf großes Interesse" stoße. Korbun: „Häufig kommen Nachfragen zu Zielen und Forderungen". Das Wissenschaftsjahr (des BMBF) und die Bundestagswahl 2013 böten besondere Gelegenheiten für Positionierung.

Auf dem ersten Workshop der Plattform im Juli 2012  hatte man sich auf die Verfolgung von zwei Perspektiven verständigt. Langfristig solle der Aufbau und Entwicklung der Plattform vorangetrieben werden.  Kurzfristig wolle man „schnell sprach- und handlungsfähig werden".

Dazu wurde im Sommer ein Auftrag an die „Berliner Runde" erteilt, der strategischen Vordenker-Runde der Plattform. Ein erster  programmatischer Entwurf („Entwurf zu zivilgesellschaftlichen Forderungen an die Wissenschafts- und Forschungspolitik", 3. Version vom 22.10.2012) wurde  von Thomas Korbun und Steffi Ober verfasst, in den die Ergebnisse des Juli-Workshops sowie verschiedene Quellen einflossen. Dieser Entwurf wurde zweimal breit in der Berliner Runde diskutiert und es gab viele Kommentare per Email. Die dritte Version wurde dann als Grundlage für die Diskussion im Oktober-Workshop fertig gestellt. Korbuns Bewertung:  Das Strategiepapier sei „vorläufig und weiter diskussionswürdig und  konkretionsbedürftig". Es bilde aber die Grundlage,  um eine erste abgestimmte „Sprachfähigkeit" der Plattform zu erreichen. Ziel des Workshops sei die Diskussion und Meinungsbildung darüber.

Aus diesem Basispapier (mit fünf Kapiteln: Partizipation, Transparenz, Themen, Systemwandel, Finanzierung) wurden zehn Kernforderungen an die Wissenschafts- und Forschungspolitik (Top 10) destilliert, die Korbun wie folgt vortrug:

1.) Mehr Partizipation der Zivilgesellschaft (Beteiligung bei Formulierung von Forschungsfragen und -programmen sowie in Gremien öffentlich finanzierter wissenschaftlicher Einrichtungen)

2.) Einrichtung eines Forschungsfonds und eines Forschungsforums der Zivilgesellschaft und wissenschaftspolitisches Capacity Building

3.) Entwicklung und Einrichtung transparenter Agenda-Prozesse

4.) Forschungsprogramme und -aktivitäten für Zukunftsthemen und transdisziplinäre Forschung deutlich ausbauen

5.) Zivilgesellschaft in Forschungsprojekte einbinden (bei Problemformulierung, Integration von Praxiswissen, Umsetzung in Forschungsprojekten, Etablierung von Forschungsläden)

6.) Disziplinen übergreifende Strukturen nachhaltiger Wissenschaft fördern (Hochschulen, außeruniversitäre Kompetenzzentren der transdisziplinären Nachhaltigkeitsforschung)

7.) Freien Zugang zu Forschungsergebnissen

8.) Grundlagen und Qualitätsstandards der transdisziplinären Nachhaltigkeitsforschung weiter entwickeln

9.) Jährlich eine Milliarde Euro mehr für transdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung

10.) Ausreichende Ausstattung der Hochschulen für die freie Forschung und Lehre sicherstellen, insbesondere durch die Erhöhung der Grundmittelquote.

Als wichtige Quellen für diese Forderungen wurden mehrere  jüngere Dokumente angeführt: Das BUND-Papier zur Nachhaltigen Wissenschaft, das Memorandum zur sozial-ökologischen Forschung,  das WBGU Gutachten zur Großen Transformation, das Memorandum der deutschen UNESCO-Kommission, ein Verbandspapier zur Forschungspolitik im Kontext der Bundestagswahl (Occupy Innovation - für eine Wende in der Forschungspolitik!), sowie das  Hochschulpolitische Programm des DGB.

Die politische Essenz dieser Forderung  wurde zudem auf drei Essentials verdichtet: „Kernforderungen an die Wissenschafts- und Forschungspolitik (Top 3)":

1.) Mehr Partizipation der Zivilgesellschaft in der Wissenschaft (Forschungsforum, Forschungsfonds, Beteiligung in Gremien und an Agenda Prozessen, Capacity Building)

2.) Mehr Forschungsprogramme und -aktivitäten für Zukunftsthemen und transdisziplinäre Forschung (neue Programme, Nachhaltigkeitsmilliarde)

3.) Wissenschaftssystem für transdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung stärken (innovative Einrichtungen an Hochschulen, außeruniversitäre Kompetenzzentren, Umsteuern bestehender Einrichtungen, Karrierewege)

Diese drei Punkte stellen sozusagen die Meßlatte dar, mit der die Zivilplattform künftig die Politiken im Wissenschaftsbereich (Parteien, Legislative, Exekutive, Wissenschaftsorganisationen) künftig bewertet und beeinflussen will.

