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Es fehlt die gesellschaftliche Debatte

07.05.2014

Es fehlt die gesellschaftliche Debatte

Hubert Weiger zieht eine Zwischenbilanz der "Nachhaltigen Wissenschaft"

Der Vorstoß des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) mit seinem Memorandum für eine "Nachhaltige Wissenschaft" 2012 hat zwar gewisse Wirkungen gezeitigt, aber nach Ansicht von BUND-Vorsitzendem Hubert Weiger nicht in erforderlichem Umfang. Derzeit verfolgten "weniger als fünf Prozent" der Hochschulen in Deutschland einen umfänglichen Kurs der Nachhaltigkeit und Transformation in Lehre und Forschung. "Selbstkritisch gesagt, ist es bisher nicht gelungen, eine große gesellschaftliche Debatte in Gang zu setzen", sagte Weiger im Gespräch mit der Transformationszeitung. "Wir haben eine partiell hochschulinterne Debatte, aber es ist keine gesellschaftliche Debatte", stellte Weiger fest.

(Foto: Hubert Weiger, MR)

 

Weiger: "Die Debatte, die wir angestossen haben, ist eine Debatte von außen. Sie wird von vielen mißtrauisch betrachtet, als Einmischung in die Freiheit und von Forschung und Lehre. Was eben fehlt - und das ist die zentrale Erkenntnis - ist die Debatte von innen. Deswegen sind die Hochschulen der nächste zentrale Handlungsort. Wir brauchen einen neuen Aufbruch an den Hochschulen selbst. Das ist die Studentenschaft gefordert, aber auch die Lehrenden, dass sie sich hier aktiv mit einbringen Wobei wir natürlich wissen, dass sich durch die Verschulung an den Hochschulen die Freiheitsgrade, sich engagieren zu können, geringer geworden sind."

Auf der Jahrestagung des BUND im November in Bad Hersfeld sei diese stärkere Orientierung auf die Hochschulen besprochen worden. Uwe Schneidewind hielt dazu ein Hauptreferat. Die gemeinsame Tagung mit der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde im Januar sollte dies konkretisieren.

Die Diskussionspunkte, die aus Sicht Weigers bei der Eberswalder Tagung von zentraler Bedeutung waren, sind diese zwei:
"Erstens: Wo stehen wir, was muss politisch passieren? Wir müssen es erreichen, dass unser Anliegen einer nachhaltigen Wissenschaft viel stärker von der Politik wahrgenommen wird und dass dies auch im Zusammenhang mit der Energiewende-Debatte einen anderen Stellenwert bekommt.
Zweitens: Wir müssen uns selbst viel stärker in den Hochschulen engagieren und unsere Themen über die Studentenschaft wie an einzelnen Hochschulen die Professorenschaft einbringen. Denn die Verbände, die Umweltorganisationen, schaffen das alleine nicht."

Um dies zu erreichen, gebe es sowohl Gespräche mit politischen Instanzen, etwa den Fachausschüssen des Bundestages und den Ministerien. Zugleich habe der BUND für seine Aktiven im Wissenschaftsbereich einen neuen Beirat eingerichtet, der von Rudi Kurz geleitet wird. Nicht zuletzt wurde eine kleine Initiative entfaltet, mit entsprechenden Hochschulen, die in diesem Bereich ausbilden, eine Verbesserung der Nachhaltigkeitskommunikation zu befördern.

Wie weiter mit der "Forschungswende"?

Zur "Zivilgesellschaftlichen Plattform Forschungswende", die am 7. Mai in Berlin ihre Abschlusskonferenz veranstaltet, vertrat Weiger die Auffassung:
"Es ist zunächst positiv, dass es überhaupt eine Plattform Forschungswende gibt, auch in ihrer Breite. Wir müssen einfach erkennen, dass wir ohne eine solche zivilgesellschaftliche Plattform keine Chance haben, verkrustete Strukturen aufzubrechen. Was aber fehlt, ist eine Finanzierung, damit diese in der entsprechenden Breite und Intensität wirken kann. Hier wird sehr viel nach wie vor ehrenamtlich gemacht. Das heißt, die Forschungswende sollte nicht nur ein Projekt sein, sondern eine Daueraufgabe, wenigstens für die nächsten zehn Jahre. Vielleicht kann man es später reduzieren, wenn vieles dann selbstverständlich geworden ist, was heute noch nicht vorstellbar ist. Aber bis dahin braucht es entsprechenden Strukturen, Personal und Finanzen."

Über eine zweite Förderphase für die Forschungswende - die bisher über die Verbändeförderung des BMU finanziert wurde - wird derzeit beraten (Haushaltssperre wegen ausstehendem Bundeshaushalt). Weiger kündigte auch eine "Grundsatzdebatte im Rat für Nachhaltige Entwicklung" an, dem er ebenfalls angehört.

Auf die Frage der Transformationszeitung, ob die Forschungswende nicht zu schmalbandig agiere, wenn sie nur auf NGOs orientiere, aber nicht auf gesellschaftliche Breitenwirkung, antwortete Weiger: "Das ist genau der bisherige Schwachpunkt".

Hier brachte der BUND-Vorsitzende den Horizont ein, den der Transformationskongress vor zwei Jahren erreicht hatte. Es fehlten in der jetzigen Debatte über Nachhaltige Wissenschaft "entscheidende gesellschaftliche Kräfte, es fehlen zum Beispiel Gewerkschaften, es fehlt die kritische Wirtschaft, gerade die Unternehmen, die mehr denn je auf Forschungsergebnisse staatlicherseits angewiesen ist, und es fehlen die Kirchen. Von daher ist das die nächste Aufgabe."

Manfred Ronzheimer für die Transformationszeitung

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www.forschungswende.de

 

Bericht zur Eberswalde-Konferenz: http://www.taz.de/!131616/

ZN9889f

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