Neues Bürgerwissen Nr.1
19.07.2014
Neues Bürgerwissen Nr.1
Nachrichten zum Thema Citizen Science (Woche 29)
Inhalt
1 Die Forschungspolitik und Citizen Science
2 Chancen und
Möglichkeiten aus Sicht der Wissenschaft
3 Peter Finke im Spiegel
4
Citizen Science in Europa
5 Alle Projekte auf der Internet-Plattform
Die Forschungspolitik und Citizen Science
Die Veranstaltung zum GEWISS-Start am 8.7.2014 in der Berliner Kalkscheune hatte zwei wichtige Funktionen. Zum einen nach innen gerichtet ging es um die Schärfung des Selbstverständnisses der Citizen Science-Akteure und die Konturierung ihrer nächsten Arbeitsschritten. Zum zweiten war nach außen gerichtet das Committment der offiziellen Forschungspolitik von Bedeutung. Erstmals nahm mit MinDir Matthias Graf Kielmannsegg ein ranghoher Beamter aus dem BMBF zum Thema Stellung und erklärte seine Bedeutung für das Wanka-Haus. Zugleich gaben die beiden großen Forschungsorganisationen Helmholtz- und Leibniz-Gemeinschaft in Person ihrer Vize- bzw. Präsidenten (Heike Wolke, HGF, Matthias Kleiner, WGL) den offiziellen Segen und begründeten, warum sie sich als Spitzenorganisationen der deutschen Forschung überhaupt mit Laien zusammentun.
MinDir Matthias Graf Kielmannsegg, seit Februar 2014 im BMBF für
strategische Fragen zuständig, bezeichnete es als Ziel der Forschungspolitik
seines Hauses, die Wissenschaft für die Bürger zugänglicher zu machen und
Schranken dazwischen abzubauen. Auch wenn mitunter noch an Wissenschaft mit
Bürgerbeteiligung die Frage gestellt werde "Ist das noch ernsthafte
Wissenschaft?", liege aus Sicht der BMBF im Trend Citizen Science "eine große
Chance für Bürger wie für die Wissenschaft". Dies impliziere auch neue Formen
der Kommunikation zwischen beiden Seiten. "Das wird Anstrengung bedeuten". Es
gehe um eine Verbesserung der Debattenkultur und einen stärker rationalen
Diskurs "zwischen den getrennten Welten" der Wissenschaft und der Gesellschaft.
Kielmannsegg verwies an dieser Stelle auf den Streitpunkt der "Grünen
Gentechnik", ließ aber offen, ob dieses heute für Deutschland politisch
verbrannte Forschungsfeld mit einer "neuen Debattenkultur" doch irgendwie hätte
erhalten werden können.
Der BMBF-Mann sprach von einem "grundsätzlichen
Wandel hin zur Partizipation", dem sich auch die Forschungspolitik stellen
müsse. "Die Menschen wollen mitreden", stellte Kielmannsegg fest. Deshalb
brauche es neue Instrumente wie Citizen Science, deren Entwicklung sein Haus
darum unterstütze. "Kulturwandel in der Partizipation", "Wandel in der
Transferkultur" - fortgesetzt klingelten die Change-Metaphern in der Rede des
BMBF-Strategen. Allesamt mit der zentralen Intention, die "Sprechfähigkeit"
zwischen den Partnern zu erhalten, sogar zu verbessern. Dass dies auch
Veränderungen auf Seiten des Wissenschaftssystems mit sich bringen wird, ließ er
bei einer kurzen Bemerkung zu politischen gewünschten "Missionsorientierung" der
Forschung durchblicken, also der Verpflichtung zur Lösung großer
gesellschaftlicher Herausforderungen wie etwa dem Klimawandel. Dieser
"Knackpunkt" - der nicht nur andere Kommunikationsformate zwischen Wissenschaft
und Gesellschaft erfordert, sondern eine andere Selbstdefinition von
Wissenschaft in der Gesellschaft - wurde später in den Workshops teilweise
vertiefend angeschnitten.
Das BMBF fördert das GEWISS-Projekt vom 1.5.2014 bis 30.4.2016 für die Dauer von zwei Jahren mit 550.000 Euro (an UFZ/MfN). Hinzu kommt die Förderung der Internet-Plattform www.buergerschaffenwissen.de (bei MfN und WID) mit 240.000 Euro für drei Jahre.
