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Bayern packt „Big Data“ an

20.07.2016

Bayern packt „Big Data" an

Zukunftsrat der Wirtschaft  gibt Handlungsempfehlungen

Der Zukunftsrat der bayerischen Wirtschaft hat am Montag seine Studie „Big Data im Freistaat Bayern" und die dazugehörenden Handlungsempfehlungen vorgestellt. Zunächst in einer Pressekonferenz mit Wirtschaftsminister Ilse Aigner, dann in einer Veranstaltung in den Räumen des MOC Freimann, in der auch Big Data Anwendungsbeispiele präsentiert wurden.

Foto: Pressekonferenz mit Gaffal und Aigner

Alfred Gaffal, der Präsident der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw), verwies darauf, dass der Zukunftsrat im zweiten Jahr seines Bestehens nach den ersten Empfehlungen zur Neuordnung der Technologieförderung in Bayern nunmehr in seiner zweiten großen Stellungnahme eine „digitalen Zukunftsentwurf für den Freistaat" vorlege.  Von Big Data seien „große wirtschaftliche Chancen" zu erwarten, quer über alle Branchen und Technologiefelder.  Der Studie zufolge könnten Big-Data-Technologien in den  nächsten 10 Jahren das bayerische Wirtschaftswachstum um „jährlich bis zu drei Prozentpunkte" ansteigen lassen.

Die Digitalisierung  habe zu einem extremen Zuwachs von Datenmengen geführt, der sich weiter fortsetzen werde. Unter dem Begriff „Big Data" seien solche Informationen zu verstehen, „die zu groß oder komplex sind oder sich zu rasch verändern, um sie mit klassischen Methoden und IT-Lösungen auszuwerten und zu bearbeiten", gab Gaffal eine Definition der Datentechnik wieder. Dies schließe auch die Analyse von „unstrukturierten, heterogenen, unvollständigen und fehlerhaften Datensätzen" ein.

Die Handlungsempfehlungen richten sich an Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Bayern sollte den Anspruch erheben, „europäische Leitregion für Big Data" werden zu wollen. Eine Zielsetzung für die IT-Infrastruktur sei es, in Bayern bis zum Jahr 2020 über flächendeckende Internetverbindungen mit einer Mindest-Geschwindigkeit von 100 Megabit pro Sekunde zu verfügen. Um die Akzeptanz für Big-Data-technologien zu erhöhen, sei eine  „breite gesellschaftliche Debatte" zu diesem Thema vonnöten. Zu den Aufgaben der Unternehmen zähle unter anderem, spezifische „Datenstrategien" zu entwickeln. Für sicheren Datenaustausch wird die Kooperationsplattform „Industrial Data Space" der Fraunhofer-Gesellschaft empfohlen. In der Wissenschaft solle eine „Forschungsstrategie Big Data" entwickelt sowie der Aufbau von  „Leuchtturmprojekten" angestrebt werden. Weitere Empfhelungen behandeln den Fachkräftenachwuchs, Studiengänge und mehr „Open Data" seitens der öffentlichen Hand. Als eines der größten Hemmnisse für Big Data-Anwendungen sei die „unklare Rechtslage" anzusehen. Hier sei der Gesetzgeber gefordert.

 

Wirtschaftsministerin Aigner lobte die bisherige Tätigkeit des Zukunftsrates, dem sie selbst angehört. Zu Big Data verwies Aigner darauf, dass es in Bayern schon zahlreiche Unternehmen gebe, vom Global Player bis zum Startup, „die Big Data-Technologien erfolgreich einsetzen oder vermarkten". Seitens der Landesregierung fließe bereits gut die Hälfte der Fördermittel für IuK-Technik in die Felder Big Data und Cloud Computing. Zudem würden neue Forschungsinfrastrukturen aufgebaut, wie das Zentrum für Intelligente Objekte (ZIO) des Fraunhofer-Instituts IIS. Es beschäftigt sich mit der Weiterentwicklung von Sensoren und der Bewältigung der von ihnen produzierten Datenmengen.  Direkt gegenüber dem ZD.B Zentrum Digitalisierung Bayern am Standort Garching sei der Aufbau eines Kompetenzzentrums Big Data am Leibniz-Rechenzentrum durch das Wissenschaftsministerium geplant. Big Data meets High-Performance Computing. Beim Aufbau der Breitband-Infrastruktur 100Mbit/s sah die Wirtschaftsministerin den „Kollegen Markus Söder schon gut unterwegs". Eine Finanzzahl wurde nicht genannt. Was den Rechtsrahmen betreffe - Aigner: „Datenschutz- und Datenverwertungsregeln müssen zu den Big Data Geschäftsmodellen passen" - werde sich Bayern bei den entsprechenden Gesetzesvorhaben von Bund und EU einbringen. Die Ministerin betonte fast schon kämpferisch: „Wir werden bei Big Data das Feld nicht den amerikanischen Konzernen überlassen."

