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Der Leibniz-Preis, eine Männerrunde

06.03.2015

Der Leibniz-Preis, eine Männerrunde

Die deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) vergab ihren wichtigsten Preis

Der Hörsinn macht keine Pause, ist ständig in Betrieb. An der Uni Göttingen untersucht der Physiologe Tobias Moser, wie die Haarsinneszellen im Innenohr die Schallwellen in Millisekunden in bioelektrische Signale umwandeln, die das Gehirn verarbeiten kann. "Der Hörsinn ist ein noch wenig verstandener Sinn, der Höchstleistungen vollbringt", sagt Moser. (2) Für seine Pionierforschung am neu aufgebauten Institut für Auditorische Neurowissenschaften ist der Göttinger Professor in dieser Woche zusammen mit sieben weiteren Kollegen mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ausgezeichnet worden. Die jeweils mit 2,5 Millionen Euro dotierte Ehrung gilt inoffiziell als der "deutsche Nobelpreis" und kann von den Wissenschaftlern in freier Verfügung für eigene Forschungsprojekte eingesetzt werden.

 

 Foto: DFG-Präsident Strohschneider (Mitte)

"Bei uns in den Geisteswissenschaften ist es häufig so, dass man wegen der Forschungsstrukturen sehr selten längerfristig in Teams zusammenarbeiten kann", erklärt Steffen Martus, Professor für Neuere deutsche Literatur an der Humboldt-Universität in Berlin. (3) Für ihn zählt es deshalb zu den schönsten Effekten, dass es ihm der Leibniz-Preis ermöglicht, "dieses Team an meinem Institut, dieses gedanklich-intellektuelle Milieu länger um mich herum halten". Aus solchen kreativen Hotspots können dank Leibniz-Finanzspritze dann weitere Höchstleistungen erwachsen. Von den DFG-Preisträgern, die seit 1986 ausgezeichnet wurden, haben es bisher sieben zum richtigen Nobelpreis in Stockholm gebracht.

In der Regel geht der Leibniz-Preis an Wissenschaftler, die in ihrem Gebiet Spitzenleistungen in der Grundlagenforschung erbringen. Nicht selten lässt sich aber auch die praktische Anwendung bereits absehen. Am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie - Hans-Knöll-Institut (HKI) in Jena untersucht der Chemiker Christian Hertweck, wie Mikroorganismen wertvolle Wirkstoffe für Medizin und Ökologie produzieren. (4) "Wir befassen uns mit wenig untersuchten Bakterien und analysieren deren genetische Information", berichtet Moser. Für ihn ist es nicht nur "interessant zu erkennen, welchen Einfallsreichtum die Natur im Laufe der Evolution hervorgebracht hat". Vor dem Hintergrund zunehmender Antibiotika-Resistenzen ist es für den Jenaer Forscher noch wichtiger, über die Naturstoff-Schiene eine Tür zu neuen Antibiotika zu öffnen. "Damit wir nicht", sagt Moser, "in eine Art von neuem Mittelalter verfallen, in dem es keine Möglichkeit gibt, Infektionen zu heilen".

Weitere Leibniz-Preise wurden an die Professoren Henry N. Chapman vom Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg, den Biochemiker Hendrik Dietz von der Technischen Universität München, den Chemiker Stefan Grimme (Universität Bonn) (1) , und die Historiker Friedrich Lenger (Universität Gießen) und Hartmut Leppin (Universität Frankfurt/Main) verliehen - allesamt Männer, was der DFG bei der Zeremonie sichtlich peinlich war. Von 2002 bis 2012 habe sich der Frauenanteil unter der deutschen Professorenschaft von 12 auf 20 Prozent erhöht, bemerkte Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabine Kunst. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass sich darunter keine Leibniz-preiswürdigen Forscherinnen befänden. Im vorigen Jahr waren vier von zehn Preisträgern Frauen. DFG-Präsident Peter Strohschneider sagte zu, das Auswahlverfahren in diesem Jahr zu ändern.

Manfred Ronzheimer

 

 "Familienfoto" eines der Preisträger (Chapman)

 

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(1) 3Sat, Wissenschaftssendung "nano", Dienstag, 3. März 2015 - 5:32 min - Moleküle in 3D - Leibniz-Preis 2015 für den Chemiker Stefan Grimme - Der Bonner Chemiker Prof. Stefan Grimme erhält den Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis. Er berechnet am Computer, wie Moleküle aufgebaut sind. - Bericht (nano) - Hier zum Video

(1a) "nano"-Berichte über Leibniz-Preisträger in den Vorjahren: Liste hier

(2) Aktivität im Innenohr - Tobias Moser von der UMG Göttingen ist einer von acht Leibniz-Preisträgern - Von Angela Brünjes - Göttinger Tagblatt - 04.03.2015 11:36 Uhr - hier zu lesen - (Dieser Artikel ist wahrscheinlich nur aus dem Material - der Laudatio - geschrieben)

(3) Berliner Morgenpost, 03.03.15 - Auszeichnung: Hoch dotierter Leibniz-Preis geht an Berliner Professor - Steffen Martus ist einer der acht Gewinner des diesjährigen Leibniz-Preises. - Hier zu lesen - (Bericht aus dem Material oder von dpa)

(4) Wirkstoff-Forschung: Leibniz-Preis für Jenaer Wissenschaftler - Der Jenaer Chemieprofessor Christian Hertweck ist am Dienstag mit dem begehrtesten Wissenschaftspreis Deutschlands ausgezeichnet worden. Er erhielt in Berlin einen der acht Leibniz-Preise 2015. Damit verbunden ist eine Forschungsförderung über 2,5 Millionen Euro. - MDR, Regionalsendung Ostthüringen - 03.03.2015, 19:00 Uhr | 02:32 min - Bericht von Doreen Tittel - (Inhaltlich sehr gut, viel besser als der DFG-Clip) hier zu lesen und anzusehen

(4a) 2,5 Mio. Förderung: Jenaer Spitzenforscher erhält wichtigsten Forschungsförderpreis - OTZ, 10.12.2014 - Hier zu lesen

 

ZN10664

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