Weitere Informationen zum Workshop hier bei InnoMonitor
Hier ein Kurzbericht von der Kalkscheune selbst
Chancen und Möglichkeiten aus Sicht der Wissenschaft
Im Hauptvortrag des Vormittags gab der Generaldirektor des Naturkundemuseums, Johannes Vogel, vor dem Hintergrund seiner britischen Erfahrungen und seiner Funktionsträgerschaft als ECSA-Präsident Einblick in die internationale Entwicklung der Bürgerwissenschaft. Vogel ist die treibende Kraft der Citizen Science-Bewegung in Deutschland. Vor seinem Berliner Amt war er Botanik-Kurator am legendären Londoner Natural History Museum, und baute dort die Citizen Science-Abteilung von null auf 14 Mitarbeiter aus. "Demokratie braucht wissenschaftlich sprechfähige Bürger" ist Vogels Credo, und aus seiner Tätigkeit im nicht unumstrittenen deutschen Bioökonomierrat wisse er: "Wir müssen die Menschen bei neuen wissenschaftlichen Richtungen mitnehmen und Teilhabe gewährleisten". Den Umfang der Wissenschafts-Interessierten in Deutschland schätzte Vogel auf der Gewiss-Tagung auf die Hälfte der Bevölkerung. Davon seien drei bis fünf Prozent für eine engere Kooperation mit Wissenschaftler zu gewinnen, ein Prozent seien es derzeit.
Was ist Bürgerwissenschaft / Citizen Science?
Die
"Arbeitsdefinition" in der Konferenzmappe definiert darunter "Aktivitäten von
Bürgern, die aktiv zur Vermehrung von wissenschaftlicher Erkenntnis beitragen".
Dies geschehe "in Kooperation mit etablierten wissenschaftlichen Einrichtungen ...
unter Einbeziehung einer breiten Öffentlichkeit bis hin zu gezielter
Zusammenarbeit mit spezifischen Interessensgruppen".
Als "Ziele" dieses Ansatzes werden drei Punkte genannt:
(1) "Aktive
Partizipation von Bürgern in wissenschaftlichen Prozessen, vom erhöhten
Potenzial zur Datenaufnahme und -aufbereitung bis zur aktiven Beteiligung bei
der Konzeption und dem Design von Forschungsstudien."
(2) "Steigerung des
Verständnisses, der Akzeptanz sowie der Mitsprachemöglichkeiten und
Umsetzungspotenziale für Forschung in der Gesellschaft."
(3) "Stärkung der
Wissenschaft durch Nutzung von in der Bevölkerung vorhandenem Wissen und
Kapazitäten und Einbringen von neuen Sichtweisen, Informationen und
Erkenntnissen sowie neuen Partnerschaften."
Mit anderen Worten:
Co-Production und Co-Design in Punkt 1, PUSH und Transfer Richtung Gesellschaft
in Punkt 2, Laienwissen bessert Profiwissen in Punkt 3 (der kritischste
Punkt).
Das Konsortium GEWISS
Das BMBF GEWISS Bausteinprogramm zur
Entwicklung von Citizen Science Kapazitäten in Deutschland ist ein
Konsortium-Projekt von Einrichtungen der Helmholtz- und der Leibniz-Gemeinschaft
und ihrer universitären Partnern: Deutsches Zentrum für integrative
Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig | Helmholtz-Zentrum für
Umweltforschung (UFZ) | Friedrich-Schiller-Universität Jena |
Berlin-Brandenburgisches Institut für Biodiversitätsforschung (BBIB) | Museum
für Naturkunde Berlin (MfN) | Leibniz-Institut für Gewässerökologie und
Binnenfischerei (IGB) | Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) |
Freie Universität Berlin | Leibniz Forschungsverbund Biodiversität (LVB).
Zitate von Vogel in diesen Artikeln:
Video auf Youtube:
Jeder hat das Zeug zum Forscher!
Johannes
Vogel zur Citizen Science-Plattform Bürger schaffen Wissen
https://www.youtube.com/watch?v=LnPcqCndlyI
Der Tagesspiegel, 02.02.2012
Jeder
ist ein Wissenschaftler - Johannes Vogel, der neue Chef des Berliner
Naturkundemuseums, möchte Bürger zu Forschern machen. Die Idee hat er aus
Großbritannien mitgebracht.
Helmholtz-Online, 16.04.2014
Citizen Science - Die Experten von nebenan
FAZ, 09.07.2014
Wenn
Laien nach den Sternen greifen
Plötzlich sammeln Laien Daten und stellen
Fragen: Die Beteiligung normaler Bürger an Forschungsprojekten ist in der
Wissenschaft gerade groß in Mode. Eine Revolution im Elfenbeinturm?
