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Aus der "anderen Welt"

06.07.2015

"Wandel unternehmen"

Konferenz der Grünen über die faire und ökologische Wirtschaft von morgen

Am vergangenen Samstag lud die Bundestagsfraktion der Grünen zu einer Wirtschaftskonferenz nach Berlin. Anlaß dafür war, wie MdB Dieter Janacek in der Veranstaltung in den Räumen der Kreuzberger Jerusalemkirche erklärte, der unerwartet enttäuschende Ausgang der Bundestagswahl 2013 für die Grünen. Mit seinem Finanzkollegen Schick verfaßte er ein Nachdenk-Papier, das den wirtschaftpolitischen Horizont öffnen sollte: "Aufbruch in die grüne Ökonomie" (2). Schnell war klar, dass sich ein solcher makroökonomischer Blickum die mikroökonomische Perspektive einzelner grüner Unternehmen ergänzt werden müßte, am besten auf einer Konferenz. Zielsetzung des Raisonnments: Was muß sich vor allem an den Rahmenbedingungen der Wirtschaftspolitik ändern, um eine Ökologisierung der Wirtschaft zu befördern und auch die eigene fachpolitische Kompetenz zu liften?

 (Foto vlnr Wagner, Janecek, Schneidewind, MR)

In der Ankündigung der Tagung liest sich das so: (1)
"Die Wirtschaft von morgen beginnt schon heute. Pionierinnen und Pioniere des Wandels sind auf dem Weg und gestalten eine Wirtschaft, die sich befreit vom Zwang wachsen zu müssen, die nicht mehr auf ihre Rendite fokussiert ist, sondern auf Wohlstand, Fairness und ökologische Nachhaltigkeit. Es gibt sie bereits, die Vorreiter der Share Economy, den Mittelständler, der aus Tradition für gute Arbeit und Umweltschutz eintritt, die Unternehmerin, die faire Kleidung produziert und ihre globale Lieferkette offen legt. Shareholder Value war gestern, eine andere Wirtschaft ist möglich!
Um von den Pionierinnen und Pionieren zu einem neuen Wirtschaftssystem zu kommen, brauchen wir neue Rahmenbedingungen. Wie halten wir unsere Volkswirtschaft stabil, auch mit geringem oder ohne Wachstum? Welche Auswirkungen hat eine neue, solidarische Ökonomie auf die Sozialsysteme und die Arbeitsgesellschaft? Wie schaffen wir eine Wirtschaft, die Schluss macht mit der Ausbeutung von Menschen in Entwicklungsländern?
Die grüne Bundestagsfraktion will Antworten auf diese Fragen finden und lädt Sie ein, mit unseren Abgeordneten, den geladenen Pionierinnen und Pionieren des Wandels und weiteren Fachleuten aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft, die Wirtschaft von morgen zu diskutieren."
(1)

Im Janeck/Schick-Papier wird versucht, einen neuen Terminus zu kreieren: Die "Andere Welt". "Wir sind davon überzeugt: Eine andere Welt ist möglich! Wie sähe diese „Andere Welt" aus? Wie wäre eine Wirtschaft und Arbeitswelt, die für die Menschen da ist? Eine Vision: Wirtschaften für Wohlstand und Lebensqualität, nicht für Wachstum". - Der Titel der Enquete-Kommission - zerschmettert (2)

Ein aktueller Zeitungsartikel vom gemeinsamen Auftritt von Gerhard Schick und Janecek in Ludwigsburg gibt zentrale Punkte wieder: So habe es sich gezeigt, dass mehr Effizienz wieder zu mehr Wachstum führe. "Deshalb seien soziale Innovationen notwendig. Beispielsweise weg vom individuellen Besitz, hin zum gemeinsamen Nutzen oder weg von der Wegwerfmentalität, hin zu ein er höheren Wertschätzung für Qualität und Langlebigkeit von Produkten." (3a)

Diskutiert wurde mit diesen Leuten:

Keynote: Prof. Dr. Uwe Schneidewind, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie: Deutschland, Europa und die Welt: Wohlstand für alle - eine Vision?!

Diskurs 1: Shared Values statt Shareholder Value - Pioniere des Wandels im Gespräch - Mit Susanne Jordan, Nager IT, Uwe Lübbermann, Premium Cola, Matti Pannenbäcker, WirGarten, Jutta Platz, Carl Klostermann Söhne - Moderation: Dr. Julia Verlinden MdB, Sprecherin für Energiepolitik Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion

Diskurs 2 : Perspektivwechsel - Eine Neuvermessung von Wohlstand - Diskussion mit Prof. Dr. Gert G. Wagner Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (nicht -politik, wie im Programm) und Prof. Dr. Uwe Schneidewind, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, Moderation: Dieter Janecek MdB, Sprecher für Wirtschaftspolitik, Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion

Diskurs 3: Neuen Wohlstand braucht das Land - wie schaffen wir Stabilität und Lebensqualität unter geänderten Vorzeichen? Mit Prof. Dr. André Reichel, Karlshochschule International University, Christine Wenzl, BUND, Dr. Daniel Stelter, Autor, ehem. Senior Partner und Managing Director bei Boston Consulting, Prof. Dr. Steffen Mau, Institut für Soziologie der Humboldt Universität zu Berlin
Moderation: Dr. Gerhard Schick MdB, Sprecher für Finanzpolitik Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion

Diskurs 4: Wege zu Wohlstand und Lebensqualität weltweit - gemeinsame aber differenzierte Verantwortung durchbuchstabieren - Mit Susanne Jordan, Nager IT, Prof. Dr. Dirk Messner, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik und Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung globale Umweltveränderungen, Uwe Kekeritz MdB Sprecher für Entwicklungspolitik der Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion - Moderation: Dagmar Dehmer, Tagesspiegel

