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Innovation im Bundestag

24.06.2016

Deutscher Bundestag, Plenardebatte vom 23.06.2016


TOP 5 Forschung und Innovation 2016

 Der Deutsche Bundestag hatte sich am 23.6.16 zu Beginn eines langen Sitzungstages das Thema „Innovation" als ersten Debattenpunkt auf die Tagesordnung gesetzt. Schon eine Priorisierung. Anlass der Debatte war der Bericht der EFI-Kommission, der in jedem Jahr besprochen wird, verbunden mit dem Bundesbericht Forschung und Innovation (BUFI), der alle drei Jahre erscheint, ergänzt um das neue BMBF-Förderprogramm Mikroelektronik sowie einen Antrag der Grünen zur Innovationspolitik.  Die Debatte dauerte von 9:03 bis 10:15 Uhr, es traten 12 Redner auf, unter ihnen auch Forschungsministerin Wanka. Es sprachen sowohl Forschungs- wie Haushaltspolitiker, weshalb quantitative Gesichtspunkte (BMBF-Etat, FuE-Quote) durchgängig Erwähnung fanden. Auf die EFI-Kommission gingen 8 Redner dezidiert ein.

Das Video kann hier gesehen werden

http://dbtg.tv/fvid/6946201

 

179. Sitzung vom 23.06.2016

TOP 5 Forschung und Innovation 2016

a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2016
Drucksache 18/7620

b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bundesbericht Forschung und Innovation 2016
Drucksache 18/8550

c) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mikroelektronik aus Deutschland - Innovationstreiber der Digitalisierung
Rahmenprogramm der Bundesregierung für Forschung und Innovation 2016 bis 2020
Drucksache 18/7729

d) Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Innovationspolitik neu ausrichten - Forschen für den Wandel befördern
Drucksache 18/8711

Das Protokoll der Debatte steht hier:

http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/18/18179.pdf

 

 Kaufmann (CDU)  ging  auf die beabsichtigte Übernahme des Augsburger Roboterherstellers Kuka durch die Chinesen ein, die von Kanzlerin Merkel beim jüngsten China-Besuch abgelehnt worden sei, und erwähnte in diesem Zusammenhang, dass die EFI-Kommission eine „eigene deutsche Robotikstrategie" angeregt habe.

 Röspel (SPD)  hob die Aufgabe von EFI hervor, eine kritische Betrachtung der FuI-Politik zu liefern und wählte als Beispiel ebenfalls die Robotik. Hier drohe Deutschland den Anschluss zu verlieren, weil jenseits der Industrierobotik zu wenig passiere, etwa in der Service-Robotik. Besonders gefreut habe es ihn, so Röspel, dass sich EFI erstmals dem Thema „Soziale Innovationen" angenommen habe (dazu gibt es eine Extra-Geschichte). Auch die Hightechstrategie sei davon betroffen. Weiter erwähnte er die EFI-Aussagen zur Innovationsschwäche der deutschen KMU. Allerdings hatte  Röspel Schwierigkeiten zu bewerten, dass in Österreich und Italien die KMU eine bessere öffentliche Innovationsförderung bekommen, aber trotzdem nicht so erfolgreich sind wie die deutschen.  Ist vielleicht die Marktpraxis relevanter als der FuE-Vorlauf? „Das muss man mit der EFI-Kommission noch besprechen", sagte Röspel.  Ihm fehle auch im jüngsten EFI-Bericht die adäquate Behandlung des Bereichs Bildung. Darauf sei EFI in früheren Stellungnahmen immer ausführlicher eingegangen.

Gehring (Grüne) sagte, dass EFI ein  „vielschichtiges Bild der deutschen Forschungslandschaft" zeichne,  und meinte damit, wie Röspel , dass neben der Würdigung von Erfolgen auch Kritik angesprochen  werde.  Dazu nannte Gehring, dass seit etlichen Jahren das 3-Prozent-Ziel der FuE-Quote nicht erreicht werde, von den 3,5 % - von Grünen und EFI und vielen anderen gefordert - ganz zu schweigen.  Auch die Verweigerung der steuerlichen FuE-Förderung erwähnte er. Gehring ging dann im wesentlichen  auf den Antrag seiner Fraktion „Forschung für den Wandel" ein, mit stärkerer Behandlung der GGH Großen gesellschaftlichen Herausforderungen durch die Wissenschaft.

