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Elektromobilität in guter Fahrt?

31.10.2013

Elektromobilität in guter Fahrt?

BWG-Autoforum diskutierte Erwartungen und Beiträge der Region Berlin-Brandenburg

In der Berlin-Repräsentanz der Robert Bosch GmbH fand gestern Abend  ein weiteres Expertenpanel des „Autoforums" der Berliner Wirtschaftsgespräche  statt,  das sich mit der Nummer 8 mittlerweile zu einer festen Größe des Berliner Veranstaltungskalenders entwickelt hat. Mit einem fachkundig besetzten Podium  wollte die Veranstaltung  der Frage nachgehen, wie weit es der Region gelungen ist,  mit ihren Bemühungen international in die elektromobile Spitzengruppe vorzudringen.

Dem Podium gehörten an (v.l.n.r.):  Gernot Lobenberg, Leiter der Berliner Agentur für Elektromobilität eMO, Dr. Kurt-Christian Scheel, Leiter der Abteilung Regierungs- und Politikbeziehungen der Robert Bosch GmbH, Moderator Thomas Meißner, früher TSB Innovationsagentur Berlin GmbH, jetzt Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie, Prof. Dr. Barbara Lenz,  Institutsleiterin des Institutes für Verkehrsforschung,  Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und Hermann Blümel von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt.

Zum diskutierten Themenkreis  zählte der weitere Aufbau der Ladeinfrastruktur ebenso wie Projekte, die mit tragfähigen Mobilitätskonzepten elektrische Fahrzeuge sichtbar „auf die Straße bekommen". Von Bedeutung ist natürlich auch, wie es gelingt, durch geeignete Kommunikation eine positive Grundstimmung für die Elektromobilität zu erhalten, ohne überzogene Erwartungen zu wecken. Unter anderem die folgenden Fragestellungen sollten mit dem Autoforum 8 näher beleuchtet werden:

1. Wie sehen die „elektromobilen" Perspektiven der Region Berlin-Brandenburg heute aus - vier Jahre nach Verabschiedung des Nationalen Entwicklungsplans?

2. Kommen die Schaufensterprojekte der Region gut ins Laufen? Wie positionieren sich Berlin und Brandenburg mit diesem Portfolio international?

3. In welchen Schritten und mit welchen Technologien erfolgt der weitere Ausbau der Ladeinfrastruktur in Berlin?

4. Welche Bedeutung haben Laborgebiete für die Einführung der Elektromobilität? Können Sie als Katalysator wirken?

5. Auf welchen Feldern profitiert die Industrie der Region von der Elektromobilität?

6. Was verbirgt sich hinter dem Konzept der „Orte für Elektromobilität"?

(Die Fragen sind dem Einladungstext entnommen):

http://www.bwg-ev.net/events/info/eymn3-autoforum-viii---elektromobilitaet-im-jahr-5-des-nationalen-entwicklungsplans--erwartungen-und-b

Lobenberg verwies einleitend darauf, dass auch Bosch seit einem Jahr als Premium-Partner zu eMO gehöre. Er bedauerte es, dass Berlins wichtiger Schritt  in die Zweirad-Elektromobilität, die Produktion des BMW-Motorrads E-Scooter ab 2014, auf der IAA in Frankfurt durch die zeitgleiche Präsentation der vierrädrigen Schwester-Gefährts i3, dem Elektro-BMW in den Schatten gestellt wurde.

106 Projekte erproben Elektromobilität

 Zum Status des Berliner „Schaufensters" - alle vier in: http://www.schaufenster-elektromobilitaet.org/ - teilte Lobenberg mit, dass es sich jetzt um 30 Kernprojekte plus weitere 76 Projekte handele, mit denen elektromobile Anwendungen in unterschiedlichsten Bereichen erprobt werden sollen. Von diesen 106 Projekten seien 74 bereits am Laufen, 15 beantragt und 17 in der Planung. Als Beispiele wurden genannt eine elektromobile Lieferkette für Karstadt-Warenhäuser, Carsharing in Flotten und das Stromladen im öffentlichen Raum. Der Aspekt der „Sichtbarkeit" solle in den so genannten  „Orten der Elektromobilität" bearbeitet werden, wovon das EUREF-Gelände eines sei, demnächst auch der Potsdamer Platz.

Der eMO-Chef betonte aber, dass man sich mit diesen Aktivitäten erst am Anfang befinde. Die Phase I der Marktvorbereitung sei bis Ende 2014 projektiert. Wenn die Presse jetzt über die geringe Zahl an Elektroautos in Deutschland herziehe  (Berlin 1200 Fahrzeuge) und die Technik schon als gescheitert darstelle, dann müsse gesehen werden, dass es derzeit „noch keinen Markt für Elektroautos gibt", so Lobenberg. In  den Jahren 2015-2017 sollen dann die Stromer in großem Stil auf die deutschen Straßen kommen. Für 2018 steht dann der „beginnende Massenmarkt" auf dem Plan. Vor den privaten Autokäufern sollen Flottenbetreiber mit mehr als 500 (Nutz-) Fahrzeugen auf den Stromantrieb umstiegen. Bei eMO ist dies das „Projekt InitiativeE".

