Krise in Berlin angekommen - aber gedämpfter Optimismus
24.06.2009
IHK Berlin: Konjunkturbericht
Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage Jahresmitte 2009
Die Lage der hauptstädtischen Wirtschaft, die mit einer gehörigen Portion Pessimismus in das Jahr 2009 gestartet war, bleibt auch zur Jahresmitte weiter angespannt. Der Konjunkturklimaindex, der die Lageeinschätzungen und Zukunftserwartungen der Unternehmen abbildet, steigt aktuell nur minimal auf 88 Punkte und verharrt damit in etwa auf dem Niveau vom Jahresbeginn (87), als der Indikator den niedrigsten Stand seit Frühsommer 2003 erreicht hatte. Die Geschäftsklimaindikatoren in den einzelnen Branchen entwickeln sich unterschiedlich. Deutliche Verbesserungen sind im Groß- und Einzelhandel sowie in der Bauwirtschaft zu verzeichnen. Der Index in der Dienstleistungsbranche bleibt in etwa konstant, während Touristik, Industrie und vor allem das Gastgewerbe Einbußen hinnehmen müssen.
Der bereits zu Jahresbeginn zu beobachtende Zukunftspessimismus schlägt sich nun in den Einschätzungen zur Geschäftslage nieder. Aufgrund der bestehenden großen Unsicherheiten in Bezug auf die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft und insbesondere der Finanzmärkte ist aber auch bei einer Stabilisierung noch in diesem Jahr ein rascher Wirtschaftsaufschwung in Berlin nicht zu erwarten. Einige Konjunkturstützungsmaßnahmen werden zwar in den kommenden Wochen und Monaten umgesetzt und geben dann weitere Impulse. Die Unternehmen werden aber die Beschäftigung weiter an das gesunkene Produktionsniveau anpassen, was die Erholung von Einkommen und privatem Konsum dämpfen wird.
Demgegenüber könnten die Entlastungen durch die nachlassende Teuerung in den kommenden Monaten der Binnennachfrage zugute kommen. Tritt die erhoffte Stabilisierung der Weltwirtschaft ein, wird der Rückgang der Exporte gestoppt. Die zu erwartende rückläufige Beschäftigung wird sich negativ auf die Kaufkraft und den privaten Verbrauch auswirken. Diesem negativen Effekt wirken steigende Reallöhne und Transferleistungen entgegen.
Geschäftslage erstmals seit vier Jahren wieder im negativen Bereich
Die Einschätzungen der Unternehmen zur ihrer aktuellen Geschäftslage verschlechtern sich im Vergleich zur Vorumfrage und liegen erstmals seit vier Jahren per Saldo wieder im negativen Bereich (von 6 Prozentpunkten zum Jahresbeginn 2009 auf aktuell -0,5 Punkte). Knapp 23 Prozent der Befragten schätzen ihre aktuelle Lage als gut ein, während etwas mehr als 23 Prozent eine negative Lageeinschätzung abgeben. Immerhin gut 50 Prozent der Unternehmen sind mit ihrer derzeitigen Lage zufrieden.
Das Lagebild in den Branchen ist gespalten. Vor allem Gastgewerbe, Touristik und Industrie geben eine deutlich pessimistische Lageeinschätzung ab. Im Gastgewerbe hat sich die Stimmung dabei innerhalb weniger Monate gedreht. Sprachen im Januar 2009 noch 40 Prozent der Unternehmen von einer guten Geschäftslage, stürzt dieser Anteil aktuell auf nur noch 15 Prozent. Der Saldo aus guten und schlechten Lageeinschätzungen erreicht aktuell -36 Punkte (nach knapp +30 Punkten zum Jahresbeginn). 84 Prozent der Unternehmen der Branche berichten von Umsatzrückgängen.
Ein Grund hierfür ist die im Vergleich zur Vorumfrage stark gesunkene Zimmerauslastung. Auch die von der Wirtschaftskrise getroffene Industrie verliert weiter an Schwung. War die Lageeinschätzung der Berliner Industrie zum Jahresbeginn noch durchaus positiv, erreicht der Saldo aus guten und schlechten Lageurteilen in der aktuellen Umfrage -24 Prozentpunkte und damit den nach dem Gastgewerbe schlechtesten Wert. Mit Ausnahme der chemischen und pharmazeutischen Industrie zieht sich die negative Lageeinschätzung dabei durch alle Industriebranchen. Den Angaben der Unternehmen zufolge scheinen insbesondere die Auftragseingänge weiter einzubrechen. Nur noch zwölf Prozent der Berliner Industrieunternehmen berichten von gestiegenen Ordereingängen, 56 Prozent mussten dagegen Rückgänge hinnehmen. Außerdem haben sich sowohl Kapazitätsauslastung als auch Ertragslage der Unternehmen weiter verschlechtert.
