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VDE-Kongress zum intelligenten Stromnetz

07.11.2012

 

VDE-Kongress zum intelligenten Stromnetz

„Smart Grid - Intelligente Energieversorgung der Zukunft"  in  Stuttgart

Von allen Netzen der technischen Infrastruktur, die uns umgeben und versorgen  - Telekommunikation, Verkehr, Wasser, Wärme, Gas - wird das Stromnetz in den kommenden Jahren die tief greifendste Veränderung und Modernisierung erfahren. Zwei Trends sind dominant: Der Wandel in der Stromerzeugung von zentralen zu dezentralen Strukturen und die informationstechnische  Aufrüstung des Netzes, um die Verteilung des Stromvolumens besser managen und Blackouts durch Netzüberlastung verhindern zu können. Mit diesen Themen, zusammen gefasst unter dem Schlagwort „Smart Grid",  beschäftigte sich Anfang der Woche der Kongress des Verbands Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) in Stuttgart. Die 2000 Teilnehmer diskutierten den Umbau des Stromnetzes sowohl in seinen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen als auch den technischen Detailfragen, die sich in großer Zahl stellen. Spürbar war die Begeisterung, mit der sich Deutschlands Elektrotechniker der größten Ingenieur-Herausforderung annehmen, die das  Land der Energiewende zu bewältigen hat: Der Aufbau des intelligenten Stromnetzes.

In einer Pressekonferenz zur Eröffnung der Tagung betonte der scheidende VDE-Präsident Alf Henryk Wulf, dass zügiges Handeln geboten sei, vor allem im regulatorischen Bereich und in der politischen Steuerung der Energiewende. Mit dieser eröffne sich Deutschland zwar die Chance, eine internationale Vorreiterrolle in der Transformation des Energiesystems einzunehmen. Allerdings sei man inzwischen, anderthalb Jahre nach der politischen Grundsatzentscheidung, „arg im Verzug", stellte Wulf fest. Als Beispiele führte er den nur schleppenden Ausbau der Übertragungsnetze an sowie die Automatisierung der Verteilnetze, die „in der Warteschleife hänge". Durch den Zuwachs der volatilen Erneuerbaren Energien sei die Zahl der „Eingreif- und Gefährdungstage" kurz vor dem Netz-Blackout zunehmend. „Wir brauchen deshalb jetzt schnellstens", so der VDE-Präsident, „einen wasserdichten Masterplan für ein neues Systemdesign im Zieldreieck von Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit".

FDP-MdB Ernst Burgbacher, parlamentarischer Staatssekretär beim Bundeswirtschaftsminister, stellte den Handlungsbedarf nicht in Abrede, verwies aber auch darauf, dass in den letzten zwei Jahren bereits 17 Energiegesetze allein aus dem BMWI neu gefasst worden seien und sechs weitere unter Federführung anderer Ministerien. „Wir haben also schon viel geleistet", betonte der Politiker. Eine wichtige Weichenstellung sei zudem in er Nacht zuvor beim Koalitionsgipfel von Union und FDP dahin getroffen worden, das EEG grundlegend zu reformieren. Burgbach erwähnte weiter, dass die Energieforschung in den Jahren von 2011 bis 2014 um 3,5 Mrd. Euro aufgestockt werde. Für das neue Förderprogramm zur Entwicklung von  Energiespeichertechniken seien inzwischen 400 Projektanträge eingereicht worden. Als die große Herausforderung bezeichnete Burgbacher die Veränderungen im Bereich der Verteilnetze, wo tausende kleiner Energieerzeugungsanlagen in das Netz zu integrieren seien.

Ausdrücklich bezog der Politiker in den Handlungskatalog auch den Datenschutz beim Smart Metering ein. Die Besorgnisse, durch solche Techniken werde der „gläserne Energie-Bürger" möglich, müssten frühzeitig ernst genommen werden anstatt sein zu übergehen.

VDE-Präsidiumsmitglied Prof. Jochen Kreusel ging in seiner  Funktion als Vorsitzender der Energietechnischen Gesellschaft auf neuere Studien des VDE ein, etwa zum Bedarf an „flexiblen Kraftwerken". Besonders betonte Kreusel die Notwendigkeit zur mehr Forschung im Bereich der Speichertechnik. Hierzu gehöre auch die Einbeziehung des Wärmebereichs, dessen Potenziale als thermischer Speicher genutzt werden könnten.

Eine weitere Herausforderung, deren Dimension noch zu wenig realisiert werde, sei die starke Zunahme an dezentralen Elementen in der elektrischen Energieversorgung. Waren bislang rund 10.000 Komponenten (wie Kraftwerke und Schaltanlagen) in einem Gesamtsystem zu integrieren und zu steuern, so werden es künftig mit netz-gekoppelten Geräten der Verbraucher bis zu 100 Millionen Komponenten sein. Hier könne man von den Erfahrungen des Mobilfunks lernen, wie überhaupt bei der Entwicklung des intelligenten Netzes die frühe  Zusammenarbeit mit den IuK-Experten unerlässlich sein.

Manfred Ronzheimer

(weitere Konferenzberichte folgen)

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VDE-Kongress 2012 

Intelligente Netze machen Energiewende bezahlbar 

Pressemitteilung VDE, 05.11.2012  - auch hier zu lesen

Das Herzstück der Energiewende sind Smart Grids. Sie können nicht nur die dezentralen Erzeuger komplett mit einbeziehen, sondern passen den Netzbetrieb auch den Verbrauchergewohnheiten an. Jeder Verbraucher kann seinen Strom dann beziehen, wenn er am günstigsten ist.

