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Gewerkschafter für grundsätzlichen Kurswechsel

06.12.2012

 

Gewerkschafter für grundsätzlichen Kurswechsel

IG Metall diskutiert über  „Alternativen zum finanzmarkt-getriebenen Kapitalismus"

Im Kongresszentrum am Berliner Alexanderplatz ist am Mittwoch der auf drei Tage angelegte Kongress „Kurswechsel für ein gutes Leben" der Industriegewerkschaft Metall eröffnet worden. Mit großer internationaler Beteiligung wollen die Gewerkschafter über Veränderungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik  in Richtung gute Arbeit, Gerechtigkeit und öko­lo­gi­schen Wandel diskutieren. Es gehe um „Alternativen zum finanzmarkt-getriebenen Kapitalismus", sagte der 2. IGM-Vorsitzende Detlef Wetzel in seiner Begrüßungsansprache. Offizielle politische Vertreter konnten bei der Eröffnung nicht begrüßt werden.

 Die mit großem Aufwand vorbereitete Strategie-Tagung hat ihr Vorbild in einem legendären Kongress der IG Metall, der 1972 in Oberhausen die gesellschaftlichen Forschrittserwartungen der Gewerkschaften in der Brandt-Ära zum Ausdruck brachte. Damals war sogar Bundespräsident Heinemann zu Gast, der die Worte sprach: „Die junge Generation kritisiert zu Recht das Ausmaß unserer Gedankenlosigkeit", die jetzt von Wetzel zitiert worden. Auch deshalb, weil die aktuelle Perspektivlosigkeit der Jugend in Europa, vor allem der Süd-Länder, ein Skandal ist, gegen den die Gewerkschaft mobilisieren will.

Wetzel führte in seiner thematischen Einstimmung des Kongresses vor Augen, dass sich die Lage für die abhängig Beschäftigten in den letzten Jahrzehnten auch im reichen Deutschland spürbar verschlechtert habe. Soziale Errungenschaften, die zum Kernbestand des Konsenses der sozialen Marktwirtschaft gehörten,  seien in mehreren Wellen angetastet und geschleift worden - nach der deutschen Einheit 1990, mit Schröders Agenda 2010 und den Folgen der Weltfinanzkrise, die sich zur Eurokrise fortgesetzt hat. „Die Kluft zwischen Arm und Reich hat sich wieder geöffnet, und mit am stärksten ist das in Deutschland geschehen", sagte der Metaller. Letztlich rühre diese unsoziale Entwicklung an die Wurzeln der Demokratie, weshalb eine Verbesserung nicht nur in den Händen der Tarifpartner liege, sondern ganz zentral von den Rahmenbedingungen abhänge, die von der Politik gesetzt werden.

In einer Podiumsdiskussion, die von dem Berliner Journalisten Harald Schumann (Der Tagesspiegel) sehr engagiert geleitet wurde, kam es zum Kräftemessen zwischen den Arbeitgebern (Gesamtmetall) und IGM-Chef Huber. Rainer Dulger, Präsident von Gesamtmetall, sah von seiner Warte im Unterschied zu den Arbeitnehmern von unten „keinen Trend zur Verelendung in Deutschland". Im weiteren musste sich Dulger mehrfach gegen Kritik an der von den Arbeitgebern finanzierten „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" verteidigen, die mit großem Werbeaufwand neoliberale Wirtschaftspositionen propagiert. Die Brücke, die BUND-Chef Hubert Weiger mit seinem Vorschlag zu bauen suchte, die INSM möge doch mal in einer Kampagne auch die gesellschaftlichen „Kurswechsel"-Themen plakatieren, wollte der Metall-Arbeitgeber nicht beschreiten. Weiger war es auch, der auf die zweite wichtige Wende-Veranstaltung hinwies, den Transformationskongresse im Juni im gleichen Tagungsgebäude, zu dem der DGB, die Naturschützer und die Ev. Kirche eingeladen hatte.

Über „Die Krise und Perspektiven der Weltwirtschaft" sprach in der Eröffnungsveranstaltung der amerikanische Starökonom Nouriel Roubini von der  New York University.  Ihm folgte Jill Rubery von der University of Manchester  die über "Gespaltene Zukunft - auf der Suche nach integrationsfähigen Arbeitsmärkten" sprach. Ihr Vortrag wurde, im Unterschied zu dem Roubinis, im Livestream der Konferenz per Internet übertragen. Ebenso das das Podiumsgespräch. Auf diese Weise können auch weitere Teile der Konferenz  verfolgt werden. 

http://www.igmetall-kurswechselkongress.de/inhalt/livestream1/

6. Dezember, 8:30 Uhr: Vortrag "Zwischen Candide und Cassandra: Öko­no­mi­sche Antworten auf ein Zeitalter der Krisen" (James Galbraith)

Der erste Konferenztag schloß mit einer Darbietung des  Bestsellerautors  Frank Schätzing mit dem Titel  „Zukunftsgerüchte" - Wie die Welt wohl eher nicht wird. Ein Plädoyer für Zukunftsgestaltung und gegen Panikmache".

