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Schuss nach hinten

03.03.2014

Schuss nach hinten

Mit ihrem jüngsten Gutachten wollte die EFI-Kommission einen Aufmerksamkeitspunkt machen - und hat sich selbst in Gefahr gebracht

Sichtlich genervt versuchte Alexander Gerybadze, Innovations-Professor am Institut für Betriebswirtschaftslehre der Universität Hohenheim, vorige Woche in Berlin die Pressekonferenz der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) zu drehen: "Wir haben noch andere Themen, auch wenn die nicht so sexy sind wie das EEG", bot er den Journalisten an. Im Vorfeld der CeBIT wollte Gerybadze gerne die Empfehlungen seiner Kommission zur Informations- und Kommunikationstechnik in Deutschland vorstellen. Keine Chance. Allein vier Kamerateams hatten sich aufgebaut, um die wissenschaftliche Begründung für die Abschaffung des Erneuerbaren Energien-Gesetzes (EEG) aufzuzeichnen.

 

Die fiel indes nicht überzeugend aus. Keines der bislang sieben EFI-Gutachten zu "Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschland" im Auftrag der Bundesregierung löste eine derartige Welle des Widerspruchs und Protests aus wie in diesem Jahr. Von Bedeutung ist, dass sich die Kritik nicht nur an den neoliberalen Empfehlungen der sechs Wirtschafts-ProfessorInnen entzündet, sondern erstmals die Methode ihrer Innovationsbewertung ins Visier nimmt. Die fachliche Kompetenz von EFI wird in Zweifel gezogen.

"Weltfremd"

Beispiel EEG: Ihr Verdikt ("Keine Rechtfertigung für eine Fortführung des EEG") stützt die Kommission unter anderem auf "sehr geringe technologiespezifische Innovationswirkungen", die sich aus der Patentstatistik ergäben. Der ForschungsVerbund Erneuerbare Energien (FVEE), dem alle Forschungsinstitute um Solar, Wind und Biomasse angehören, konterte prompt: "Die erneuerbaren Energien-Technologien weisen zwischen 1991 und 2009 eine Verachtfachung der Patentanmeldungen auf und zeigen damit eine erfreulich hohe technologische Entwicklungsdynamik", erklärte FVEE-Sprecher Prof. Ernst Huenges. "Nicht jede Innovation lässt sich durch ein Patent sichern", gab Hans-Josef Fell, Ex-MdB der Grünen und einer der politischen Väter des EEG zu Bedenken. Der Forschungsansatz der Expertenkommission sei "daher mehr als fragwürdig und weltfremd". Wer wie EFI-Kommissionsvorsitzender Prof. Dietmar Harhoff, Direktor am Münchener Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb, glaube, "die Innovationsentwicklung der Erneuerbaren Energien nur auf Patentanmeldungen hin beschreiben zu können", so Fell, "muss sich Fragen nach seiner wissenschaftlichen Kompetenz gefallen lassen". Die stärkste Breitseite aus der Wissenschaft kam in den dieser Woche aus dem Karlsruher Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI). 17 Umwelt- und Energieforscher bescheinigten in einer gemeinsamen Stellungnahme dem EEG sehr "positive Innovationswirkungen" bei der Erneuerung der Energiesysteme. Nur Patentanmeldungen auszuwerten, reiche nicht aus. "Unser Verständnis von Innovation schließt neben technischen Prozessinnovationen ebenso Produktinnovationen, Dienstleistungsinnovationen und organisatorische Innovationen ein", erklärte ISI-Chefin Prof. Marion Weissenberger-Eibl.

"Irreführend"

Beispiel: Brain Drain. Aus OECD-Daten hatte die EFI-Kommission erkannt, dass mehr deutsche Wissenschaftler das Land verlassen als aus dem Ausland zurückkehren. Diagnose: Mangelnde Attraktivität des Standorts für Spitzenforscher. Jürgen Mlynek, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Forschungsorganisation in Deutschland, ging der Hut hoch: "Die EFI-Experten zeichnen ein unvollständiges und dadurch verzerrendes Bild", meldete er sich keine Stunde nach Vorlage der Studie zu Wort. Vor allem die Aggregation von Wanderungsdaten aus den Jahren 1997 bis 2011 gebe nicht die deutliche Verbesserung der Lage seit der Exzellenzinitiative wider. Mlynek: "Es ist irreführend, dass die Experten von einem "negativen Saldo" sprechen, der zumindest teilweise auf nicht mehr aktuellen Zahlen beruht."
Für jene Forschungs-Rückkehrer nach Deutschland, denen die EFI-Experten mindere Qualität nahelegten, so der Helmholtz-Präsident weiter, "kommt das Gutachten einem Schlag ins Gesicht gleich". Mlynek wörtlich: "Dies bedaure ich sehr und halte eine solche Einschätzung für ungerechtfertigt und auch unangemessen". Ein Urteil wie eine Kanonekugel.

Die EFI-Kommission ist in ihrer wissenschaftlichen Reputation angezählt. Spannend wird ihr Auftritt im Mai vor dem neuen Forschungsausschuss des Bundestags. Vor allem weil dieses Gremium seine eigene Innovationsberatung durch das "Büro für Technikfolgenabschätzung beim Bundestag" (TAB) im letzten Jahr neu sortiert hat. Nach zwanzig Jahren technik-lastiger Auftragsbegutachtung durch das Karlsruhe Institut für Technologie (KIT), fehlte den Politikern zu sehr die soziale Dimension von Innovation. Sie holten unter anderem das Berliner Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) in den Kreis ihrer Berater. Eine vergleichbare Erweiterung des Gesichtsfeldes könnte jetzt der EFI-Kommission bevorstehen.

Manfred Ronzheimer für InnoMonitor Berlin-Brandenburg

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http://www.e-fi.de/

Pressemitteilung zum EFI-Jahresgutachten 2014: EEG fördert weder Klimaschutz noch Innovationen (PDF)

 

ZN9976k

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