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Fünf-Jahres-Plan aus dem Hause Wanka

30.10.2015

Fünf-Jahres-Plan aus dem Hause Wanka

China-Strategie zur Zusammenarbeit in Forschung, Wissenschaft und Bildung

An diesem Mittwoch (28.10.) fand im BMBF der "China-Tag" statt. Anlaß war die Veröffentlichung der China-Strategie des BMBF 2015-2020 zur Zusammenarbeit in Forschung, Wissenschaft und Bildung, die das Ministerium unter breiter Hinzuziehung der Wissenschaftsszene wie auch der Wirtschaft erarbeitet hatte. Es ist die erste Länderstrategie des BMBF, wie Ministerin Wanka betonte. Auch wenn der Begriff nicht explizit fiel, der den chinesischen Partnern auf ihrer Seite ein stetiger Handlungsrahmen ist: Auch die deutsche Wissenschaftspolitik hat jetzt einen Fünf-Jahres-Plan. Eine Pressekonferenz zur China-Strategie gab es nicht, eine Berichterstattung der Medien ganz minimalst.

In ihrer Eröffnungsrede im bis auf den letzten Platz besetzten Vortragssaal des Ministeriums stellte Ministerin Johanna Wanka die Rahmung der Strategie und ihre Kernerelemente. (siehe Pressemitteilung) Einen politischen Problempunkt, der später auch von anderen deutschen Teilnehmern eingebracht wurde - die Behinderung von ausländischen NGOs in China - sprach Wanka mit den Worten an: "Wir bitten darum, dass der Spielraum für unsere Wissenschaftsorganisationen erhalten bleibt - das ist uns sehr wichtig".

In einer Videobotschaft brachte sich der chinesische Minister für Wissenschaft und Technologie, Prof. Wan Gang, in bestem Deutsch ein. In den 90er Jahren war er beim deutschen Autohersteller Audi in der Forschungsabteilung tätig. Er stellte den Strukturwandel, in dem sich China derzeit befinde, in den Vordergrund. Es gehe um ein stabiles Wachstum sowie um eine Balance zwischen gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklung. Im Januar werde ihn seine deutsche Kollegin besuchen kommen.

"Chancen ergreifen und gemeinsam gewinnen" war das Motto des Geschäftsträgers der chinesischen Botschaft in Deutschland, Li Xiaosi. Er vertrat den Botschafter, der zeitgleich mit Kanzlerin Merkel zu einer China-Reise aufbrach. Li sagte, das Strategiepapier des BMBF könnte zu keinem besseren Zeitpunkt als jetzt vorgelegt werden. "Wir haben riesige Chancen in der Kooperation unserer beiden Ländern, nicht nur für uns, sondern für die ganze Welt", erklärte Li. "Das ist keine Fata Morgana, sondern beruht auf realen Grundlagen". Dazu brachte der Geschäftsträger dann jede Menge Fakten (die ich hier später einarbeite).

Einer der Fachautoren der Strategie, Björn Conrad vom Mercator Institute for China Studie (MERICS) führte dann in die Philosophie und Handlungselemente der China-Strategie ein. "Die Strategie trifft den Nerv der Zeit", hob Conrad hervor.

"Im Mittelpunkt der Strategie stehen grundlegende Themen wie die Schaffung einer breiteren China-Kompetenz in Deutschland, die vielen Forschenden noch fehlt: längere Forschungsaufenthalte in China und mehr Wissen zu chinesischer Arbeitskultur und Sprache sollen belastbare Beziehungen entstehen lassen. Dafür braucht es auch verbesserte Rahmenbedingungen der Kooperation, beispielsweise zum Wissensaustausch und zu Fragen nach geistigen Eigentumsrechten und zum Technologietransfer.
Aus deutscher Sicht besonders interessant ist die Kooperation in den Umwelttechnologien, oder einzelnen Schlüsseltechnologien wie Elektromobilität oder Photonik. China legt derzeit große Umweltprogramme zur Sanierung seiner Trinkwasserreservoirs und Böden auf. In diesem Bereich besteht seit Jahren eine gefestigte Kooperation. Seit 2011 besteht die deutsch-chinesische Innovationsplattform Elektromobilität, um die Entwicklung und Markteinführung neuer Technologien gemeinsam voran zu bringen. Auf dem Gebiet der Photonik liegt der Schwerpunkt der Zusammenarbeit bei der LED-Beleuchtung. Beide Länder sind an der industriellen Entwicklung dieser Technologie interessiert, weil es sich um einen internationalen Zukunftsmarkt handelt und LED-Leuchten einen wichtigen Beitrag leisten, um die Ziele beider Regierungen zu mehr Energieeffizienz zu erreichen."
(Auszug Pressemitteilung)

Eine Besonderheit des Papiers ist das "Nein": Es wird nicht nur definiert, wo kooperiert werden solle, sondern auch benannt, wo dies derzeit nicht sinnvoll und gewünscht sei. "Ein solches Nein wertet auch das Ja auf", meinte Conrad. Zu den Nein-Themen zählen solche, wo es keine annähernde Augenhöhe an Kompetenz gegeben und die Gefahr eines ungewollten Abfluss von Knowhow zu groß ist. Hierzu zählte Conrad auch den Bereich Industrie 4.0, die digitalisierte Produktion. Es sei allerdings anzuerkennen, dass sich beim Schutz des geistigen Eigentums in China in den letzten Jahren Verbesserungen ergeben hätte. Ganz wichtig sei auch der Punkt "Akademische Freiheit". Die wurde später in der Podiumsdiskussion vertieft.

