Alter Wein, neuer Schlauch
06.04.2014
Alter Wein, neuer Schlauch
Stiftungswoche: Die Heinrich Böll-Stiftung suchte nach der "grünen Erzählung"
Zu der Veranstaltung im Rahmen der Berliner Stiftungswoche 2014 mit dem höchsten politischen Nährwert hatte die Heinrich Böll-Stiftung am Freitag und Samstag in ihre transparenten Räume am Deutschen Theater eingeladen. Die politische Stiftung der Grünen - korrekter Sprachgebrauch: "den Grünen nahestehend" - wollte mit dieser Veranstaltung, als Kongress bezeichnet, den Ursachen für das für die Partei enttäuschende Ergebnis bei der Bundestagswahl September 2013 nachgehen.
Im Mittelpunkt stand dabei aber nicht so sehr die politisch-programmatische Analyse, sondern - durchaus innovativ - ein kommunikativer Ansatz: Warum haben wir uns den Wählern nicht verständlich machen können? Weil zur Zeit die Methode "Narration" schwer in Mode ist (etwa bei uns im Journalismus), wurde das mal auf politisch probiert. "Was ist die grüne Erzählung?" wurde gefragt, mit vielen Referenten und in acht Workshops. Großer Aufwand. Das Ergebnis - to make a long story short: Es hat nicht funktioniert. Es gibt keine grüne Erzählung; jedenfalls war davon nichts in der Abschlussdiskussion zu vernehmen. Wohl aber gibt es einen dringend nötigen politischen Diskurs.
Der konservative Vordenker Meinhard Miegel (jüngstes Buch "Hybris"), der das Podium mit klugen Bemerkungen wirklich bereicherte, piekste auch den Luftballon des Kongress-Themas an. "Wir müssen aufpassen mit dem Begriff Erzählung", wandte Miegel ein. "Es ist ein Modebegriff und verdunkelt unsere Sicht auf die Probleme". Früher wurde das gleiche Thema unter der Überschrift "Was ist unsere Botschaft" behandelt. Dann kam eine Phase, in es um die "Theorie" ging. Es folgte: "Was ist unsere Vision?". Und jetzt "die Erzählung". Miegel sagte nicht: Alter Wein in neuen Schläuchen. Aber er meinte es.
Der "Wein", das ist die politische Richtungsdiskussion bei den Grünen. Auf jedem Podium, das Böll-Stiftungsvorstand Ralf Fücks ("Intelligent wachsen. Die grüne Revolution") bereichert, kommt sie sofort in Gang. Kann uns grüne, umweltfreundliche Effizienz-Technologie vor der Klimakatastrophe bewahren? Oder ist die Suffizienz, der individuelle Verzicht, der zielführende Weg? Gäbe es schon die große, grüne Erzählung, sollten man jetzt das Kapitel "Wie sich Fundis und Realos beharkten" aufschlagen. Fücks sagte, es gelte jetzt bei den Grünen die beiden Diskurse zwischen Postmaterialisten mit ihrer Anti-Wachstums-Orientierung und den Anhängern der "grünen industriellen Revolution" (Ressourceneffizienz, Faktor 4 bis 10) zusammen zu führen.
Die beste Podiums-"Erzählung" lieferte Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag. Rund um das Kommunikations-Debakel des "VeggieDay" (Hofreiter: "ein super-alberner Vorschlag") schilderte er - der aus dem Dschungel zur Politik kam - wie er als Tropenbotaniker die menschenvernichtenden Kämpfe um die Flächen für den Futtermittelanbau in Lateinamerika hautnah erlebt hatte. Hier helfe kein Verzicht aufs Würstchen in deutschen Kantinen, sondern allein politisch-strukturelle Maßnahmen. Etwa die Zertifizierung für Futtermittel-Importe. "Davor hat die Agrarlobby wirklich Angst", so Hofreiter.
Nachbemerkung: Keine andere politische Stiftung in Deutschland trägt den Namen eines Literaturnobelpreisträgers. Wenn sich die Heinrich Böll-Stiftung dem Thema "Politisches Erzählen" nähert, dann wäre es überhaupt nicht abseitig gewesen, zumindest in einem Exkurs an die narrative Kompetenz des Kölner Schriftstellers anzudocken. Wie erzählte Heinrich Böll Politik? Was läßt sich heute davon lernen? Das hätte eine auflockernde Eröffnungs-Session geben können.
Manfred Ronzheimer für InnoMonitor Berlin-Brandenburg
4. - 5. Apr | 17.30 Uhr
Heinrich -Böll-Stiftung e. V.
Was ist die
grüne Erzählung ?
In Nachbetrachtung des grünen
Bundestagswahlergebnisses: Welche originäre und originelle Geschichte haben die
Grünen und das grüne Umfeld zu erzählen? Was ist die grüne Geschichte etwa von
»Freiheit«, von »Gerechtigkeit« oder von »ökologischer Transformation«? Was sind
die Narrative, mit denen politische Vorschläge vorgetragen und gerechtfertigt
werden? - www.boell.de - mehr
hier
Wo ? Heinrich-Böll-Stiftung | Schumannstraße 8, 10117 Berlin
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Das Programm der Stiftungswoche: www.berlinerstiftungswoche.eu