Ladeinfrastruktur: Wie kommt das Auto zum Strom?

Der Standort Berlin-Brandenburg  hält sich in Abgrenzung zu den anderen,  von einzelnen Auto-Herstellern geprägten Schaufenster-Regionen viel auf seine „technische Überparteilichkeit" zugute. Nicht nur bei den Fahrzeugen, sondern auch bei der dazu gehörenden Infrastruktur der Elektromobilität und der begleitenden Forschung. Mit welchem Aufwand dies verbunden ist, verdeutlichte Senats-Verkehrsexperte Blümel am Beispiel des Aufbaus einer öffentlichen Ladeinfrastruktur. Dabei geht es zum einen um die Identifizierung von geeigneten Flächen zur Aufstellung von Ladesäulen, was aber nicht selten zu Konflikten mit anderen Nutzergruppen führt, etwa mit dem boomenden Radverkehr. Auch müssen Abschätzungen vorgenommen werden, in welchen Stadtquartieren die Elektromobilität in den nächsten zwei Jahren besonders zunehmen wird. Dazu wurden Untersuchungen vom DLR-Institut angestellt. Vor allem bei den elektromobilen Carsharing-Flotten (derzeit 450 E-Autos in Berlin) wird in den kommenden Jahren ein starkes Wachstum auf 1500 bis 1600 Fahrzeuge bis Ende 2014 erwartet.

Aber auch für alternative Ansätze, den „Treibstoff Strom" ans Auto zu bringen, ist Berlin offen. Eine Option sind die 188.000 Laternenmasten der Stadt. Zwei Berliner Startup-Unternehmen bieten eine technische Lösung an, das Elektroauto an diese Stromquelle anzuschließen. Blümel: „Wir wollen absichtlich keine Pfade festlegen, sondern wir wollen experimentieren".

Derzeit hat Berlin über 220 Ladepunkte. Ein Ausbau auf 1600 Ladepunkte bis 2015 wurde durch eine EU-weite Ausschreibung des Senats im Oktober 2012 angestoßen. Man habe darauf mit 30 Bewerbungen eine „überraschend große Resonanz" bekommen, bis hin nach China, sagte Blümel. Sieben Kandidaten kamen in die engere Auswahl. In den nächsten Wochen sollen sie zur Abgabe von Angeboten aufgefordert werden. Die Vergabeentscheidung wird Januar 2014 fallen, damit mit dem Aufbau der Säulen unmittelbar nach Ende der Frostperiode begonnen werden kann. Blümel: „Was wir tun, ist normsetzend". 

Ruf nach Regulierung und Normung   

Auf die Zukunft alternativer Antriebstechnik angesprochen, sagte Dr. Scheel, dass es tatsächlich nach einem Mosaik diverser Antriebstechniken aussehe und alle Hersteller mehr oder weniger intensiv an Hybrid, Brennstoffzelle mit und ohne Wasserstoff, Gas und natürlich reiner Elektromobilität arbeiteten. Aber allein bei letzterer seien mit einem Tesla S oder einem eUp schon deutlich unterschiedliche Kundensegmente angesprochen.
Ein Ergebnis der AG Qualifizierung der NPE ergab, dass wegen der E-Mobilität keine völlig neuen Berufe benötigt würden, sondern nur ergänzte Ausbildungsprofile z.B. beim KfZ-Mechatroniker oder den Fahrschullehrern.

Auch für Nutzfahrzeuge sei die E-Mobilität eine große Chance, den drohenden EU-Regularien bzgl. Abgasen und Lärmemission vorzugreifen, weshalb sich auch große Flotteninhaber wie die DHL im Schaufenster engagieren.

Herr Blümel wies darauf hin, dass sich die Mühlen verwaltungstechnisch etwas langsamer drehen und es z.B. noch keine einheitliche Definition des eKfZ gebe. Eine entsprechende Bundesratsinitiative dreier Bundesländer wurde in die Ausschüsse verwiesen. Wegen der Regierungsbildung wird nicht vor Ende 2014 mit einer Ermächtigungsgrundlage gerechnet. Dass Regulierung Not tut, sieht man an Einzelinitiativen wie Stuttgart (blaue Plaketten) und Konstanz, die ohne gesetzliche Grundlage laufen.

