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Klimaschutz – mit der Industrie

04.02.2010

Klimaschutz - mit der Industrie

Ein Vorschlag der UVB

 

Vorgestellt in einem  Pressegespräch im Haus der Wirtschaft am 22.Januar 2010 um 9:00 Uhr

 

Hintergrund

 

Anfang Juli 2009 hat die Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz einen Referentenentwurf für ein sogenanntes Klimaschutzgesetz des Landes Berlin vorgelegt. Grundlage des Referentenentwurfs ist eine Öffnungsklausel im Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) des Bundes. Das EEWärmeG regelt für Neubauten den verpflichtenden Einsatz von Erneuerbaren Energien für die Wärmegewinnung. Eine Öffnungsklausel des Gesetzes räumt den Bundesländern die Möglichkeit ein, entsprechende Regelungen für Gebäude im Bestand (Altbauten) zu erlassen.

Von dieser Möglichkeit will das Land Berlin Gebrauch machen. Die zuständige Senatsverwaltung hat einen ersten Referentenentwurf am 6. Juli 2009 vorgelegt. Dieser sieht u.a. die Verpflichtung zum Einsatz von Erneuerbaren Energien bei der Wärmeenergieversorgung von Altbauten vor, sofern die Heizungsanlagen älter als 20 Jahre sind.

 

Die UVB hat zu diesem Referentenentwurf - wie auch schon zuvor zu einem informellen Vorentwurf - eine konstruktiv-kritische ausführliche Stellungnahme abgegeben (www.uvb-online.de). Aus UVB-Sicht muss ein Klimaschutzgesetz insbesondere folgende Anforderungen erfüllen:

 

 Ein differenziertes Vorgehen bei der Einbeziehung von Gewerbe- und Industriebauten. Es ist unstrittig, dass der Einbau Erneuerbarer Energieträger in bestehende Bausubstanz aufwendiger ist als deren Berücksichtigung bei einer Neubauplanung. Dies gilt insbesondere für Industriegebäude. Benötigt wird daher eine Regelung, die den Besonderheiten der Industrie einerseits und dem Umstand der schwierigeren nachträglichen energetischen Sanierung anderseits Rechnung trägt.

 

Ein Klimaschutzgesetz muss technologieneutral sein. Es darf nicht der Einsatz bestimmter Technologien vorgeschrieben werden. Vielmehr muss die CO2-Einsparung als relevantes Beurteilungskriterium im Mittelpunkt stehen. Es sollte die technische Maßnahme zum Einsatz kommen, mit welcher sich eine bestimmte CO2-Einsparung mit dem geringsten finanziellen Aufwand erreichen lässt.

  Es muss eine belastbare Gesetzes- und Folgenabschätzung vorliegen. Gegenwärtig liegen keine verlässlichen Zahlen darüber vor, wie viele und welche Unternehmen betroffen wären und wie hoch die damit verbundenen Kosten sind. Diese Daten müssen zunächst erhoben werden. Es ist nicht hinnehmbar, dass der Gesetzgeber ein Gesetz erlässt, ohne sich darüber im Klaren zu sein, wer in welchem Maße von den gesetzlichen Vorgaben betroffen ist.

 

Die UVB hat unter Berücksichtigung zahlreicher Hinweise aus unseren Mitgliedsverbänden und Berliner Mitgliedsunternehmen in intensiven Gesprächen mit der Verwaltung diese Position weiter konkretisiert. Die Kritik der UVB richtet sich gegen vorgesehene konkrete Vorgaben des Gesetzentwurfes, nicht jedoch gegen das grundsätzliche Anliegen, die CO2-Emissionen im Sinne des Klimaschutzes in der Stadt zu reduzieren.

 

Ganz im Gegenteil: Wirtschaft und Industrie begreifen Klimaschutz und Green Economy als industrielle Chance für Berlin. Lösungen für die Herausforderungen des Klimaschutzes kann insbesondere die Industrie durch Innovationen vor allem in den Bereichen Energieerzeugung und Ressourceneffizienz liefern. So wurde mit der UVB sowohl das jüngste Themenheft der Berliner Wachstumsinitiative 2004 - 2014 zur „Green Economy" wie auch die 3. Berliner Wirtschaftskonferenz zu diesem Thema am 17. November 2009 im Roten Rathaus maßgeblich vorangetrieben.