 Der zweite Tag gehört der Debatte in den insgesamt zwölf Foren, in denen das „Gesicht eines neuen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells" erkennbar wie auch (am Nachmittag) „Konkrete Ansätze" besprochen werden sollen. Ihre Themen:

Forum 1: Wachstumsdiskurs

Forum 2: Regulierung des Finanzmarktsystems

Forum 3: Globale Ungleichheit

Forum 4: Nachhaltiger Industrieumbau

Forum 5: Zukunft der Arbeitsgesellschaft

Forum 6: Revitalisierung der Demokratie

Forum 7: Industrie auf „grünen" Wegen

Forum 8: Die Architektur der Energiewende

Forum 9: Zukunft der Mobilität - Zukunft der Verkehrsindustrie

Forum 10: Gute Arbeit

Forum 11: Lebenschancen und Verteilungsgerechtigkeit

Forum 12: Demokratisierung der Wirtschaft

Der dritte Tag ist am 7. Dezember den „Perspektiven Europas" gewidmet.

 

Manfred Ronzheimer für InnoMonitor Berlin-Brandenburg

(weitere Berichte folgen)  

 

http://www.igmetall-kurswechselkongress.de/

 

IG Metall Kurswechsel-Kongress Eröffnungsfilm

http://www.youtube.com/watch?v=Wpb_l7hGZfo

 

(Zur Kongress-Geschichte, Oberhausen 1972)

http://www.igmetall.de/cps/rde/xchg/SID-7ED380C5-BFB5ADEF/internet/style.xsl/internationaler-kongress-gutes-leben-fuer-alle-10976.htm

 

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http://www.igmetall.de/cps/rde/xchg/internet/style.xsl/pressemitteilungen-2012-11009.htm

 

Pressemitteilung Nr. 73/2012

IG Metall diskutiert Kurswechsel für eine neue Politik der sozialen Verantwortung

05.12.2012 

Berlin - Unter dem Motto "Kurswechsel für ein gutes Leben" diskutiert die IG Metall mit über 800 Teilnehmern aus aller Welt Alternativen zum finanzmarktgetriebenen Kapitalismus. "Wir befinden uns in einer Richtungsauseinandersetzung. Ökonomie ist kein Selbstzweck, sie hat den Bedürfnissen der Menschen zu dienen. Die Beschäftigten dürfen nicht zur Manövriermasse der Wirtschaft werden", sagte Berthold Huber, Erster Vorsitzender der IG Metall, am Mittwoch in Berlin.

Für die IG Metall sind gute Arbeitsplätze und der ökologische Umbau der Industrie dabei ebenso zentrale Elemente des Kurswechsels wie die Regulierung der Finanzmärkte und eine demokratische Wirtschaft. "Wenn die Menschen weiter das Vertrauen verlieren, dass es politische Gestaltungsmöglichkeiten gegen wirtschaftliche Interessen gibt, dann ist es nicht gut um unsere Demokratie bestellt", sagte Detlef Wetzel, Zweiter Vorsitzender der IG Metall, zur Eröffnung des internationalen IG Metall-Kongresses. Kurzfristiges Gewinndenken und überhöhte Renditeerwartungen hätten weltweit und auch in Deutschland zur Folge, dass prekäre Arbeitsverhältnisse rapide zunehmen, Standorte gegeneinander ausgespielt würden und Politik und Wirtschaft soziale Verantwortung zunehmend verweigerten. "Wir haben uns dem an vielen Stellen erfolgreich entgegengesetzt, vor allem auf tarif- und betriebspolitischer Ebene. Wir wissen aber auch: Das können wir nicht alleine durchsetzen. Es wird Zeit, dass die Politik der Wirtschaft Ziele gibt und Regeln setzt und nicht umgekehrt", sagte Wetzel.

Als Ausgangspunkt für ein neues Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell hält die IG Metall einen breiten gesellschaftlichen Veränderungsprozess für notwendig. "Gewerkschaften können sicher dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Möglich wird er nur durch das Zusammenwirken vieler gesellschaftlicher Akteure, und wenn es uns gelingt, neoliberales Denken zu überwinden und die Alternativen bewusst zu machen", sagte Wetzel. Nicht wachsende Ungleichheit und zunehmende gesellschaftliche Spaltung dürften vorherrschen, sondern soziale Verantwortung müsse gesellschaftlicher Konsens werden. Nur wenn die Menschen Veränderungsprozesse mitgestalten könnten, sei es ihnen möglich, ein selbstbestimmtes, gutes Leben zu führen. Dazu wolle die IG Metall einen Beitrag leisten und stelle sich den entscheidenden Zukunftsfragen, sagte Wetzel.

Auf dem internationalen Kongress vom 5. bis 7. Dezember in Berlin diskutiert die IG Metall mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, Gewerkschaften, Verbänden und Politik über ein neues Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell. Der Kongress steht in der Tradition der großen gesellschaftspolitischen Richtungsdebatten der IG Metall.

 

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