Zulieferer gewinnen an Bedeutung

Aus Sicht von Bosch werden die Zulieferer bei der E-Mobilitätsentwicklung wichtiger für die Automobilhersteller werden, weil Batterien, E-Motoren, Leistungselektronik und die Verbindung aller Komponenten bisher nicht zu deren Kernkompetenz zählten und weil bei der Verfolgung vieler unterschiedlicher Mobilitätsansätze nicht alles von den Herstellern selbst gestemmt werden kann.

Eine neue Entwicklung ist das Laden von Gleichstrom, was schneller geht, aber wo noch die passende Infrastruktur fehlt. Ein weiterer Ansatz ist die Schaffung von Multienergietankstellen durch die Total Group, bei denen man Benzin, Diesel, Gas, Wasserstoff und Strom tanken kann. Diese multiple Infrastruktur wird Zukunft haben, sowohl unter der Regie von Energieunternehmen als auch unter der von Herstellern (Tesla hat das vor).

Dr. Scheel machte darauf aufmerksam, dass die Automobilhersteller seit 125 Jahren Treiber des Wandels und dass Autos sehr viel komplexer als Smartphones seien. Nachhaltigen Erfolg für branchenfremde Einsteiger in die Autobranche könne er sich daher nur schwer vorstellen. Tesla profitiere sehr von der 5%igen Beteiligung durch Daimler.

Der Ruf nach Normung wird laut bei so wichtigen Voraussetzungen der E-Mobilität wie Batterieaustauschbarkeit (einheitliche Batterien für alle Modelle), Stromsteckerformen, Spulen etc. Für die geplante E-Buslinie der BVG sind armdicke Kupferkabel nötig, um die erforderlichen 200 Ampere Leistung zur Verfügung zu haben. Induktionsschleifen und Radnabenmotoren sind weitere Überlegungen, um schwere Batterien zu vermeiden.

Die 106 Einzelprojekte im Großraum Berlin werden also weitergehen, doch das "Tal der Enttäuschung" scheint durchschritten und der Schwenk zum "Pfad der Erleuchtung" gerade vollzogen, da durch die herstellerseitigen Markteintritte und Ankündigungen (Tesla S, BMW i3, eGolf) auch die Medien wieder hoffnungsfroher in der Berichterstattung geworden sind.

 

Manfred Ronzheimer und Thomas Andersen für InnoMonitor  Berlin-Brandenburg

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http://www.emo-berlin.de/

http://www.schaufenster-elektromobilitaet.org/programm/news

Nachrichten aus den vier Schaufenstern

(auffallend wenig Berliner Berichte)

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Größter Elektro-LKW kommt auf Berlins Straßen

Am 24. Oktober 2013 fand bei BEHALA im Westhafen Berlin ein Kick-Off Meeting zum Schaufenster-Projekt KV-E-Chain statt, in dessen Rahmen ab Sommer 2014 der bislang größte je eingesetzte Elektro-LKW mit Straßenzulassung auf Berlins Straßen unterwegs sein wird. Der LKW liefert Container mit Waren an  verschiedene Ziele in der Stadt aus, die per Zug den Berliner Westhafen erreichen. Auch das bekannte Kaufhaus des Westens wird von den Lieferdienstleistungen des elektrisch betriebenen LKWs von BEHALA profitieren.  - mehr  bei eMO

 

Fachtagung „Elektromobilität bewegt Berlin! - Qualifizierung und Karrierewege"

Welche beruflichen Entwicklungschancen bietet die Elektromobilität? Welche Qualifizierungen gibt es? Welche Kompetenzen sind für Fachkräfte schon heute wichtig und vor welchen Herausforderungen steht die Berliner Bildungslandschaft? Diese Fragen und mehr werden am 15. November 2013 auf einer Fachtagung diskutiert, zu der die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen und die Berliner Agentur für Elektromobilität eMO gemeinsam einladen.   - mehr bei eMO

 

 

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Beachten Sie auch diese Seiten im InnoMonitor:

03.09.2013
BMW/Vattenfall-Projekt "Gesteuertes Laden 3.0"
Können Elektroautos die Stromnetze stabilisieren?

http://www.innomonitor.de/index.php?id=132&be=3620

13.06.2013
Projekt „Smart Capital Region" gestartet
Elektromobilität als Teil eines intelligenten Energiesystems

http://www.innomonitor.de/index.php?id=132&be=3534

13.03.2013
20 Mio Euro für 11 Projekte bewilligt
Landesfinanzierung für das „Schaufenster Elektromobilität"

http://www.innomonitor.de/index.php?id=132&be=3488

18.12.2012
Europas erste E-Carsharing- Straße in Berlin
Erweiterung der car2go-Flotte um Elektrofahrzeuge

http://www.innomonitor.de/index.php?id=132&be=3435

 

 

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