Berlin ist in den Leitmärkten der „Green Economy" und Klimaschutztechnologien gut aufgestellt. Insbesondere in den Bereichen Energieeffizienz und Erneuerbare Energien. Mindestens 500 Unternehmen sind in den Leitmärkten der Green Economy unterwegs. Mehr als 40.000 Berliner sind in diesen Bereichen tätig. Die Industrie sieht deshalb die „Green Economy" als wichtigen Wachstumsmarkt für die kommenden Jahrzehnte an.

 

Nicht zuletzt aufgrund der von der UVB vorgetragenen substanziellen Kritik am ersten Referentenentwurf des Gesetzes wird dieser gegenwärtig einer umfassenden Überarbeitung unterzogen. Dabei stehen in der    Diskussion um das Klimaschutzgesetz vor allem die Auswirkungen des Gesetzes für Mieter und Vermieter von Wohngebäuden im Mittelpunkt. So ist auch eine Grenzwertregelung vorgeschlagen worden. Sie sieht vor, zu vorher festgelegten Zeitpunkten die Grenzwerte kontinuierlich zu verschärfen.

 

Für Mitte Februar 2010 hat Senatorin Lompscher einen überarbeiteten 2. Entwurf für ein Klimaschutzgesetz für Berlin angekündigt. Dies nimmt die UVB zum Anlass, unsere Vorstellungen - insbesondere unter Berücksichtigung der Belange der Industrie - in die Diskussion einzubringen.

 

Besonderheiten bei Produktionsbetrieben

 

Als einziges Bundesland hat bisher Baden-Württemberg die Öffnungsklauseln des EEWärmeG genutzt und ein eigenes Landesgesetz für Gebäude im Bestand (EWärmeG) erlassen. Allerdings hat Baden-Württemberg die anteilige Verpflichtung zum Einsatz Erneuerbarer Energien auf Wohngebäude beschränkt und Gewerbe- und Industriegebäude bewusst ausgeklammert. Damit hat Baden-Württemberg sowohl auf die Eigenheiten der Industrie Rücksicht genommen als auch eine zusätzliche Belastung für die Wirtschaft und die Arbeitsplätze bewusst vermieden.

 

Obwohl Wohngebäude hinsichtlich Art und Nutzung energetisch nicht mit Produktions- und Industriegebäuden vergleichbar sind, sieht der bisherige Entwurf der Senatsumweltverwaltung die anteilige EE-Verpflichtung für alle Bestandsgebäude vor - ohne Unterscheidung des Gebäudetyps.

 

Dabei liegen bisher keine verlässlichen Daten für den Wärmeenergiebedarf von Gewerbe- und Industriegebäuden vor. Nur für den Gesamtenergiebedarf einiger Industriegebäude liegen belastbare Daten vor. Dieser Gesamtenergiebedarf setzt sich aus Gebäudewärme, Prozesswärme und Strombedarf zusammen. Die Trennung insbesondere von Prozesswärme und Gebäudewärme ist insbesondere bei energieintensiver Fertigung aufwendig.

 

Da das Klimaschutzgesetz des Senates lediglich auf Gebäudewärme abstellt, ist zunächst eine verlässliche Datenerhebung erforderlich. Dies gilt auch für den Fall, dass der Senat im überarbeiteten Entwurf eine Grenzwertregelung anstrebt. Gerade bei Grenzwertregelungen muss im Vorfeld geklärt werden, welche Betriebe in welchem Ausmaß tatsächlich betroffen sein werden.

 

Wärmebedarf in der Industrie - jeder Fall ist ein Einzelfall

 

Jedes Industriegebäude ist in gewisser Weise ein Unikat und muss sehr unterschiedlichen Anforderungen genügen. In Abhängigkeit der jeweiligen Produktion fällt der jeweilige Energiebedarf der Unternehmen dabei sehr unterschiedlich aus. Bei energieintensiver Produktion - wie z.B. Galvanik und Spritzguss - wird häufig Prozesswärme benötigt. Das führt zu einem höheren Gesamtenergiebedarf. Allerdings kann u.U. die bei der Produktion freigesetzte Prozesswärmeenergie über Rückgewinnungsanlagen als Wärmeenergie wieder genutzt werden.

 

Die Art der Produktion hat Auswirkungen auf die Größe der Produktionshalle. In Betrieben, in denen z.B. schwere Lasten über integrierte Kräne bewegt werden müssen, haben Gebäude oft eine Höhe von 15-20 Metern. Dies ist nicht vergleichbar mit Wohngebäuden, in welchen die Deckenhöhe 3,50 Meter selten überschreitet.

