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Das Wagnis der Offenheit

16.06.2013

 

 

 

Das Wagnis der Offenheit

 

Leibniz-Tag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften

 

Festsitzung an ungewohntem Ort: Nicht im Schauspielhaus gegenüber dem Akademiegebäude am Gendarmenmarkt, sondern im Maxim-Gorki-Theater zwischen Universität und Museum kamen an diesem Samstag die Mitglieder und Freunde der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften zum alljährlichen Leibniztag zusammen. Der Grund: ein Terminkonflikt mit dem Konzerthaus, das an diesem Wochenende - dem letzten vor den Sommerferien - seinen Tag der offenen Tür beging.  Politiker aus Berlin und Brandenburg nahmen an der Veranstaltung nicht teil.

 

Den Festvortrag hielt der britische Historiker Timothy Garton Ash, Professor für European Studies an der University of Oxford. Im Zusammenhang mit dem Jahresthema „Europa" der Akademie stellte er in seinem Vortrag mit dem Titel  „Angewandte Aufklärung" dar, welchen Rang die Eroberung und Verteidigung von geistiger und staatsbürgerlicher Freiheit nicht nur in der Geschichte Europas einnahm, sondern wie Aufklärung in den globalen Veränderungen und Konflikten aktueller denn je ist. Die zentrale Maxime der Aufklärung, „Sapere Aude", habe nichts von ihrer Bedeutung verloren, auch wenn sie heute häufiger  als „Think for yourself" ausgesprochen werden. Das Recht der Meinungsfreiheit wahrzunehmen, bedeute aber auch, es in unbequemen Fällen zu verteidigen. Hier bezog Garton Ash Position zu gesetzlichen Verboten der Meinungsäußerung über bestimmte historische Ereignisse (Holocaust, Völkermord Armenien). An die Stelle eines Rechtszwangs sollten „expressive Zeichensetzungen", insbesondere seitens des Staates treten, mit denen das Verhältnis zu diesen Geschehnissen öffentlich artikuliert werde. Garton Ash verwies auf sein Oxforder Forschungsprojekt http://www.freespeechdebate.com/, in dem Formen dieser offenen und öffentlichen Diskurse behandelt werden. „Lassen Sie uns im Sinne der angewandten Aufklärung", so Garton Ash, „mehr Offenheit wagen".

 

 

Aus der Pressemitteilung:

"Am Leibniztag, der Anfang des 19. Jahrhunderts von der Preußischen Akademie der Wissenschaften begründet wurde, werden traditionellerweise die höchsten Auszeichnungen und Preise der Akademie vergeben. Die Leibniz-Medaille für besondere Verdienste um die Förderung der Wissenschaften wurde in diesem Jahr an den Bibliothekar Paul Raabe, den Bauingenieur und Stiftungsgründer Alois M. Schader sowie an das Kuratorium des Fonds der Chemischen Industrie verliehen. Den mit 50.000 Euro dotierten Akademiepreis für herausragende wissenschaftliche Leistungen erhielt in diesem Jahr der Chemiker Helmut Cölfen für seine bahnbrechenden Forschungsergebnisse im Bereich der Kristallisation. Außerdem verlieh die Akademie ihrem Gründungspräsidenten Hubert Markl die Ehrenmitgliedschaft."

http://www.bbaw.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen/leibniztag_2013

 

 

In seinem Rechenschaftsbericht verwies BBAW-Präsident Stock auf die neu definierten vier Aufgaben der Akademie ein. Zu ihnen gehöre auch die Verpflichtung, „ den Dialog mit der Öffentlichkeit in Fragen der Wissenschaft zu suchen und zu führen - sei es zu konkreten technologischen Anwendungen, sei es zu Themen, die einer ethischen oder gesellschaftspolitischen Bewertung bedürfen. Gerade bei letzteren ist es der Akademie ein besonderes Anliegen, in öffentlichen Veranstaltungen aufzuklären und Rat zu geben." In diesen Gesamtkontext gehört laut Stock auch „die Arbeit mit Schulen und Schülern, die ihren Niederschlag in den Brandenburger Schulvorträgen, aber auch in unserer Kooperation mit der Freien Universität Berlin zur Förderung des naturwissenschaftlichen Grundschulunterrichts sowie in unserem Schülerlabor Geisteswissenschaften finden."

Inhaltlich ging er unter anderem auf die Turfan-Forschung ein (Seidenstraße), die von internationaler Bedeutung sei, wie auch die Vernetzungsfunktion der Akademie, etwa bei der Bildung des Berliner Antike-Kollegs. Dies sei eine „Kooperation, die deutlich macht, dass Berlin im Bereich der Altertumswissenschaften nicht nur eine führende nationale, sondern auch eine führende internationale Stellung einnimmt", sagte Stock.

Der BBAW-Präsident erwähnte auch die zwei Tage zuvor eröffnete Ausstellung „Vertrieben aus rassistischen Gründen. Die Akademie der Wissenschaften 1933-1945", die der Beitrag  der BBAW zum Berliner Themenjahr ‚Zerstörte Vielfalt" darstelle.  Mit dieser Ausstellung werde der Umgang vor allem mit den jüdischen Mitgliedern und Mitarbeitern der Akademie aufgearbeitet. Stock; „Die ausgestellten Materialien über die als Juden ausgeschlossenen bzw. zum Austritt gedrängten Akademiemitglieder und -mitarbeiter sind sehr berührend und geben uns Anlass zum Nachdenken über mangelnden Mut und Solidarität gegenüber verfolgten Kollegen, aber auch über versäumte Verantwortung der Wissenschaft".

Als eine von zwei neue interdisziplinären Initiativen wurde eine Arbeitsgruppe mit  dem Titel „Zitat und Paraphrase" eingerichtet, die sich mit der wissenschaftlichen Zitierkultur und den Aspekten der „intellectual property" befasst. Eine Reaktion auf die Plagiatsaffäre der zurückgetretenen Forschungsministerin Schavan. Auch die Akademiezeitschrift „Gegenworte" behandelt das Thema in ihrer jüngsten Ausgabe.

http://www.bbaw.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen/dokumente/Bericht_P_FINAL_WEB.pdf

 

Manfred Ronzheimer

 

 

Programm

http://www.bbaw.de/veranstaltungen/2013/Juni/leibniztag

 

Akademiepreis für  Professor Dr. Helmut Cölfen

http://www.bbaw.de/die-akademie/auszeichnungen/preise/akademiepreis/2013

 

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