Demgegenüber zeigen sich insbesondere das Baugewerbe und die Dienstleister mit ihrer aktuellen Lage zufrieden. Wie schon in der Vorumfrage schätzen die Berliner Bauunternehmen insgesamt ihre aktuelle Lage als gut ein. Nur neun Prozent sprechen momentan von einer schlechten Geschäftslage. Diese gute Lageeinschätzung dürfte auch mit dem Konjunkturpaket II zusammenhängen. In diesem Zusammenhang wollen die Berliner Senats- und Bezirksverwaltungen ab Juni erste Investitionsmaßnahmen ausschreiben. Hiervon dürfte nicht zuletzt das hauptstädtische Baugewerbe profitieren. Auch die hauptstädtischen Dienstleister sind mit ihrer aktuellen Lage im Großen und Ganzen zufrieden, wobei allerdings große Unterschiede bei den Einschätzungen der verschiedenen Dienstleistungsbranchen bestehen. Sehr positiv gestimmt zeigen sich die IT-Dienstleister, während die Unternehmen im Bereich Verkehr und Lagerei mit ihrer aktuellen Lage überhaupt nicht zufrieden sind.
Geschäftserwartungen von großer Unsicherheit geprägt
Da Folgen und Dauer der Finanz- und Wirtschaftskrise noch nicht absehbar sind, besteht bei den Berliner Unternehmern nach wie vor große Unsicherheit. In allen Wirtschaftsbereichen überwiegen die pessimistischen Geschäftserwartungen bei weitem die optimistischen. Insgesamt hellen sich die Zukunftserwartungen der Berliner Wirtschaft ganz leicht auf. Der Saldo aus besseren und schlechteren Zukunftserwartungen steigt von -28 Punkten zum Jahresbeginn 2009 auf aktuell -23 Punkte.
Optimistischere Erwartungen herrschen vor allem in den Branchen, die sich Impulse aus den staatlichen Maßnahmenpaketen erhoffen, vor. Insbesondere das Baugewerbe blickt aktuell deutlich positiver als noch vor einigen Monaten in die Zukunft. Auch im Handel hellt sich die Stimmung zusehends auf, der Saldo aus positiven und negativen Erwartungen verbessert sich um 15 Punkte. Von den einzelnen Handelsbranchen blickt aber insbesondere der KfZ-Handel noch mit großer Skepsis in die Zukunft. Die Angst vor dem Auslaufen der durch die staatliche "Abwrackprämie" erzeugten Sonderkonjunktur dürfte hierbei eine Rolle spielen. Auch in der Industrie fallen die Geschäftserwartungen besser als noch zu Jahresbeginn aus, der Erwartungssaldo verbessert sich um zehn Punkte.
Optimistisch zeigt sich unter den wichtigsten Industriebranchen vor allem das Ernährungsgewerbe, während der Maschinen- und Fahrzeugbau überwiegend pessimistisch in die Zukunft blickt. Bei den Dienstleistungsunternehmen ist der Anteil derer, die eine Verschlechterung ihrer Geschäftslage erwarten, doppelt so groß wie der Anteil der Optimisten. Vor allem die Untergruppe Verkehr und Lagerei blickt sehr skeptisch in die Zukunft. Deutlich mehr als die Hälfte der Unternehmen erwarten zukünftig eher schlechtere Geschäfte. Sehr positiv gestimmt zeigen sich dagegen Immobilienwirtschaft und Personendienstleister.
Anstieg der Arbeitslosigkeit in den kommenden Monaten im Vorjahresvergleich erwartet
Die insgesamt gegenüber dem Jahresbeginn leicht verbesserten Zukunftserwartungen schlagen sich auch in den Beschäftigungsplänen der Unternehmen nieder, die sich ausgehend von einem niedrigen Niveau verbessert haben. Der Saldo aus zunehmenden und abnehmenden Beschäftigungsplänen liegt zwar noch immer klar im negativen Bereich, er legt jedoch von -19 Prozentpunkten zum Jahresbeginn auf aktuell -9 Punkte zu.
Aktuell (Mai 2009) liegt die Arbeitslosenquote in der Hauptstadt bei 14 Prozent. Der Berliner Arbeitsmarkt zeigt sich damit noch recht robust, der Anstieg der Arbeitslosenzahlen war bislang schwächer als befürchtet. Dennoch werden die Unternehmen - den Ergebnissen der aktuellen Befragung zufolge - ihre Belegschaft weiter an das gesunkene Produktionsniveau anpassen müssen. Dies wird bis zum Herbst voraussichtlich zu einem kräftigen Anstieg der Arbeitslosenzahlen in Berlin führen.
