Zum Seitenanfang Druckversion  

Kritischer Journalismus findet Zahler im Netz

02.12.2013

 

 Kritischer Journalismus findet Zahler im Netz



Die erfolgreiche französische Online-Zeitung Mediapart auf dem Journalistentag der dju in Berlin

Qualitätsjournalismus muss im Zeitalter des Internet nicht zugrunde gehen. In Frankreich zeigt ein erfolgreiches Online-Medium, wie unabhängige Berichterstattung mit einem funktionierenden Erlösmodell im Internet verbunden werden kann. Auf dem Berliner Journalistentag der dju berichtete Francois Bonnet am Samstag vom bemerkenswerten Erfolg der französischen Online-Zeitung „Mediapart".

 

Bonnet, Jahrgang 1959, ist seit Mitte der 80er Jahre als Journalist aktiv, unter anderem für die Zeitungen „Liberation" und in führender Position bei „Le Monde" und „Marianne". Er ist einer der Mitbegründer und Chefredakteur der 2008 gegründeten Internet-Abozeitung „Mediapart": www.mediapart.fr.

Aus den vier Gründern, davon drei ehemalige „Le Monde"-Journalisten, die mit ihren Abfindungen den finanziellen Grundstock für Mediapart legten, ist mittlerweile ein Team von 50 Beschäftigten geworden, davon 32 Journalisten. „Unsere Zeitung ist eine richtige Erfolgsgeschichte," sagte Bonnet. Die Anfangsfinanzierung belief sich auf 5 Mio Euro, davon eine Million aus den Abfindungen der Le Monde- und Liberation-Aussteiger, 0,5 Mio aus dem Freundeskreis sowie zwei Investoren. Von den fünf Aufsichtsrats-Sitzen werden zwei von den Gründern eingenommen. Das Blatt hat finanziell volle Eigenkontrolle. Das Geld wurde gleich in den Aufbau einer 20-köpfigen Redaktion gesteckt, um die qualitativen Ansprüche einlösen zu können.

Bei Gründung des Online-Blattes wurde auch die Grundsatzentscheidung getroffen: Ein Medium ohne Anzeigen. „Das ist bis heute Zeichen unserer Unabhängigkeit", so der Mediapart-Chef. Auch anderer Formen öffentlicher Förderung oder Subventionen gibt es nicht. „Wir werden ausschließlich finanziert durch unsere Leser". Inzwischen sind es über 80.000 Online-Abonnenten (Subscribenten), die einen Abo-Preis von neun Euro im Monat bezahlen. Damit wird derzeit 90 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet. Der Rest kommt über e-Books oder den Verkauf einzelner Reportagen an andere Medien herein.

Auf diese Weise wird Mediapart 2013 einen Jahresumsatz von rund 7 Mio Euro erzielen, wovon 810.000 Euro als Gewinn verbleiben. Auch in den beiden Jahren zuvor konnten bereits schwarze Zahlen geschrieben werden: 2012 gab es einen Gewinn von 750.000 Euro, 2011 von 500.000 Euro. Bonnet: „Wir sind eine wirklich profitable Plattform". Mediapart sei der Beweis, „dass Leser bereit sind im Internet für Journalismus zu bezahlen". Die Doktrin, alle Nachrichten müssten kostenlos sein, sei nicht zutreffend, so Bonnet. Fatal sei, dass viele Nutzer mit der kostenlosen Nutzung von Informationen die Haltung verbinden, die Informationen hätten kein Wert. „Wenn man wertvolle Inhalte anbietet, werden Leser dafür auch zahlen", so die Erfahrung der französischen Journalisten.

Mit ihrer guten redaktionellen Ausstattung und Kompetenz kann Mediapart neben einer profunden politischen Berichterstattung auch einen Enthüllungsjournalismus liefern, der in Frankreich binnen weniger Jahre Maßstäbe gesetzt hat. So wurde von dem Online-Blatt nach fünfmonatiger Recherche aufgedeckt, dass der französische Haushaltsminister geheime Privat-Konten im Ausland besaß. Der Mann war politisch nicht mehr zu halten und trat zurück. Ähnliche „top stories" brachte Mediapart zu Korruption bei Waffengeschäften, illegaler Parteienfinanzierung oder Rassismus im Fußball. „Wir verfolgen einen durchaus aggressiven Ansatz im Journalismus, den es sonst in Frankreich kaum mehr gibt", erklärte der Mediapart-Chef. An manchen Enthüllungsstories sind zuweilen bis zu 20 Kollegen vollzeit beschäftigt. „Das ist bei anderen Medien nicht mehr möglich".

Die Krise der Medien hat zwei Seiten, war die Botschaft des Pariser Gastes: „Sie birgt auch die Chance für neue Kreativität und für ganz neue Geschäftsmodelle". Für Mediapart sei es von großer Bedeutung, dass man durch den Online-Kanal „mit den Lesern in eine ganz neue Beziehung treten kann". Nicht nur zur Verbesserung des publizistischen Produkts, sondern auch zum „Aufbau eines neuen Informationssystems" unter Einbeziehung der Leserschaft.

Für die Leser (Abonnenten) wurde zudem die Rubrik „Le Club" eingerichtet, in der sie eigene Meinungs- und Informationsbeiträge posten können. Täglich gehen bis zu 100 Leser-Beiträge ein. Größere Redaktions-Diskussion werden per Online-Stream öffentlich gemacht. Die politische Ausrichtung der Leserschaft beschreibt Bonnet als „klar linksorientiert", obschon sich die Zeitung an keine Partei binde.

Ein Umfeld-Vorteil für Mediapart sieht der Chefredakteur darin, dass die französische n Tagespresse insgesamt „sehr konformistisch" sei. Das habe auch mit der öffentlichen Subvention der großen Blätter durch den Staat zu tun, allein Le Monde bekomme über 10 Mio Euro im Jahr. Die Blätter werden so am Leben erhalten, aber sie wandeln sich nicht. Nur in den Absatzzahlen. Als Bonnet noch bei der Liberation arbeitete, verkaufte das Blatt täglich 100.000 Exemplare, jetzt sind es nur noch 35.000.

Ob er auch eine Deutschland-Ausgabe plane, wurde Bonnet im Verdi-Haus gefragt. Nein, gab er zur Antwort, verwies aber auf ein neues Schwester-Projekt in Spanien („infolibre"). Er sei aber überzeugt, dass eine Online-zeitung nach dem Mediapart-Vorbild „auch in Deutschland funktionieren würde".



Manfred Ronzheimer für InnoMonitor Berlin-Brandenburg

 

 

Zum Seitenanfang Druckversion   Zum Seitenanfang  Zum Seitenanfang 
oben