Unternehmensinsolvenzen in Berlin
30.05.2009
Unternehmensinsolvenzen - 2008 auf dem niedrigsten Stand seit 1994
Investitionsbank Berlin - 8. Mai 2009
Obwohl auch die Berliner Wirtschaft Ende 2008 von der globalen Nachfrageschwäche getroffen wurde, konnte aufgrund des wachstumsstarken ersten Halbjahres für das Gesamtjahr 2008 noch ein reales Wirtschaftswachstum von 1,6% erreicht werden, was sogar über dem bundesdeutschen Wert von 1,3% liegt. Für die kommenden Monate sind die Erwartungen allerdings wenig optimistisch. Sowohl der Anstieg der Arbeitslosigkeit als auch der Rückgang der Erwerbstätigenzahl werden sich auch am Wirtschaftsstandort Berlin fortsetzen und verstärken.
Die zunehmende Verschlechterung der Situation auf dem Arbeitsmarkt - und die damit einhergehenden Belastungen für die verfügbaren Einkommen - dürften den privaten Konsum weiter beeinträchtigen. Die zuletzt positiven Signale für etwas mehr Kauflust wurden durch die anhaltende Unsicherheit hinsichtlich der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise überlagert. Dies belastet das Konsumentenvertrauen weiter.
Auf die Entwicklung der Berliner Unternehmensinsolvenzen im vergangenen Jahr hatte die globale Nachfrageschwäche allerdings noch keinen negativen Einfluss. Mit dem regionalen Aufschwung ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Berlin im vergangenen Jahr auf den niedrigsten Stand seit 1994 gesunken. Meldeten zum Beispiel im Jahr 2000 noch 2.126 Unternehmen ihre Zahlungsunfähigkeit an, so waren es 2008 mit 1.365 Fällen deutlich (-35,8%) weniger.
Allein im vergangenen Jahr verringerte sich die Zahl der Firmenpleiten um 4,4%. Dabei entwickelte sich der Berliner Rückgang im Gleichschritt mit dem Bundesdurchschnitt. Für das Bundesgebiet wurden im vergangenen Jahr von den Amtsgerichten 29.291 Unternehmensinsolvenzen gemeldet, 4,5% weniger als im Jahr zuvor. In Berlin erreichte die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2003 mit 2.161 Fällen ihren bisherigen Höchststand. Mit Ausnahme des Jahres 2007 sank die Zahl der Unternehmensinsolvenzen seitdem zum vierten Mal in Folge gegenüber dem jeweiligen Vorjahr. Mit der Einführung der „Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2008 (WZ2008)" seit Januar 2008, sind Vorjahresvergleiche für die Wirtschaftsbereiche allerdings nur bedingt aussagekräftig.
Auch die Zahl der Verbraucherinsolvenzen ist 2008 im Vergleich zum Vorjahr erstmals seit der Insolvenzordnung von 1999 deutlich gesunken. Die Berliner Amtsgerichte haben insgesamt 4.389 Verbraucherinsolvenzen verzeichnet. Das sind 27,1% weniger als noch 2007.
Überdurchschnittliche Rückgänge bei Einzelunternehmen und Kapitalgesellschaften
Bei der Betrachtung der Unternehmensinsolvenzen nach Rechtsformen konnte bei den Einzelunternehmen mit 377 Zusammenbrüchen (-8,7%; Anteil: 27,6%) ein überdurchschnittlicher Rückgang beobachtet werden. Die Insolvenzen von Kapitalgesellschaften gingen im vergangenen Jahr ebenfalls überdurchschnittlich um 5,8% auf 746 (Anteil: 54,7%) zurück.
Da sich die Insolvenzen gerade bei den jungen und eher kleinen Firmen häufen, sind von den zahlungsunfähig gewordenen Firmen mehr als die Hälfte (57%) noch in der Anfangsphase gescheitert; die Betriebe waren noch keine acht Jahre am Markt. Knapp ein Drittel (30%) der Unternehmen musste bereits vor dem dritten Jahr aufgeben. Zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags beschäftigten die angeschlagenen Firmen zusammen noch rund 5.503 Arbeitnehmer (Vorjahr: 4.361).
Die meisten Zusammenbrüche im Handel
Die insgesamt angemeldeten Forderungen haben sich 2008 mit 2,26 Mrd. EUR gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt. Mit 252 Fällen (-0,8%) betrafen die meisten Zusammenbrüche erneut den Wirtschaftsbereich „Handel" mit 313,9 Mio. EUR Gläubigerforderungen (Anteil: 18,5% bzw. 13,9%), gefolgt vom Baugewerbe (Anteil: 15,1% bzw. 2,4%) mit 206 Zusammenbrüchen (-12,3%) und Zahlungsverpflichtungen von 54,2 Mio. EUR. Im Wirtschaftsbereich „Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen" wurden 176 Unternehmen (-15,8%) mit 554,5 Mio. EUR Schulden registriert (Anteil: 12,9% bzw. 24,5%), gefolgt von den „Sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen" mit 119 Zusammenbrüchen und einem voraussichtlichen Forderungsvolumen von 34,0 Mio. EUR. Die meisten Forderungen in Höhe von 708,5 Mio. EUR wurden bei 170 Insolvenzen (+28,8%) im Sektor „Grundstücks- und Wohnungswesen" ermittelt (Anteil: 31,3% bzw. 12,5%).
