Spannungsgeladene Kontroverse: Energiepolitik in Berlin
27.08.2013
Spannungsgeladene Kontroverse: Energiepolitik in Berlin
BWG diskutierten über das Volksbegehren des Energietischs und die Folgen
Zur Diskussion über das derzeit „heißeste“ Thema der Landespolitik, der künftigen Struktur der kommunalen Energieversorgung, hatten die Berliner Wirtschaftsgespräche am Montagabend in die Räume der Deutschen Kreditbank in die Taubenstraße geladen. Die Leitfrage der Veranstaltung lautete zwar: „Was will und kann der Energietisch mit seinem Gesetzentwurf erreichen?“ Spannend waren aber auch die Positionen der Koalitionsparteien SPD und CDU, die an diesem Abend noch keine gemeinsame Haltung zum Volksentscheid am 3. November erreicht hatten.
Das Podium war besetzt mit Daniel Buchholz, MdA, Energiepolitischer Sprecher der SPD, Dr. Michael Garmer, MdA, Energiepolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, Dr. Helmar Rendez, Geschäftsführer der Stromnetz Berlin GmbH, einer Tochtergesellschaft der Vattenfall AG, Dr. Stefan Taschner, Kampagnenleiter beim Berliner Energietisch sowie Henrik Vagt, Bereichsleiter Energie & Umwelt bei der IHK Berlin. Die Moderation hatte Sabine Beikler vom Tagesspiegel.
Zum Hintergrund: Von Februar bis Juni 2013 hatte „Energietisch“ als zivilgesellschaftliche Organisation die zweite Stufe des angestrebten Volksbegehrens realisiert, indem er in diesem Zeitraum insgesamt 227 748 gültige Unterschriften sammelte. Das Ziel des Volksbegehrens ist es, am 3. November 2013 (diesen Termin hatte der Senat festlegt, die Initiatoren hatten dagegen für den Tag der Bundestagswahl am 22.9. optiert) über den Gesetzentwurf des Energietisches abzustimmen. Der Gesetzentwurf soll eine demokratische, ökologische und soziale Energieversorgung in Berlin sichern. Er sieht die Gründung von zwei Anstalten des öffentlichen Rechts vor. Zum einen die Gründung von Stadtwerken, zum anderen die Gründung einer Netzgesellschaft. Diese Netzgesellschaft wurde inzwischen vom Land mit Namen „Berlin Energie“ gegründet, mit Personal und Ressourcen ausgestattet und diese ins Rennen um die Konzession für das Stromnetz geschickt. Ob die landeseigene Netzgesellschaft im Wettbewerb obsiegen kann, wird durch das laufende Konzessionsverfahren entschieden. Herr des Verfahrens ist die Senatsverwaltung für Finanzen. Die Koalitionsfraktionen hatten bereits Ende 2012 einen Gesetzentwurf zur Gründung von landeseigenen Stadtwerken eingereicht und entwickeln gegenwärtig effiziente, belastbare Umsetzungskonzepte.
Leitfragen der der BWG-Diskussion waren: Wie wird das Gesetz realisiert, wenn der Volksentscheid erfolgreich ist und die Bürgerinnen und Bürger den zur Abstimmung stehenden Entwurf im November zum Gesetz erheben? Was kann der Energietisch unter den bestehenden Rahmenbedingungen mit seinem Gesetzentwurf tatsächlich noch erreichen? Welche energiepolitischen Handlungsspielräume könnten durch eine Netzübernahme des Landes erreicht werden? Welche Akzente soll der Gesetzentwurf im laufenden Konzessionsvergabeverfahren setzen? Wie steht der Gesetzentwurf der Kampagne zu den Bemühungen der Koalitionsfraktionen? Wo gibt es Gemeinsamkeiten zwischen dem Energietisch und den Koalitionsfraktionen? Worin unterscheiden sich die Positionen? Gibt es Kooperationsmöglichkeiten? Welche Rolle spielt Vattenfall im Konzessionsvergabeverfahren? Welchen sinnvollen Beitrag kann das Unternehmen leisten und sind Konstellationen mit Vattenfall für den Energietisch denkbar? Warum steht Vattenfall als Netzbetreiber in der Kritik? Worin unterscheiden sich andere Bewerber vom Bewerber Vattenfall?