 Manfred Ronzheimer

  

 (Vortragsfolie von Dirk Heckmann)

 

TUM-Präsident: „Unternehmerische Agenda für die Big-Data-Ära“

„Die Digitale Revolution hat das Zeitalter der Big Data begründet, in dem wir leben", sagte der Vorsitzende des Zukunftsrats Prof. Wolfgang A. Herrmann. „Der technische Fortschritt versetzt uns in die Lage, aus ungeheuer großen Datenmengen unscharfes Wissen zu präzisieren und aus komplexen Multiparamenter-Beziehungen neue, wirtschaftlich vorteilhafte Handlungsweisen abzuleiten. Hieraus werden intelligent vernetzte Fabriken ebenso entspringen wie eine personalisierte, genomdatenbasierte Medizin, eine automatisierte Mobilität, eine boden- und klimaspezifische Landnutzung („Precision farming") und Methoden des nachhaltigen, energieeffizienten Planens und Bauens. Damit werden unsere Wirtschafts- und Industriestrukturen einem fundamentalem Wandlungsprozess unterworfen. Der Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft will mit seinen Empfehlungen helfen, die Chancen und Risiken der janusköpfigen Big-Data-Ära auf eine optimistische unternehmerische Agenda zu bringen."

 Neue Studiengänge und Professuren an der TUM

Die TUM sieht sich als Vorreiterin sowohl bei der Ausbildung von Fachkräften als auch bei der interdisziplinären Erforschung des Themenbereichs Big Data, von neuen Datenanalyse-Methoden als Instrument der Forschung bis hin zu den gesellschaftlichen Auswirkungen. Sie hat in den vergangenen Monaten neue Professuren für Großskalige Datenanalyse und Maschinelles Lernen, für Computational Social Science and Big Data sowie für Political Data Science eingerichtet. Zum kommenden Wintersemester starten die neuen Masterstudiengänge „Mathematics in Data Science", „Data Engineering and Analytics" und "Science and Technology Studies". Letzterer untersucht die Wechselwirkungen von Technik, Wissenschaft und Gesellschaft.

Auch bei der Vernetzung der Forschungseinrichtungen und Unternehmen in Bayern spielt die TUM eine Führungsrolle: Prof. Manfred Broy ist Gründungspräsident des Zentrum Digitalisierung.Bayern, das die Staatsregierung 2015 ins Leben gerufen hat. Außerdem hat das Entrepreneurship-Programm der TUM die Ausgründung diverser Unternehmen gefördert, die mit Big-Data-Technologie arbeiten.

Quelle:

Campusmitteilung der TU München vom 18.7.2016

https://www.tum.de/die-tum/aktuelles/pressemitteilungen/kurz/article/33268/

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 Weitere Informationen:

https://www.vbw-bayern.de/vbw/Aktionsfelder/Innovation-F-T/Forschung-und-Technologie/Zukunft-digital-Big-Data.jsp

Die Studie zum Download:

http://www.vbw-zukunftsrat.de/pdf/big_data/vbw_zukunftsrat_handlungsempfehlungen_langfassung_v15_rz_web.pdf

 

Programm der Veranstaltung:

https://www.vbw-bayern.de/vbw/Aktionsfelder/Innovation-F-T/Forschung-und-Technologie/Zukunft-digital-Big-Data.jsp

 

Medienberichte:

https://www.bayernkurier.de/inland/15552-chance-datenmeer

https://www.onetz.de/deutschland-und-die-welt-r/wirtschaft-de-welt/vorstoss-der-wirtschaft-bayern-als-spitzenregion-fuer-big-data-d1683869.html

http://www.tagesspiegel.de/advertorials/ots/vbw-vereinigung-der-bayerischen-wirtschaft-e-v-zukunftsrat-sieht-gute-voraussetzungen-fuer-big-data-im-freistaat/13892314.html