 Ministerin Wanka (CDU) ging auf eine Reihe von EFI-Punkte ein, so der kritischen Konzentration der wirtschaftlichen FuE auf wenige Branchen, die KMU-Schwäche, auf die das BMBF mit einem 10-Punkte-Programm reagiert habe, zur Digitalisierung, zur Robotik, zur steuerlichen FuE-Förderung, die sie persönlich befürworte, sowie den 3,5 %, die aber für die Wirtschaft nicht so leicht zu realisieren seien (25 Mrd Euro - die Zahl ist zu prüfen).  

Auszug Rede Wanka:

"Wenn ich mir das EFI-Gutachten und anderen Gutachten anschaue, dann ist es so, dass ich viele Empfehlungen teile, aber nicht alle Analysen gleichermaßen richtig finde.

 Zum Thema Robotik kann ich Ihnen sagen: Es ist immer noch so, dass China und die USA am meisten in Deutschland ordern und kaufen. Natürlich sind wir in der Produktionsrobotik die Stärkeren. Das hat aber auch etwas mit kulturellen Dingen zu tun. Servicerobotik für Ältere, wie zum Beispiel in Japan eingesetzt, werden wir nie  so haben, wollen wir auch nicht. Trotzdem haben wir im Hightechforum Schlussfolgerungen gezogen. Wir freuen uns, lieber Stefan Kaufmann, dass das Future Work Lab im Herbst 2016 in Stuttgart eröffnet wird, gemeinsam, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, mit den Gewerkschaften. Es ist eine wichtige Schnittstelle, an der es vor allen Dingen um die sozialen Aspekte der Weiterentwicklung geht.  (...)

 Steuerliche FuE-Förderung: Dafür bin ich sehr. Das ist ein Punkt, über den wir weiter diskutieren müssen, weil wir das - das muss man ehrlich sagen - in den Koalitionsverhandlungen nicht geschafft haben. Ich sehe hier viele Kollegen, die das genauso sehen; damals ist uns  eben nicht alles gleichzeitig gelungen.

 3 Prozent vom BIP: Hier müssen wir uns natürlich noch steigern; das ist völlig klar.Wir müssen aber auch realistisch sein und schauen, was das für die Wirtschaft heißt. Anzunehmen, dass die Wirtschaft für Forschung  und Entwicklung circa 25 Milliarden Euro so schnell zusätzlich zu den 60  Milliarden Euro, die sie bringt,auflegt, ist irreal. Deswegen ist es wichtig, dort realistische Forderungen zu stellen und natürlich von staatlicher Seite,  was unser Drittel anbetrifft, vorwegzumarschieren.Ich glaube, da haben wir, wenn ich mir unsere mittelfristige Finanzplanung anschaue, sehr, sehr gute Möglichkeiten."

 

Heil (SPD) würdigte, dass EFI auch Schwächen anspreche und ging näher auf die Digitalisierung ein. „Hier müssen wir nachlegen". Es bestehe in Deutschland großer Nachholbedarf. Der Staat müsse im Bereich eGovernment beispielgebend vorangehen. „Es passiert zu wenig", kritisierte Heil und  wandte sich gegen die neue NATO-Formel „No Action Talk Only". Auch Service-Robotik, E-Mobilität und Batteriezellenproduktion  wurden als Desiderate erwähnt.   Auch Richard Floridas T3-Paradigma.

Dörner (Grüne) zeigte sich enttäuscht, dass im BUFI nicht gesagt werde, wo deutsche FuI besser werden müsse, während  dafür  das EFI-Gutachten „klare Hinweise" gebe:  zuviel technische und zu wenig soziale Innovationen. Weiter dann zu ihrem  Antrag Forschung für den Wandel (Transformative Wissenschaft).

Kampeter (CDU) erwähnte EFI  zwar nicht namentlich, aber etliche ihrer Punkte, wie die Digitalisierung / digitale Transformation, die auch eine „soziale Dimension" habe.  Bei der Innovation müsse es auch um „einen Bewußtseinswandel in der Gesellschaft" gehen.  Erstaunliches von einem Unionsmann, der sich nach 25 Jahren aus dem Bundestag verabschiedete.