Einschub: Zur Struktur des Strategiepapiers (75 Seiten)

Auf den Seiten 40-64 werden die "Aktionsfelder und Maßnahmen der zukünftigen Zusammenarbeit" abgehandelt. Es gibt infrastrukturelle und fachliche Themen. Bei der Struktur geht es um die "Schaffung einer breiteren China-Kompetenz in Deutschland" (Kapitel 5.1.), Kooperationstrukturen und Vernetzung von Wissenschaftlern (5.2.), Vernetzung in Deutschland und politische Dialoge (5.3.), Rahmenbedingungen für Wissenschaft (5.4). Fachlich werden die Schlüsseltechnologien (Kap. 5.5.) in Blick genommen: Elektromobilität, Photonik und optische Technologien, sowie digitale Wirtschaft. Die Lebenswissenschaften (5.6.) sind mit Gesundheitswirtschaft und Bioökonomie dabei. Ein richtiges Bukett wird für die "Bewältigung globaler ökologischer Herausforderungen" (5.7.) offeriert: Nachhaltiges Wassermanagement, Urbanisierung, Erneuerbare Energien, Klima, Meeres- und Polarforschung sowie Geowissenschaften. Weitere Themen sind die Geistes- und Sozialwissenschaften (5.8.) und die Kooperation in der Berufsbildung (5.9.)

Strategischer Rahmen für die Zusammenarbeit mit China in Forschung, Wissenschaft und Bildung
Download (PDF, 11,83 MB)

 Den Block der wichtigen Akteursgruppen von deutscher Seite eröffnete Fraunhofer-Präsident Reimund Neugebauer für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Neugebauer war gerade vorige Woche in China gewesen und unter anderem mit dem Wissenschaftsminister zusammengetroffen, verfügte also über ganz frische Informationen. Die FhG habe inzwischen 800 Patente in China angemeldet. "Wir haben in diesem Zusammenhang noch keinen einzigen Rechtsstreit mit einem chinesischen Unternehmen gehabt", berichtete der FhG-Chef. Wenig erwärmen konnte sich Neugebauer für die Empfehlung der EFI-Kommission von 2013, die angewandte Forschung im Ausland nicht zu fördern. Diese Position sei wenig praxisnah.

Die Zusammenarbeit mit China aus Sicht einer Hochschule stellte Prof. Hiltraud Casper-Hehne, Vizepräsidentin für Internationales der Uni Göttingen, dar. Bei der Mobilität der Wissenschaftler gibt es ein Ungleichgewicht, aber natürlich sind die Gesamtgrößen der Länder zur berücksichtigen: Rund 30.000 Chinesen studieren oder forschen in Deutschland, dagegen nur 5.000 bis 6.000 Deutsche dort. In Göttingen sind 560 Chinesen immatrikuliert. An die Deutschen richten sich zehn china-bezogene Studiengänge. Damit besitzt Göttingen über eine der höchsten akademischen China-Kompetenzen in Deutschland. Insgesamt neun Hochschulen in Deutschland sind chinesich aktiv. "Wir müssen das Thema China-Kompetenz sehr ernst nehmen", unterstrich die Göttinger Sprachwissenschaftlerin. Dies sei auch keine Angelegenheit des akademischen Sektors, sondern müsse schon Anfänge in den Schulen haben, etwa durch Intensivierung der Mobilität.

Clemens Däschle vom Software-Unternehmen SAP, das 2000 Mitarbeiter in China beschäftigt, gab Einblicke in die Handlungsweise und Perspektivplanung eines internationalen Konzerns. Ein neuer Trend sei, das es für seinen wie auch andere ausländische IT-Unternehmen schwieriger werde, chinesische Fachkräfte zu bekommen, weil diese von der boomenden chineischen IT- und Internet-Branche (Ali Baba) sofort aufgesogen werden.

Manfred Ronzheimer

(Bericht wird noch um die Podiumsdiskussion ergänzt)

Ein bisschen Ersatz für die fehlende Pressekonferenz hat Uli Blumenthal vom Deutschlandfunk mit diesem 15-Min(!)-Interview mit Dr. Georg Schütte, Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, erreicht.

Eine gute Zusammenfassung der China-Konferenz bringt der DLF auch hier (mit O-Tönen)

Die Meldung des BMBF steht hier

BMBF, 27.10.2015: Deutschland muss mit China kooperieren

Vorab-Interview Wanka mit der Rheinischen Post ist hier zu lesen

27.10.2015: Merkel reist nach China - Innovationspartnerschaft voranbringen


ZN12258

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