Das weitere Vorgehen skizzierte Korbun so: Die „Berliner Runde" werde die Ergebnisse des  heutigen Workshops auswerten und eine neue Fassung des Basispapiers erstellen. Die Einzelverbände entwickeln ihre eigene Positionen (mit verschiedenen Schwerpunkten) weiter, wobei die Kernforderungen der Plattform als „Ideengeber" dienen. Für diese Abstimmungsprozesse in den Verbänden müssten die geeigneten Gremien angesprochen und die Präsidialbereiche eingebunden werden. Zu diesem weiteren Prozess in den Verbänden machte später auch Olaf Band detaillierte Bemerkungen.

Das Ziel sei, die  Veröffentlichung eines zwischen den Verbänden abgestimmten Forderungskatalogs im Frühjahr 2013 hinzubekommen.

Im Workshop erfolgte dann die Gruppenarbeit zu den Kernforderungen in 5 parallelen  Arbeitsgruppen an thematischen Stationen, die alle 20 Minuten gewechselt wurden.

Die fünf Themen der Gruppenarbeit waren diese:

1. Wie legitimiert sich die Plattform? Wer ist die Zivilgesellschaft? Modell der deliberativen Demokratie als Begründungshintergrund? (Reiner Braun/Olaf Band)

2. Welche Strukturen brauchen wir, um Wissenschaft mit zu gestalten? Wie kann und soll ein Forschungsforum aussehen? An welchen Stellen im Wissenschaftssystem können wir partizipieren? (Steffi Ober)

3. Wer trägt was mit? Welche Kernforderungen sind für alle Verbände konsensfähig? Wo besteht Dissens? An welchen konkreten Punkten gibt es weiteren Diskussionsbedarf? (Thomas Korbun)

4. Welche Themen und Ideen fehlen in dem Papier? Konkrete Anregungen für Ergänzungen aus Sicht der Zivilgesellschaftlichen Organisationen (Hannes Bever)

5. Bildung von Arbeitsgruppen & Tool Adhocracy: Bildung der inhaltlichen Arbeitsgruppen, Klärung des Auftrags und Vorstellung der Arbeitsweise mit Adjocracy, Expertenrunden und Arbeitstreffen (Stella Veciana)

Die Ergebnisse der Workshop-Diskussion können hier in der Dokumentation eingesehen werden (ist aber nicht wissenschaftlich sortiert, sondern ökologisch korrekt mehr Kraut und Rüben):

 http://forschungswende.de/index.php/artikel/workshop-dokumentation/37-dokumentation-2-workshop-forschungswende

Dokumentation 2. Workshop Forschungswende

In den verlinkten Texten finden Sie die Dokumentationen vom 2. Workshop am 30.10.2012.

Dokumentation der Diskussion zu den Kernforderungen

Vortrag von Steffi Ober

Die „Forschungswende" wolle einen Beitrag zur Transformation der Gesellschaft - hin zu einer nachhaltigen und gerechten Gesellschaft - leisten, erklärte Plattform- Managerin Dr. Steffi Ober vom VDW.e.V. zu Beginn ihres Berichts über den „Stand des Projektes Forschungsplattform".  Die Ausgangslage skizzierte sie in einer Grafik so, dass der „Gesellschaft" vier Blöcke Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Medien gegenüberstehen (Anm. Ich habe Medien immer als Teil der Gesellschaft begriffen, sie sind natürlich auch eine Untergruppe der Wirtschaft, MR).

Die Ausgangsfrage formulierte Ober so: „Wie kann die Zivilgesellschaft wirksam zu einer Transformation der Wissenschaft und Forschung beitragen?" (Anm. An den Begriffen muss noch gearbeitet werden: Wissenschaft ist der Oberbegriff für die Forschung - Produktion des Wissens - und die akademische Lehre, vulgo Hochschulen - die Weitergabe des Wissens).

In den kommenden Monaten, bis Februar 2013, will die Plattform Anworten auf diese Fragen finden: Wie können ZGO an der Definition  von Wissenschafts- und Forschungsfragen teilhaben? Wie gestaltet sich das Wissenschafts- und Forschungssystem? Welche Anforderungen stellen die ZGO an dieses System? Wo finden sich Best Practise-Beispiele?