Esken (SPD) ging in ihrem Redebeitrag ausschließlich auf die EFI-Empfehlungen zu eGovernment ein (Viel Luft nach oben), was jüngst vom Normenkontrollrat bestätigt worden sei.  Bei vielen Verfahren der elektronischen Verwaltung hinke Deutschland hinterher. Es fehle an einem zentralen Portal  (One-Stop-Shop).  Auch bei Open Date stehe Deutschland nicht gut da, EFI fordere „mehr Verbindlichkeit" ein, am besten durch ein Open Data-Gesetz, das das BMI auf den Weg bringen müsse. Für den gesamten Digitalbereich, so Frau Esken, sei das EFI-Gutachten „ein guter Hinweisgeber"

Riesenhuber (CDU), einst Forschungsminister der Kohl-Regierung, sprach ebenfalls von einer „intelligenten Begleitung durch EFI", erwähnte die Aussagen zur Digitalisierung, aber auch andere Punkte, wie das neue  Raumfahrt-Konzept des BMWi „New Space".

Auszug Rede Riesenhuber:

"Zur Digitalisierung - dies ist der zweite große Schwerpunkt von EFI - gehören die jungen Unternehmen. Hier setzen wir an vielen Stellen an. Als Beispiele nenne ich  die Deutsche Börse mit den Fintechs in Frankfurt und  die prächtige Berliner Start-up-Szene mit einer munteren  Community, die sich vor allem daran erfreut, dass man in  Berlin fröhlich leben kann, aber die darüber hinaus bereit ist, mehr als - man  glaubt es nicht - 38 Stunden  in der Woche zu arbeiten. Daraus entsteht eine dynamische, fröhliche Gemeinschaft. Aber das wächst zu langsam. Wir haben hier mit Wagniskapital durchaus noch die Möglichkeit, zusätzliche  Ansätze zu schaffen. Ich wünsche der Bundesregierung allen Erfolg bei der Arbeit, jetzt mit Unterstützung der Wissenschaft ein beihilferechtlich unbedenkliches Konzept für den Erhalt  von  Verlustvorträgen bei Wachstumsfinanzierungen junger Technologieunternehmen zu entwickeln.

Bei der Digitalisierung geht es um den Bereich der Mikroelektronik - hier  sind wir stark - und um Industrie 4.0. Anwendungsbeispiele sind die Automatisierung,  die Diagnosetechnik, die Automobilindustrie und der  Anlagenbau. Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, das hier  so zu bündeln, wie es das Mikroelektronik-Programm der Bundesregierung sagt, wonach die Kompetenzen auf europäischer Ebene zur kritischen Masse zu führen sind. Wir müssen jetzt ein beihilferechtlich sauberes Konzept bekommen. Die EU eröffnet eine Möglichkeit, Projekte zur Förderung der Mikroelektronik von gemeinsamem europäischen Interesse von Beihilfeverfahren freizustellen. In diesen Verfahren haben wir uns auf dem Weg, den die praktische Vernunft weist, manchmal in kompliziertester Weise selber ein Bein gestellt - eine  faszinierende Erfahrung. Die Freistellung ist eine Voraussetzung dafür, dass wir das große Mikroelektronik-Projekt hinkriegen. Die Industrie hat es mit der Wissenschaft ausgearbeitet, und wir sind gespannt, wie der  Wirtschaftsminister das jetzt mit der leidenschaftlichen Unterstützung des Finanzministers in den Haushalt einpassen wird.

Bei der Digitalisierung geht es auch um den Weltraum. Das soll jetzt angegangen werden. Der Wirtschaftsminister hat eine Studie zu „NewSpace" vorgelegt. Die Unternehmen müssen sich jetzt auf diese neue Welt - Stichwort weltraumgestützte Dienstleistungen - einlassen. Die riesigen Datenströme der Satelliten müssen vernünftigen Nutzungen zugeführt werden. Dafür müssen  die notwendigen Endgeräte, die Infrastrukturen vorhanden sein. Die Industrie darf dabei nicht alleine auf das  schauen, was der Staat hier beschließt und als geniale  Ziele vorgibt, sondern auf den Markt, und sie muss das Potential so nutzen, wie das in den USA schon geschieht. In den USA sind im letzten Jahr knapp 2 Milliarden Dollar an Wagniskapital in Space-Start-ups bzw. NewSpace  investiert worden. Das müssen wir auch hinkriegen." 

 

(Zusammenstellung: Manfred  Ronzheimer, 24.6.)

PS. Würde es Innovationsjournalismus in Deutschland geben, dann würde sich von dieser Debatte mindestens ein Schnipsel in den Medien wiederfinden. Ist das der Fall?

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