Taschner stellte fest, dass der Energietisch mit seinem Engagement für eine Rekommunalisierung der Energieversorgung „in den letzten zwei Jahren einiges bewegt“ habe. Es werde sich in diesem Zusammenhang, ausgelöst durch die Energiewende, noch vieles verändern. Entscheidend sei, dass Berlin wieder die Entscheidungsgewalt über eines seiner wichtigsten Verteilnetze, das Stromnetz, bekomme.
SPD-Mann Buchholz erklärte, dass sich die SPD seit ihrem Parteitag 2010 in inhaltlicher Übereinstimmung mit den Forderungen des Energietisches befinde. Allerdings gebe es auch Unterschiede, etwa bei der Regelung der Verwaltungsräte. Buchholz: „Wenn wir das in das Gesetz reinschreiben, muss es einen Zustimmungsvorbehalt des Abgeordnetenhauses geben, denn wir haften letztlich dafür“.
Für IHK-Vagt war die Frage von besonderer Bedeutung, ob die finanziellen Risiken – durch hohe Investitionskosten für den Betrieb des Stromnetzes – für die öffentliche Hand in Berlin nicht zu groß sind. Die Rendite sei für das Land schlechter, weil es Schulden aufnehmen müsse. Zudem könnten Funktionen der „öffentlichen Daseinsvorsorge“ genauso gut von privaten Unternehmen übernommen werden. Hierzu merkte SPD-Buchholz allerdings an, dass seine Partei – in einer eigens gebildeten Arbeitsgruppe „Daseinsvorsorge“ – zu der Auffassung gelangt sei, dass der Teilverkauf der Berliner Wasserbetriebe „ein Fehler war, den wir jetzt rückgängig machen“.
Buchholz bewerte die Rendite-Situation anders als die IHK (0,2 Prozent), bezifferte sie auf 6-9 Prozent. Bei Vattenfall könne man sogar zweistellige Renditesätze unterstellen (Buchholz: „Ein großer Millionenfluß von Berlin nach Schweden"). „Wenn es ein so schlechtes Geschäft wäre, warum bewerben sich dann so viele um das Netz?", fragte der SPD-Politiker, „Nach 20 Jahren haben wir auf diese Weise die völlige Refinanzierung des Netzes".In seiner Erwiderung stellte Rendez klar, dass Vattenfall eine Rendite von 5 Prozent erwirtschafte. Der Netzbetrieb sei ein „stabiles Geschäft". Die Zahlen seien auch überhaupt nicht geheim, würden teilweise auch als Jahresabschlüsse auf den Open Data Portal des Landes Berlin publiziert. Auch die Mitarbeiter-Zahlen seien keine Geheimsache: Bei der Netzgesellschaft arbeiteten 151 Personen, im Service rund 1300, hinzu kämen noch 800 extern Beschäftigte für den Störungsdienst.
CDU-Garmer widersprach der These, Bereiche der Daseinsvorsorge könnten nur durch öffentliche Leistungsträger abgedeckt werden, mit dem Bäcker-Beispiel. Die Versorgung mit dem Grundnahrungsmittel Brot sei völlig in privater Hand, worüber es keinen Grund zur Beschwerde gebe.
Über das Rechtsgutachten zum Volksbegehren, dass der UVB am Vormittag vorgestellt hatte, wurde erstaunlicherweise auf der BWG-Veranstaltung nicht diskutiert.
Manfred Ronzheimer für InnoMonitor Berlin-Brandenburg
http://www.spdfraktion-berlin.de/
http://www.cdu-fraktion.berlin.de/
http://www.berliner-energietisch.net/
http://www.berliner-energietisch.net/presse
http://www.stromnetz-berlin.de/de/index.htm
http://www.stromnetz-berlin.de/de/pressemitteilung-vom-09-04-2013.htm
Fünf Megatrends bestimmen zukünftige Entwicklung des Berliner Stromnetzes
(Mit einer Foliendarstellung von Rendez vom 9.4.2013 mit vielen Fakten zum Stromnetz)
Download hier:
http://www.ihk-berlin.de/innovation/;jsessionid=FE6B6F9CC07D2E30A0D083F7782F0434.repl1
Innovation und Umwelt
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Beachten Sie auch:
InnoMonitor, 27.08.2013
Volksentscheid zum Stromnetz mit „gravierenden Mängeln“
UVB präsentiert Gutachten des Berliner Staatsrechtlers Helge Sodan
http://www.innomonitor.de/index.php?id=132&be=3596
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