Viele Unternehmen versuchen, in dieser Situation mit dem Instrument des Kurzarbeitergeldes die schlechte Auftragslage zu überbrücken. Mit zunehmender Dauer und Tiefe der Krise wird aber auch das Kurzarbeitergeld einen Beschäftigungsabbau nicht immer verhindern können.
In den einzelnen Branchen scheint insbesondere im Gastgewerbe und in der Industrie ein größerer Stellenabbau unvermeidlich zu sein. Nur noch knapp zehn Prozent der Industriebetriebe planen für die kommenden Monate eine Aufstockung ihrer Belegschaft. 37 Prozent gehen dagegen davon aus, ihren Personalbestand verkleinern zu müssen. Die größten Einschnitte bei den einzelnen Industriebranchen sind dabei in der Elektrotechnik zu erwarten. Noch härter trifft es das Gastgewerbe, wo fast 50 Prozent der befragten Unternehmen Stellenstreichungen planen.
Investitionsausgaben: positive Trendwende?
Der Investitionssaldo aus zunehmenden und abnehmenden Investitionsplänen liegt nach wie vor im negativen Bereich. Dennoch zeichnet sich auch hier - ähnlich den Zukunftserwartungen und den Personalplänen der Unternehmen - eine Trendwende ab. Insgesamt werden die Investitionspläne der Unternehmen deutlich nach oben revidiert. Der Saldo aus zunehmenden und abnehmenden Investitionsplänen verbessert sich gegenüber der Vorumfrage klar von -28 auf nunmehr -14 Prozentpunkte. Insgesamt werden die Unternehmen angesichts der verschlechterten Absatz- und Ertragslage sowie der gedrückten Auslastung ihre Investitionen also weiter reduzieren. Der starke Rückgang der Investitionsausgaben, der noch in den Vorumfragen erkennbar war, schwächt sich ab.
In den einzelnen Branchen bewegen sich die Investitionspläne durchgängig im negativen Bereich. Insbesondere Gastgewerbe und Industrie planen in den kommenden Monaten mit reduzierten Investitionsbudgets. Vor allem bei den metallverarbeitenden Betrieben sind Investitionskürzungen zu erwarten, während die chemische und pharmazeutische Industrie ihre Investitionsausgaben per Saldo erhöht. Im Gastgewerbe geht nur jeder zehnte Unternehmer von höheren investiven Ausgaben aus, während 45 Prozent einen Rückgang erwarten. Trotz der zu erwartenden Aufträge aus dem Konjunkturpaket II sind die Investitionsabsichten auch im Baugewerbe negativ. Der Investitionssaldo verbessert sich jedoch um rekordverdächtige 30 Punkte.
Außenhandel wird in den kommenden Monaten kaum Wachstumsimpulse liefern können
Nachdem der Export schon durch die Euro-Aufwertung bis zum Sommer letzten Jahres gedrückt worden war, schlägt nun mehr und mehr die Weltwirtschaftskrise durch. Gegen den Trend (Verbesserungen bei allen Zukunftsindikatoren: Geschäftserwartungen, Investitions- und Beschäftigungspläne) verschlechtern sich die Exporterwartungen der Berliner Industriebetriebe weiter. Der Saldo aus zunehmenden und abnehmenden Exporterwartungen fällt von 21 Prozentpunkten zum Jahresbeginn auf aktuell -22 Punkte.
Insbesondere der Maschinen- und Fahrzeugbau sowie die metallverarbeitende Industrie gehen von weiter fallenden Exporten aus. Weniger pessimistisch gestimmt sind das Papier- und Druckgewerbe sowie die chemische und pharmazeutische Industrie.
Insgesamt ist jedoch auch bei den Exporten eine Bodenbildung erkennbar, die dramatischen Rückgänge der vergangenen Monate, für die 51 Prozent der befragten Industriebetriebe ein rückläufiges Auslandsgeschäft zu vermelden hatten, scheinen gestoppt. Zudem ist davon auszugehen, dass die Einbrüche im Welthandel und damit im Exportgeschäft die Berliner Wirtschaft aufgrund ihrer im Bundesvergleich geringen Abhängigkeit vom Auslandsgeschäft weniger stark treffen werden.
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Quelle: Konjunkturbericht. Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage Jahresmitte 2009. IHK Berlin
24.6.2009 Berliner Morgenpost: IHK-Konjunkturbericht
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24.6.2009 Der Tagesspiegel: Nebel in der Hauptstadt
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24.6.2009 Berliner Zeitung: Staatsgeld im Berliner Behördenstau
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