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Im Schengen-Raum der Wissenschaftswandler

23.05.2016

Im Schengen-Raum der Wissenschaftswandler

Erste Konferenz europäischer Bürgerforscher in Berlin

Vollversammlung der Bürgerwissenschaft: In der Berliner Kulturbrauerei trafen sich Ende voriger Woche rund 350 Citizen Science-Aktive aus ganz Europa. Anlaß war das Jahrestreffen des Vereins ECSA (European Citizen Science Association, auf deutsch: Verein der europäischen Bürgerwissenschaften), der schon seit drei Jahren besteht, aber bisher nur zu förmlichen Mitgliederversammlungen zusammen gekommen war. In Berlin wurde das Meeting - Wahlen gab es auch - zu einem richtigens Festival ausgerollt, das den über den Kontinent verstreuten Wissenschaftsfreunden die Gelegenheit bot, sich gegenseitig kennenzulernen: in Vorträgen, Workshops, Poster-Präsenenationen und Feten.

Spürbar war, dass hier eine neue Bewegung an der Schnittstelle von Wissenschaft und Gesellschaft entsteht. Viele Jahre waren die Wissenschaftsjournalisten die Platzhirsche an dieser Stelle - die inzwischen soweit reduziert sind, dass sie zur ECSA-Konferenz garnicht mehr auftauchten, um darüber zu berichten -, dann kamen die Wissenschaftskommunikatoren, die via PR dem breiten Publikum ein „Public Understanding of Science and Humanities" (PUSH) anzutragen versuchten, was die meisten heute als Anstrengung mit nur begrenztem Erfolg bewerten. Nun tritt unter dem Label „Citizen Science" ein neuer und doch alter Akteur aus den Reihen der Zivilgesellschaft auf den Plan: Bürger, wissenschaftliche Laien, die gleichwohl an Wissenschaft und wissenschaftlicher Methodik des Erkenntnisgewinns so sehr interessiert sind, dass sie es nicht nur bei passivier Bildungsaufnahme belassen, sondern aktiv am Forschungsprozess mitwirken wollen.

"Eine weltweite Bewegung"

Diese Mitwirkung hat es früher vereinzelt auch schon gegeben, vor allem in naturwissenschaftlichen Fächern und in angelsächsischer Tradition. Nun formieren sich die versprengten Ansätze zu einer breiten und wachsenden Bewegung der Bürgerwissenschaft, die zudem gesellschaftlichen Rückenwind durch den Megatrend der „Partizipation" erhält. Für Bürger einer Demokratie ist es zunehmend selbstverständlicher geworden, an Entscheidungen übergeordneter Instanzen teilzuhaben, wenn es die eigene Zukunft betrifft. Und die Wissenschaft mit ihrem Anspruch, immer stärker in die Gesellschaft heute und in Zukunft hineinzuwirken, ist damit längst keine Privatveranstaltung elitärer Gelehrter mehr, sondern vielmehr überreif für Teilhabe der Gesellschaft. Soweit ein Hintergrund. Auf der Konferenz selbst war die wissenschaftspolitische Debatte noch sehr unterentwickelt. Das Thema der Stunde ist der internationale Praxis-Austausch.

„Citizen Science ist jetzt eine weltweite Bewegung", stellte Katrin Vohland vom Museum für Naturkunde und Vize-Vorsitzende der ECSA zur Eröffnung unter Begrüßung von Gästen auch aus den USA sowie Australien und Neuseeland fest. Kennzeichen der Bewegung sei der Trend zur Ausbreitung nach außen und der Entwicklung einer Selbst-Identität nach innen. Nicht unwichtig ein weiterer Aspekt, vor dem kritischen Zustand der Europäischen Union: „Citizen Science ist auch ein Ausdruck für die Indentität und den Geist von Europa", sagte Vohland. In der Tat war die Grenzenlosigkeit, die Un-Nationalität, die dominante Stimmung des Berliner Treffens - sozuagen ein Schengen-Raum für Kreativität und Findergeist. Ursprünglich hatten die Organisatioren mit 200 Teilnehmern gerecht; dass fast doppelt so viele kamen, zeigt das große Interesse.