Windräder können wegen der schwachen Netze nicht liefern. Strom aus Kraft-Wärme-Koppelung (KWK) wird nicht genutzt. Energiespareffekte verpuffen, weil das Netz an die unregelmäßige Erzeugung und den wechselnden Verbrauch von Strom nicht angepasst ist. Ohne Automatisierung der Verteilnetze drohen Einspeise-Staus und Netzinstabilität. Das macht die Energiewende nicht nur für alle teurer. Dadurch werden auch keine Anreize zum Strom sparen gesetzt. Darauf verwies der Verband der Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik (VDE) in einem Papier zur Zukunft der Energieversorgung.

Die aktuelle Debatte über die Energiewende geht dem VDE zufolge zu einem großen Teil am Kern vorbei. Die zentrale Herausforderung lautet: Umbau und Flexibilisierung des gesamten Systemdesigns mit den Elementen Ausbau der Netzinfrastruktur, der Speicherkapazitäten und des Kraftwerksparks. Das Herzstück sind Smart Grids, intelligente Netze. Sie integrieren sämtliche Akteure auf dem Strommarkt durch das Zusammenspiel von Erzeugung, Speicherung, Netzmanagement und Verbrauch. Sie beziehen die Sparanstrengungen der Verbraucher ebenso ein wie dezentrale kleine Energielieferanten und -speicherorte.

Heute schon beträgt der Überschuss an regenerativer und KWK-Einspeisung bereits zehn Prozent der Gesamtmenge an Energie aus erneuerbaren Quellen. Werden die Stromübertragungsnetze nicht zügig ausgebaut, könnten den Berechnungen des VDE zufolge 2020 bis 20 und 2030 bis zu 45 Prozent erneuerbare Energie nicht genutzt werden. Da der größte Teil des Leistungszubaus erneuerbarer Energiequellen bis 2020 zu erwarten ist, muss das Netz bereits zu diesem Zeitpunkt in der Lage sein, mit vollständiger Lastdeckung durch die erneuerbaren Energien umzugehen. Es gilt daher, innerhalb dieser Dekade ein komplett neues integriertes Gesamtsystem vorzubereiten.

Deutschland hat laut einer Umfrage unter den 1.300 VDE-Mitgliedsunternehmen und Hochschulen, die besten Voraussetzungen dafür, beim Thema Smart Grid voranzugehen. 80 Prozent der Befragten sehen hier wichtige Standortchancen und 74 Prozent sehen Deutschland an der Weltspitze. Auch in der Normung übernimmt Deutschland mit der Deutschen Normungsroadmap „E-Energy / Smart Grid 2.0" von VDE|DKE eine Vorreiterrolle. Es gilt, diese Expertise verstärkt für Gesetzesinitiativen zu nutzen, um verlässliche rechtliche und regulative Rahmenbedingungen zu schaffen.

Bereits heute nimmt die Anzahl der „Eingreif- und Gefährdungs-Tage" zu, das Risiko größerer Störungen mit überregionalen Auswirkungen wächst, und bereits Mini-Blackouts können spannungssensitive Industrieprozesse empfindlich stören. Mit Blick auf die Netzstabilität warnt der VDE davor, nach dem Motto „es funktioniert doch" vorzugehen. Denn ab einem Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung von 25 Prozent drohen zunehmend Netzausfälle - mit unabsehbaren Folgen für die hochtechnisierte deutsche Wirtschaft und Gesellschaft.

Beim Netzausbau fordert der VDE eine verstärkte EU-weite Kooperation. Nach dem deutschen Netzentwicklungsplan 2012 müssten rund 8.200 Trassenkilometer um- und ausgebaut werden. Bisher wurden pro Jahr gerade einmal 20 Kilometer geschafft. Die Herausforderung ist gewaltig, denn Europa braucht insgesamt rund 42.000 Kilometer neue Trassen. Die Netze in den europäischen Ländern isoliert voneinander ausbauen zu wollen, wäre sinnlos. Es sollte ein europäischer Energiebinnenmarkt geschaffen werden, dem ein gemeinsames Netz zum Transport und zur Speicherung von Energie zu Grunde liegt. Der VDE empfiehlt daher, die Maßnahmen zur Energiewende in eine gesamteuropäische Energiestrategie einzubetten.

Über den VDE:
Der Verband der Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik (VDE) ist mit 36.000 Mitgliedern (davon 1.300 Unternehmen, 8.000 Studierende, 6.000 Young Professionals) und 1.100 Mitarbeitern einer der großen technisch-wissenschaftlichen Verbände Europas. Der VDE vereint Wissenschaft, Normung und Produktprüfung unter einem Dach. VDE-Tätigkeitsfelder sind der Technikwissenstransfer, die Forschungs- und Nachwuchsförderung der Schlüsseltechnologien Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik und ihrer Anwendungen. Die Sicherheit in der Elektrotechnik, die Erarbeitung anerkannter Regeln der Technik als nationale und internationale Normen, Prüfung und Zertifizierung von Geräten und Systemen sind weitere Schwerpunkte. Die Technologiegebiete des VDE: Informationstechnik, Energietechnik, Medizintechnik, Mikroelektronik, Mikro- und Nanotechnik sowie Automation. Mehr Infos zum VDE unter: https://www.vde.com/ . 

 

Downloads + Links

VDE-Kongress - Impressionen

https://www.vde.com/de/InfoCenter/News/Seiten/VDE-Kongress_2012.aspx

 

VDE-Report "Energiehorizonte 2020"

 

https://www.vde.com/de/InfoCenter/Seiten/Details.aspx?eslShopItemID=f4276bf8-cf55-42a2-9b24-d0d25b0cc86c

 

Pressemappe

Smart Grid - das Nadelöhr der Energiewende?

https://www.vde.com/de/InfoCenter/Seiten/Details.aspx?eslShopItemID=f4276bf8-cf55-42a2-9b24-d0d25b0cc86c

 

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