Die Orte, wo die Diskussion darüber stattfinden, sind  Workshops, Arbeitsgruppen sowie „Adhocracy", das per Internet eine niederschwellige und hohe Beteiligung plus Vernetzung bringe. Inhaltlich wolle man sich auf einige Schwerpunkte konzentrieren, wie Energie, Mobilität, Nachhaltigkeit und Bioökonomie. Zu den Rahmenbedingungen des Wissenschaftssystems soll ein „Gutachten" erstellt werden (Folie 5). Im September 2013 - dem Monat der  Bundestagswahl - soll es dann eine Tagung der Plattform geben, auf der die Ergebnisse diskutiert werden. Fragen, die dann eine Antwort erhalten sollen, sind: An welchen Stellen sehen wir sinnvolle Partizipationsmöglichkeiten? Wie muss Partizipation gestaltet sein, um in den bestehenden Systemen wirksam zu werden?

Bis Juli 2013 soll zudem eine „Studie mit Schwerpunkt auf Impact der Partizipation" erstellt werden, die von der Best Practise AG begleitet wird.  Für diesen Monat ist ebenfalls eine Tagung vorgesehen. Die Gruppe hat bereits mit der Sammlung von Best Practice Beispielen begonnen, und zwar auf der partizipativen Arbeitsplattform iversity, auf die Arbeitsgruppenteilnehmer Links und Dokumentationsmaterial aus ihrer Expertise zur Ansicht und Diskussion zur Verfügung stellen.

Konkret wurden in diesem Zusammenhang folgende Projekte genannt:

1. Vorschlag der Bildung des Modellprojekts „Forschungsladen" in (Rot-Grünen) Bundesländern, wo Bürger und Bürgerinnen ihre Forschungsfragen einbringen können.

2. Vorschlag der Bildung eines Forschungsfonds als Stiftung oder gemeinnützige Vereinigung zur Förderung einer Forschung, die derzeitig in Mainstream Modellen vernachlässigt wird und die den Problemstellungen der Verbände entspricht.

3. Vorschlag der Erstellung einer Best Practice Studie. Ziel ist es die bereits vorhandenen inter/nationalen Best Practices zu identifizieren und Ansätze für eine transdiziplinäre Wissenschaft sowie konkrete Handlungsempfehlungen aufzuzeigen. Ein weiterer Ausblick ist die Ausarbeitung eines Grünbuches.

4. Weitere Nutzung der gesammelten Best Practices durch „Storytelling" für die Öffentlichkeitsarbeit sowie als Informationsmaterial für den sich entwickelnden „Transformationsjournalismus".

Weiter berichtete Frau Ober über die Arbeitsgruppe: Berliner Runde, die die strategische Steuerung der Plattform leistet und in der relevante Player vertreten sind, wie  DNR, NABU, BUND, DGB, WFC, UFO, WBGU, Ecornet.

Auch zur „Wissenschaftskommunikation heute und morgen" wurden Aussagen gemacht. Diese wandele sich „von  der "End-of-Pipe" zur integrierten Kommunikation". Hier tauchten die neuen Begriffe „Co-Design", „Co-Production" und  „Co-Communication" auf . Letzteres meint z.B. die „leichtere Vermittlung von Forschungsergebnissen in Zielgruppen". Als Zielgruppen werden diese vier genannt: Öffentlichkeit, Politik, Stakeholder und Journalisten (Anm. Wobei ich die Journalisten als eine Berufsgruppe in die Öffentlichkeit subsumieren würde, MR). Bruchstellen gibt es in diesem Kommunikations-Design derzeit an zwei Übergängen. Bei dem zur Zivilgesellschaft fehlt deren Integration in den gesamten Forschungsprozess. Und beim Erreichen der Zielgruppen versagt die klassische Wissenschaftskommunikation („mechanistisches Trichtermodell der Kommunikation").

Schließlich wurde unter dem Stichwort „Kommunikation" auf die an diesem Tag freigeschaltete Webseite Zivilgesellschaftliche Plattform http://www.forschungswende.de/ verwiesen.

Über die Internet-Seite  http://www.adhocracy.de/ sollen  Forschungsfragen aus der Zivilgesellschaft gesammelt werden: Was fehlt in der Forschung?  Welche Fragen stellen wir?  Welche Bereiche sind unterforscht?  Wo setzen wir andere Schwerpunkte? Ab Januar 2013 können Kommentare zu den Texten und Alternativvorschläge abgegeben werden. Eine Abstimmung finden dann auf dem gemeinsamen Workshop im Februar 2013 statt.

Arbeitsgruppen wurden auf Adhocracy bereits zu diesen Themen eingerichtet:

 

Manfred Ronzheimer

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