(Die
gleiche Autorin wie im März bei Helmholtz)
Finke im Spiegel: "Bürgerwissenschaften: Den letzten Rest Anarchie erhalten"
DER SPIEGEL bringt in seiner Ausgabe Nr. 29 vom 14.7.2014 auf Seite 103 in der Rubrik Wissenschaft ein Kurzinterview mit dem Bielefelder Wissenschaftstheoretiker Peter Finke über das Projekt "Gewiss", das die Laienforschung vorantreiben soll. Das Interview erscheint in der Woche nach dem "Gewiss"-Workshop, der als Anlaß erwähnt, aber inhaltlich nicht ausgeführt wird. Finke nahm an dem Workshop nicht teil. Vier Fragen werden Finke gestellt. Auf die Frage, ob die deutschen Hobbyforscher durch das "Gewiss"-Projekt "nun endlich Anerkennung" erhalten, antwortet er: "Leider nicht. Die Fördergelder gehen an Profiwissenschaftler, die sich Projekte ausdenken dürfen, für die sie dann die Bürger ehrenamtlich Daten sammeln lassen". Weiter kritisiert Finke, dass mit dem "Gewiss"-Projekt "eine Steuerung von oben erfolgen" solle. Das widerspreche dem Wesen der Bürgerwissenschaften. Diese seien "ein Gegenbild zu dem, was die Berufswissenschaft macht. Sie sind der letzte Rest anarchischer Forschung, die nicht von den Interessen von Politik oder Wirtschaft bestimmt ist". Hier werde in verschiedenen Bereichen von Menschen "hervorragende, selbst organisierte Forschung" betrieben. Finke: "Das ist eine Welt, die vielen meiner Professorenkollegen völlig unbekannt ist". Als Beispiele führt er an: "Diese Forschung ist praxisnah und relevant und deckt viele Bereiche ab - von Botanik über Geschichte bis zu Wirtschaftswissenschaften". (Zur Bürgersprache) Im gesamten Interview taucht der Begriff "Citizen Science" kein einziges Mal auf. Die Fragen stellte jko (Julia Koch), die bereits im September 2013 einen Bericht verfasst hatte: "Prof. Dr. Jedermann - Wissenschaftler bitten interessierte Bürger um Mithilfe bei Großprojekten"
Zu Finkes Buch: „Citizen Science. Das unterschätzte Wissen der Laien"
Citizen Science in Europa
Green paper on Citizen Science for Europe:
Towards a society of
empowered citizens and enhanced research
21/01/2014 - This Green Paper
aims to foster the interaction between the Citizen Science stakeholders and the
EU policy officers, reinforcing the culture of consultation and dialogue in the
EU. Interaction between the European Institutions and society takes various
forms, primarily via the European Parliament, via institutionalised advisory
bodies of the EU and via less formalised direct contacts with interested
parties. In this later approach, this document is delivered by the SOCIENTIZE
Project to the European Commission's Digital Science Unit. - mehr
hier
Konsultationsprozess zu Citizen Science
Welche Potenziale hat
Citizen Science in Europa?
19. Mär 2014 - Das Projekt SOCIENTIZE, das ZSI
ist als Konsortialpartner beteiligt ist, startete im Februar 2014 einen
öffentlichen Konsultationsprozess über die Potenziale und die Rolle von Citizen
Science (dt. BürgerInnenwissenschaften) in Europa. Dieser mündet in dem "White
Paper on Citizen Science in Europe". - mehr hier
Diskutieren Sie
mit unter: http://whitepaper.socientize.eu
EU-Initiative Citizen Science fördert bürgernahe Wissenschaft
Das
EU-finanzierte Projekt SOCIENTIZE bietet die Möglichkeit, Wissen und Zeit in
interessante Forschungen zu investieren. SOCIENTIZE baut auf dem Konzept der
Citizen Science , der bürgernahen Wissenschaft auf, das Tausende von
Freiwilligen, Lehrenden, Forschern und Entwicklern ermöglicht, gemeinsam
Fähigkeiten, Zeit und Ressourcen dem wissenschaftlichen Fortschritt zu widmen.
Dank der durch das Projekt entwickelten Open-Source-Tools können die Teilnehmer
Wissenschaftler bei der Datenerfassung unterstützen - die dann von
professionellen Forschern ausgewertet werden - oder auch Aufgaben durchführen,
die die menschliche Kognition oder Intelligenz fordern, etwa Bildklassifikation
oder -analyse. Das Projekt soll alle Forschungsfelder von der Astronomie bis hin
zur Sozialwissenschaft bereichern.