 Mitglieder des Zukunftsrates:

http://www.vbw-zukunftsrat.de/zukunftsrat

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 Auszug aus den Empfehlungen

03.7

Gestaltung und Monitoring der gesellschaftlichen Folgen

Der Einsatz von Big-Data-Technologien in ganz unterschiedlichen Bereichen moderner Gesellschaften stellt eben diese vor ganz neue Herausforderungen in Bezug auf die Beobachtung und Gestaltung gesellschaftlicher Folgen : Benötigt werden systematische und institutionalisierte Verfahren des Monitorings von neuen Entwicklungen und der reflexiven Beschäftigung mit erwünschten und unerwünschten gesellschaftlichen Folgen und Nebenfolgen, die zugleich innovationsfördernd statt innovationshemmend wirken. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Einbindung betroffener Gruppen, sozialer Bewegungen sowie rechtswissenschaftlicher, sozialwissenschaftlicher und ingenieurswissenschaftlicher Expertise in den Prozess der Entwicklung von Big-Data-Technologien.

Notwendig ist daher die Entwicklung geeigneter Verfahren der Technikfolgenabschätzung für die Entwicklung und den Einsatz von Big-Data-Technologien : Aufgrund der Portabilität der Daten, der Flexibilität der Auswertungsverfahren und der Abhängigkeit der Ergebnisse, etwa beim Einsatz maschinellen Lernens, von den verwendeten Daten reicht es nicht aus, Öffentlichkeit herzustellen und über Anwendungs- und Nutzungspotenziale zu informieren. Herausforderungen bestehen dabei z. B. bei der systematischen Einbindung von Datenschutz- und IKT-Bewegungen in Prozesse der Big-Data-Folgenabschätzung sowie bei der Institutionalisierung eines ganzheitlichen Blicks auf die an Big-Data-Anwendungen beteiligten Akteure. So ist für die Aufbereitung von Daten in der Praxis häufig menschliche Arbeit bei der Bereinigung, der Klassifizierung und der Evaluierung notwendig. Wie aktuelle Untersuchungen z. B. über die Kuratierungspraxis von Unternehmen wie Facebook zeigen, ist es diese oft unsichtbar erbrachte Leistung, die die Ergebnisse der Nutzung von Big-Data-Anwendungen verzerren - eine Herausforderung für partizipative Technikentwicklung.

Für die Gestaltung der gesellschaftlichen Bedingungen und Folgen von Big-Data-Technologien ist systematisches Wissen notwendig. Hier besteht im deutschsprachigen Raum gegenüber der internationalen Forschung noch Aufholbedarf. In einer kürzlich vom Data & Society Center veröffentlichten Studie (Metcalf 2014) fördert etwa die NSF in den USA in vergleichbarer Zahl Projekte zur Entwicklung konkreter Big-Data-Anwendung, wie z. B. zur reflexiven Erforschung ihrer gesellschaftlichen (rechtlichen, politischen, kulturellen) Bedingungen. Fragen solcher Untersuchungen betreffen Themen wie den „Data-Divide" - also einer Kluft zwischen denjenigen, die Zugang zu Daten haben und diese nutzen können, und denjenigen, bei denen das nicht der Fall ist - und durch algorithmische Entscheidungen verstärkte und veränderte Formen von Ungleichheit und Diskriminierung - z. B. durch die Nutzung von sogenannten Proxy-Variablen (das heißt Variablen, die Eigenschaften messen, die der direkten Messung nicht ohne Weiteres zugänglich sind) wie den Wohnort oder das Einkaufsverhalten anstelle von offenkundig diskriminierenden Faktoren wie Ethnie oder Geschlecht.

Das BMBF beabsichtigt, durch begleitende Forschung Fragen zum verantwortungsvollen Umgang mit Big Data anzugehen und die Ergebnisse in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen. So fördert es beispielsweise das Projekt ABIDA, an dem unter anderem die LMU München beteiligt ist, das juristische, ethische, sozialwissenschaftliche, ökonomische und politikwissenschaftliche Fragestellungen rund um den Einsatz von Big-Data-Systemen untersucht. An solchen und weiteren Vorhaben sollten sich Wissenschaftler aus Bayern intensiv beteiligen.

 

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