Wie in den Vorjahren konzentrierten sich die Unternehmensinsolvenzen somit auch im Jahr 2008 auf den Handel, das Baugewerbe und die unternehmensnahen Dienstleister, die zusammen rund 68% der Konkurse und 74% des Forderungsvolumens ausmachen. Auf die Insolvenzen im Verarbeitenden Gewerbe entfällt hingegen nur noch ein Anteil von 4,5% bzw. 13,9% hinsichtlich der voraussichtlichen Forderungen.
Charlottenburg-Wilmersdorf mit 306 Verfahren am stärksten betroffen
Hohe Insolvenzquote im Bausektor
Nicht nur die Entwicklung der absoluten Anteile einzelner Wirtschaftszweige deutet auf die besonders hohe Betroffenheit des Bausektors hin. Auch ein Blick auf die Insolvenzintensität (Anzahl der Insolvenzen pro 10.000 Unternehmen) signalisiert die Instabilität der Branche: Insgesamt 192 von 10.000 Unternehmen der Berliner Baubranche mussten 2008 (2007: 219) Konkurs anmelden, während die durchschnittliche Insolvenzquote aller Branchen in Berlin 2008 nur bei 120 (2007: 126) lag. Die etwas bessere Baukonjunktur hat sich somit 2008 im Vorjahresvergleich zwar positiv auf das Insolvenzgeschehen niedergeschlagen, im Vergleich mit der durchschnittlichen Insolvenzquote aller Branchen ist sie jedoch noch immer zu hoch. Eine unterdurchschnittliche Insolvenzhäufigkeit mit 111 Fällen (2007: 105) weisen dagegen die Berliner unternehmensnahen Dienstleister auf. Insolvenzgefährdet sind hier vor allem baunahe Dienstleister, die noch immer unter der Anspannung in der Berliner Bauwirtschaft zu leiden haben.
Dagegen sind die vom Tourismus begünstigten Branchen Gastgewerbe und Handel mit Insolvenzquoten von 108 (2007: 146) bzw. 109 (2007: 110) als deutlich unterdurchschnittlich insolvenzgefährdet einzustufen, ebenso wie das Verarbeitende Gewerbe mit einer Insolvenzquote von 116 (2007: 133). Die Berliner Industrie, die in den vergangenen Jahren durch umfangreiche Investitionen ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhte, scheint die schwierigste Phase überwunden zu haben.
Höhere Verluste aus Insolvenzen
Ausblick 2009
Die konjunkturelle Talfahrt der Weltwirtschaft hat sich in den ersten Monaten 2009 deutlich beschleunigt. Auch die Schwellen- und Entwicklungsländer konnten sich den negativen Einflüssen nicht mehr entziehen, so dass die gesamte Weltwirtschaft eine erhebliche konjunkturelle Abkühlung zu verzeichnen hat. Diese starken Belastungen haben sich ausgesprochen rasch auch auf die Berliner Industrie übertragen und zogen überdies den heimischen unternehmensnahen Dienstleistungsbereich, den Tourismus, den Einzelhandel und das Gastgewerbe in Mitleidenschaft.
Besonders betroffen von den Orderrückgängen waren die Industriebranchen Chemie, Maschinenbau, Metall, Elektrotechnik, Fahrzeugbau sowie das Papier- und Druckgewerbe. Auch für die nächsten Monate rechnen die Berliner Industriefirmen mit weiter rückläufigen Bestellungen.
Vor dem Hintergrund der wirtschaftlich schwierigen Entwicklung zum Jahresanfang 2009 wurden von den Berliner Amtsgerichten für Januar ein Drittel mehr Unternehmensinsolvenzen gemeldet als im entsprechenden Vorjahresmonat. Die angemeldeten Forderungen verdoppelten sich sogar und beliefen sich auf insgesamt 880 Mio. EUR. Wie in den Vorjahren konzentrierten sich die Unternehmensinsolvenzen auch im Januar 2009 auf die unternehmensnahen Dienstleister, den Handel und das Baugewerbe, die zusammen rund 73% der Konkurse ausmachen. Auf Insolvenzen im Verarbeitenden Gewerbe entfällt hingegen nur noch ein Anteil von 2,1%.
Aufgrund eines statistischen Basiseffektes war die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Februar 2009 mit 120 allerdings um 25,0% rückläufig. Dadurch verringerte sich die Zahl der Firmenzusammenbrüche im Zeitraum Januar bis Februar um 1,9%.
Alles in allem ist vorerst davon auszugehen, dass die negativen Tendenzen in den nächsten Monaten anhalten. Vor diesem Hintergrund muss für 2009 mit einem Rückgang des Berliner Bruttoinlandsprodukts von etwa 3 bis 4% gerechnet werden. Neue Hiobsbotschaften aus der Finanzwirtschaft, die weitere Insolvenzen, massive Wertberichtigungen und eine Verschärfung der Kreditsituation verursachen könnten, dürften die Wirkungen des Konjunkturpakets zumindest teilweise kompensieren und die negativen Tendenzen auch in Berlin verstärken. Bei weiterer Schrumpfung der Indikatoren könnte sich dann für 2009 auch ein stärkerer Rückgang des Berliner Bruttoinlandsprodukts ergeben. Als Folge der Konjunktureintrübung wird sich auch die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in den kommenden Monaten weiter erhöhen. Für das gesamte Jahr 2009 wird mit einer Zunahme um etwa 12% auf dann insgesamt rund 1.530 Firmenzusammenbrüchen gerechnet.
Herausgeber: Investitionsbank Berlin - Volkswirtschaft - Hartmut Mertens, Telefon 030 / 21 25 47 38
Kompletter Bericht mit Tabellen hier zum Download
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