Zusammenfassung und Blick nach vorne: Dieter Janececk MdB und Dr. Gerhard Schick MdB

Markt der Ideen
Susanne Jordan, Nager IT - www.nager-it.de
Uwe Lübbermann, Premium Cola - www.premium-cola.de
Matti Pannenbäcker, WirGarten
Jutta Platz, Carl Klostermann Söhne
Andreas Arnold, Leihbar
Thomas Dönnebrink, OuiShare
Felix Hallwachs, Little Sun
Joachim Weckmann, Märkisches Landbrot
Heike Mewes, Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW)
Dr. Katharina Reuter, UnternehmensGrün

In den sozialen Medien ist über den Verlauf der Veranstaltung nicht besonders viel zu erfahren.
Dieter Janecek freut sich bei Facebook: "160 Anmeldungen bereits bei zu erwartenden knalligen 36 Grad am Samstag, aber wir haben auch einen Garten." (3a)
Das Wirtschaftssymposium "Wandel unternehmen - Aufbruch in eine faire und ökologische Wirtschaft von morgen" der Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion startet mit Rede von Toni Hofreiter. Trotz Rekordtemperaturen gute Beteiligung. (3d)
Schick teilt auf seiner Facebook-Seite mit: "Prof. Uwe Schneidewind vom Wuppertal Institut auf grünem Wirtschaftssymposium: es braucht eine Doppelte Entkopplung von Wohlstand und Naturverbrauch , also Steigerung der technologischen Effizienz + Veränderung der Lebensstile" (3)

Die Wirtschaft besser messen

Im Diskurs 2 wurde reflektiert, warum die Empfehlungen der Enquete-Kommission Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität zur Einführung neuer wirtschaftswissenschaftlicher Indikatoren zur Messung von Wirtschaftskraft und Wohlstandsmehrung bislang keine breite Umsetzung erfahren haben. Wagner, der wie Schneidewind selbst der Enquete-Kommission angehört hatte, fand es besser, mit 10 unterschiedlichen Indikatoren die Wirtschafts-realität abzubilden als mit einem alternativen "Composit-Indikator", wie das BIP ihn auf seine Weise darstelle. Wichtig war Wagner, der Bundesregierung eine Berichtspflicht aufzuerlegen, sich einmal in der Legislaturperiode zur Entwicklung dieser Indikatoren fundiert bauseinanderzusetzen. "Ein institutioneller Zwang sozusagen", meinte Wagner. "Ob es aber dazu kommt, wissen wir nicht". Derzeit verfolge die Bundesregierung mit ihrer Dialog-Initiative "Gut leben in Deutschland", einen anderen Weg, um die wirtschaftliche Stimmung in der deutschen Bevölkerung zu eruieren. Schneidewind demgegenüber bewertete das Indikatoren-Kapitel des Enquete-Berichts als "radikal gescheitert": Es sei "nichts von dem erreicht worden, was anfangs beabsichtigt war", nämlich einen kompakten Alternativ-Inidikator, er das BIP allmählich ablösen sollte. - Immerhin, in einzelnen Bundesländern halten alternative Wohlstands-Meßgrößen allmählich Einzug.

"Unternehmen, die ganz anders sind, stellen sich vor auf unserem Wirtschaftssymposium: Als erstes ein Verein (also kein klassisches gewinnorientiertes Unternehmen wie GmbH, AG oder so), der eine faire Computermaus anbietet, um einen Beitrag zu fairen Arbeitsbedingungen in der Computerbranche zu leisten. Nager IT: Die Faire Computermaus. Für menschenwürdige Arbeitsbedingungen in den Fabriken der Computerindustrie." (3f)
"Wirtschaften ohne schriftliche Verträge. Gleiche Entlohnung für alle Beteiligten. Unternehmen als Netzwerk statt als feste Eigentumsstruktur. Premium Cola ist als Unternehmen einfach ganz anders. Ein Vorbild für grünes Wirtschaften?" (3g)
"Ich will Mut machen! Wir kommen seit 13 Jahren ohne Verträge aus, sind schuldenfrei", sagte der Vertreter von Premium-Cola (3c)

Premium Cola
"Premium organisiert eine koffeinstarke Cola und ein leckeres Bioland-Pils, außerdem Holunderblüten-Limonade und Mate. Das Projekt wird von einem Internet-Kollektiv nach dem Prinzip der Konsensdemokratie gesteuert."
"Was wir damit eigentlich tun: Premium ist eine kleine Getränkemarke ohne Büro, die seit über 13 Jahren existiert und vieles bewusster regelt als die "normale" Wirtschaft. Das Projekt wird von einem Internet-Kollektiv nach dem Prinzip der Konsensdemokratie gesteuert und bis in Details wie z.B. "Anti-Mengenrabatte", "feste Umsatzanteile in die Alkoholismusvorsorge" oder "veganer Etikettenleim" optimiert - und bis zum freien Premium-Betriebssystem entwickelt. Das setzen wir auch für andere Getränke ganz oder teilweise um" - Schön auch die Aussage zum Modul "PR-Verzicht" (4)

(1) http://www.gruene-bundestag.de/...

(1a) http://www.dieterjanecek.de/...

(2) http://www.gruene.de/debatte/....

(2a) Hier geht es zur Langfassung des Papiers. (PDF)

(4) http://www.premium-cola.de/...

(5) Dieter Janecek und Gerhard Schick: "Wir müssen Monopole knacken"

Zusammenstellung plus eigene Ergänzungen: Manfred Ronzheimer

(wird später noch um Material zu den Firmen ergänzt)

 

ZN11002

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