Deutsches Förderprogramm kommt

Förmlicher Gastgeber der Konferenz war das deutsche GEWISS-Projekt „Bürger schaffen Wissen, Wissen schafft Bürger" des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig und des Museums für Naturkunde Berlin. Dieses Projekt hatte in den letzten zwei Jahren mit einer Förderung aus dem Bundesforschungsministerium die Zusammenführung der deutschen Szene betrieben und vor kurzem das „Grünbuch" für eine Citizen Science-Strategie 2020 vorgelegt. Ein Vertreter des Ministeriums teilte mit, dass in vier Wochen ein nationales Förderprogramm zur Unterstützung von Projekten der Bürgerforschung gestartet werde. Die Rede ist von mehreren Millionen Euro. Nach Schätzungen des Gewiss-Konsortiums, das auf seiner Internet-Plattform 65 deutsche Citizen Science-Projekte versammelt, sind insgesamt rund 500.000 Wissenschafts-Interessierte in dieser Szene aktiv.

Als ein Ziel wird in der Begrüßung angegeben, mit dieser Konferenz auch die Öffentlichkeit zu erreichen („Reaching the public"). Citizen Science habe wesentlich mehr Potenzial als derzeit realisiert sei. (Obwohl es zahllose Möglichkeiten der Freizeit-Unterhaltung gebe, seien viele Menschen an der Wissenschaft interessiert und möchten etwas Wesentliches für die Gesellschaft beitragen. „Eine große Konfernez wie diese ist auch eine große Gelegenheit,um die Medien zu erreichen - und die breite Öffentlichkeit während des CS Festivals".

Aktionsfelder von Citizen Science

Rick Bonney vom Cornell Lab für Ornithologie (Ithaca, New York) sagte: „Hochqualitative Bürgerforschung ist wahrhaftig gute Wissenschaft, und sie kann wissenschaftliche Ergebnisse von gleichem Gehalt wie die konventionelle Forschung hervorbringen, und bisweilen soagr besser". Bonney zeigte in seinem Vortrag auf, wie die Gesellschaft (public) eine größere Rolle in der Wissenschaft spielen kann und sollte. Er zeigte dasan Ergebnissen von naturhistorischen Beobachtungen über das Monitoring von Tieren und Pflanzen sowie Hypothesedn-getriebene Forschung bis hin zur Bigdata-Analysein großem Maßstab.

(Text wird noch ergänzt)

Manfred Ronzheimer

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Pressemitteilung WGL:
Johannes Vogel und Katrin Vohland als Vorstand der ECSA bestätigt

Auszug:

„Bürgerinnen und Bürger waren von jeher Treiber von Wissenschaft. Es ist an der Zeit, ihre Beiträge wieder stärker wertzuschätzen und sichtbar zu machen", sagt Vogel, Generaldirektor des Naturkundemuseums. „Citizen Science ist aktuell eine globale Bewegung geworden", ergänzt Vohland, die am Museum für Naturkunde den Forschungsbereich Wissenschaftskommunikation und Wissensforschung leitet. „Die erste internationale Citizen Science Konferenz von ECSA zeigt, wie wichtig der Community auch die Reflexion der eigenen Rolle an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ist."
Mit der Bestätigung der erfolgreichen Aufbauarbeit von ECSA gewinnt die die Citizen Science Bewegung auch mehr politisches Gewicht. „Die Stellungnahmen von ECSA beispielsweise zum Beitrag von Citizen Science zu europäischen Umweltzielen sind legitimiert und sollen die Hürden für die Nutzung von Erkenntnissen aus dem Citizen Science Bereich abbauen", erklärt Vohland. Darüber hinaus trägt ECSA entscheidend zu einem gemeinsamen Verständnis von Citzen Science bei. Die 10 Prinzipien von Citzen Science sind mittlerweile in ca. 20 Sprachen übersetzt.

Ergebnis-Meldung: https://idw-online.de/de/news651712

Ein Fest für alle Hobbyforscher: https://idw-online.de/de/news651370

Das Thema erklärt Katrin Vohland (MfN) im RBB-Video von 2015

http://www.rbb-online.de/.../fuechse-und-die-buergerwissensch...

Weitere RBB-Beiträge zu CS

Links:
ESCA-Conference website - www.ecsa2016.eu
Öffentliche Events: http://www.ecsa2016.eu/special-events.html
ECSA - http://ecsa.citizen-science.net
Helmholtz Centre for Environmental Research (UFZ) - www.ufz.de
Museum für Naturkunde - http://www.naturkundemuseum.berlin/
iDiv - https://www.idiv.de/de.html

CS-Blog

https://twitter.com/mitforschen

 

CS276

 

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