Aufgrund arbeitsschutzrechtlicher Bestimmungen der Arbeitsstättenverordnungen (ASR 5) besteht in geschlossenen Räumen die Verpflichtung zum Luftaustausch - je nach körperlicher Belastung der Tätigkeit zwischen 20 - 65 m3/h pro Person. Bei diesem Luftaustausch muss die Luft vorgewärmt werden. Dies macht zusätzliche Wärmeenergie erforderlich. In der Regel wird ein Teil der dafür benötigten Energie über Wärmerückgewinnungssysteme wieder verwendet.

 

Ebenfalls aufgrund arbeitsschutzrechtlicher Bestimmungen (ASR 6) müssen je nach Schwere der Tätigkeit bestimmte Raumtemperaturen erreicht werden. In der kalten Jahreszeit liegen die vorgeschrieben Temperaturen zwischen 17-20°C. Im Sommer darf die Raumtemperatur 26°C nicht überschreiten, es muss gegebenenfalls gekühlt werden. Für beides - die Erwärmung im Winter und die Abkühlung im Sommer - wird zusätzliche Energie benötigt. Die Verpflichtung zur Kühlung im Sommer steht dabei zusätzlich im Widerspruch zum §3 Abs. 3 des Referentenentwurfes, der ein Verbot zum nachträglichen Einbau von Klimaanlagen vorsieht.

 

Auch eine Grenzwertregelung trägt diesem grundsätzlichen Unterschied zwischen Wohngebäuden im Bestand und Industriegebäuden im Bestand nicht Rechnung. Jedes Industriegebäude ist in Abhängigkeit und Produktion als ein Einzelfall zu betrachten. Grenzwertregelungen sind nur dann ein geeignetes Instrument, wenn die betroffenen Gebäude miteinander vergleichbar sind. Dies ist hier aber gerade nicht der Fall.

 

Vorschlag der UVB

 

Grundsätzlich sollten Gewerbe- und Industriegebäude im Klimaschutzgesetz ausgenommen werden.

  Die Berücksichtigung der Industrie- und Gewerbegebäude könnte im Rahmen der Energieeinsparverordnung (EnEV) erfolgen. Sie ermöglicht eine individuelle Einzelfallbetrachtung. Im Rahmen der EnEV werden sogenannte Energieausweise erstellt, welche ein Gebäude energetisch bewerten. Insbesondere der bedarfsabhängige Energieausweis bietet dabei einen guten Ansatzpunkt, um Informationen über die Energieeffizienz von Gebäuden zu erhalten.

 

Die UVB schlägt vor, dass auf Grundlage der EnEV die Unternehmen in den nächsten 3 Jahren einen bedarfsabhängigen Energieausweis für Produktionsgebäude im Bestand erstellen. Mit diesem Energieausweis ist es dann individuell möglich, die Energieeffizienz des jeweiligen Gebäudes zu bewerten. Gleichzeitig erlaubt dieses Vorgehen einen passgenauen Vergleich mit anderen Gebäuden, da das Verfahren standardisiert ist.

 

Weicht der Primärenergiebedarf des bedarfsabhängigen Energieausweises zu deutlich von einem Vergleichswert ab, sollte entsprechend den Vorgaben der EnEV technologieoffen energetisch saniert werden. Für Härtefälle sollte es eine Ausnahmeregelung geben. Für die Umsetzung dieser Härtefallregelung wäre die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen zuständig. Die EnEV berücksichtigt auch die Wirtschaftlichkeit einer Maßnahme. Als wirtschaftlich gilt eine Maßnahme dann, sofern die Summe der abdiskontierten Investition kleiner ist als die Summe der Einsparungen der Bauteile über die Lebenszeit. (Wirtschaftlichkeitsbegriff der EnEV).

 

FAZIT

 

- Wohngebäude und Industriegebäude sind nicht vergleichbar - jedes Industriegebäude ist ein Einzelfall.

- Grenzwertregelungen sind daher für die Industrie ungeeignet, da die Fälle nicht miteinander vergleichbar sind.

- Jedes Industriegebäude benötigt einen eigenen Energie-Footprint.

- Die bedarfsabhängigen Energieausweise der EnEV stellen einen solchen Energie-Footprint dar.

- Die Industrie wird verpflichtet, in den kommenden 3 Jahren für jedes Produktions- und Industriegebäude einen Energieausweis zu erstellen.

- In Abhängigkeit der Ergebnisse des Energieausweises ergibt sich daraus die Notwendigkeit zur energetischen - technologieoffenen - Sanierung unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit der Maßnahme.

-  Eine solche Lösung wäre passgenau. Die Industrie leistet damit einen substantiellen Beitrag zur CO2-Einsparung, ohne die Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze entscheidend zu gefährden.

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