"Das innovative Konzept hierbei ist die
höhere Kapazität durch die Vielzahl von Freiwilligen für die Darstellung,
Analyse und Erforschung komplexer Fragestellungen", sagt Fermin Serrano Sanz ,
Forscher an der Universität Zaragoza und Projektkoordinator von SOCIENTIZE. "Und
jeder kann sozusagen zum Neuron in diesem digitalen Gehirn werden."
Das mit
0,7 Mio. EUR geförderte Projekt bringt sechs Partner aus 4 Ländern zusammen:
Spanien (Universität Zaragoza und TECNARA), Portugal (Museu da Ciência-Coimbra,
MUSC, und Universidade de Coimbra), Österreich (Zentrum für Soziale Innovation)
und Brasilien (Universidade Federal de Campina Grande, UFCG). SOCIENTIZE endet
im Oktober 2014 nach 24 Monaten und unter Mitarbeit von 12.000 Bürgern in den
verschiedenen Phasen der Forschungsaktivitäten. - mehr hier
Socientize
project in ESOF Copenhague
Alle Projekte auf der Internet-Plattform
http://www.buergerschaffenwissen.de/projekte-finden
NATURKUNDE / TIERE / PFLANZEN / UMWELT / KLIMAFORSCHUNG
African Plants - A Photo Guide
Pflanzen: Mit Fotos und einfachen
Merkmalen afrikanische Pflanzen bestimmen
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Animal Tracker
Tiere: Beobachten und begleiten Sie Störche,
Waldrappe & Co. auf ihren Wanderungen
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Anymals + plants
Biodiversität: Artenvielfalt für Dein Smartphone
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Citclops
Umwelt: Meeresbeobachtung zum Mitmachen
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Die große Hirschkäfer-Pirsch
Insekten: Hirschkäfer gesucht
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Finde den Wiesenknopf
Pflanzen: Auf der Suche nach dem Großen
Wiesenknopf, einer Pflanze der Feuchtwiese
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Igel in der Stadt
Stadttiere: Berliner Igel
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Insekten Sachsen
Biodiversität: Mach mit bei der Entdeckung der
großen Vielfalt kleiner Arten!
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KLEKs
Naturschutz: Das Kulturlandschafts-Wiki
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Insekten: Fangen, Frosten, Forschen!
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MyOSD - Ocean Sampling Day
Umwelt: Es gibt Meer zu sehen!
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Natur im Wandel der Zeit
Klima: Welche Auswirkungen hat der
Klimawandel bei uns? Finde es heraus!
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naturgucker.de
Biodiversität: Naturgucken macht Spaß!
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Tagfalter-Monitoring Deutschland (TMD)
Insekten: Spazieren gehen
für die Wissenschaft - eine Volkszählung für Schmetterlinge
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Naturschutz: Lernen Sie die
Unterwasserwelt neu kennen und tragen zum Gewässerschutz bei
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SenseBox - Die Kiste mit Sinn
Umwelt: Vermesse deine Umwelt mit
selbstgebauten Sensorstationen
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Stunde der Gartenvögel
Vögel: Vogel-Volkszählung in Dorf und Stadt,
im Garten und im Park
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Wildschweine in der Stadt
Stadttiere: Berliner Wildschweine unter
Beobachtung
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WISSENSDINGE. Geschichten aus dem Naturkundemuseum Berlin
Museum:
Wir sammeln keine Dinge, sondern Sichtweisen auf Dinge - Welche ist Ihre?
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ASTRONOMIE
Einstein@Home - Astrophysik für alle
Astronomie: Neutronensterne
mit Heimcomputer und Smartphone entdecken
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Verlust der Nacht - App
Sterne: Weißt du wie viel Sternlein stehen?
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SOZIALFORSCHUNG / GESCHICHTE / BILDUNGSFORSCHUNG
GOV - Genealogisches Ortsverzeichnis
Geschichte: Erschaffung einer
zentralen Informationsquelle für Ortsinformationen
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Bildungsexplosion
Bildung: Wissen hängt zusammen
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Meilensteine der motorischen Entwicklung im
Kleinkindalter
Bildungsforschung: Eltern von Babys als MitforscherInnen
gesucht!
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KUNSTWISSENSCHAFT
artigo - Laien beschreiben Kunstwerke
Kunst: Kunst kennenlernen und
der Wissenschaft helfen
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Andere internationale
Projekte
(wird noch ausgewertet)
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European Citizen Science
Association ECSA
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Kontakt: Manfred Ronzheimer - ronzheimer@t-online.de