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Wissenschaftsjournalismus unter Druck

20.12.2013

Wissenschaftsjournalismus unter Druck

 

DFG-Präsident Strohschneider zum Verhältnis von Wissenschaft und Medien

 

„Die Wissenschaft kann auf einen kritischen Wissenschaftsjournalismus nicht verzichten". Dies erklärte der Vorsitzende der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Prof. Peter Strohschneider, in einer Grundsatzrede vor der Hanns Martin Schleyer-Stiftung. Die Aufgaben des Wissenschaftsjournalismus könnten auch nicht durch ein gesteigertes Forschungsmarketing seitens der Wissenschaftsorganisationen kompensiert werden, betonte Strohschneider in seiner Rede anlässlich der Verleihung des Universitas-Preises für Wissenschaftsjournalismus am 13. Dezember in Berlin. Die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung, die von der Schleyer-Stiftung alle zwei Jahre vergeben wird, erhielt Dr. Tanjev Schultz, seit 2005 Redakteur der Süddeutschen Zeitung.

 

 

Seine Ausführungen unter dem Titel „Unter Druck - Anmerkungen zum Wissenschaftsjournalismus in Deutschland" hatte der DFG-Präsident in drei Teile gegliedert: Thesen, „Anekdotische Phänomenologie" sowie Schlussfolgerungen. Strohschneiders Berliner Aussagen sind im Kontext seiner wiederholten Behandlung des Spannungsverhältnisses von Wissenschaft und Gesellschaft zu sehen, wie jüngst auch in einem Beitrag für das neue Magazin der Universität Stuttgart („Forschung Leben").

 

Im analytischen Teil stellte Strohschneider sowohl eine Trennungs- als auch eine Verschränkungs-Dynamik der Systeme Wissenschaft und Gesellschaft fest. In der Entwicklung des Wissenschaftssystems würden von den Grundlagenforschern die Grenzen des Wissens immer weiter nach außen, in die Zone des Unbekannten, Noch-Nicht-Gewußten vorangetrieben. Diese Bewegung erkläre die ständige Differenzierung der Wissenschaft in neue Disziplinen. Das Problem, so Strohschneider: „Was an den Grenzen der Wissenschaft gewusst wird, ist immer weiter von dem entfernt, was noch vermittelbar ist". Teilweise innerhalb der Wissenschaft selbst, vor allem aber über die Schulen, Museen, Medien und andere Vermittlungsinstanzen in die Gesellschaft hinein.

 

 

Zugleich gebe es aber auch die Verschränkung dergestalt, dass sowohl eine „Verwissenschaftlichung der Gesellschaft" als auch eine Einflussnahme der Gesellschaft auf die Wissenschaft zunimmt. Der vor allem von den Anwendungsforschern gerne offerierte „Solutionismus" - die Lösungsorientierung von Wissenschaft - könne auch ins Extrem umschlagen und zu einer „funktionalen Überlastung von Wissenschaft" führen. Schon jetzt, so Stohschneider, gebe es „fast nichts mehr, was der Wissenschaft nicht zugetraut und auch zugemutet wird". An dieser Stelle erhalte ein anspruchsvoller Wissenschaftsjournalismus „eine Ordnungsfunktion".

 

Im deskriptiven Teil versammelte Strohschneider indes vor allem Beispiele des voranschreitenden Qualitätsverfalls der Wissenschaftsberichterstattung in Deutschland. Selbst das Segment, das sich mit der Wissenschaftspolitik beschäftige, benutze vermehrt Darstellungsformate des Boulevards, wenn etwa beim Amtsantritt der neuen Wissenschaftsministerin der Hauptakzent auf dem Schuhabsatz liege, mit dem sie im Parkettfußboden hängen bleibt. Strohschneider sah negative Folgen der „medialen Aufmerksamkeits-Ökonomie". Die von ihm wahrgenommenen Trends des Wissenschaftsjournalimsmus: Boulevardisierung, Skandalisierung, Simplifzierung.

Und kann das nicht mehr geleistet werden, fällt Wissenschaft in den Print-Medien komplett weg. Eher werde in Zeitungen die Wissenschaftsseite eingestellt als die Auto- oder Reise-Seite, was an den Anzeigeneinnahmen liege, die damit verbunden sind. Der Druck, unter dem sich Wissenschaftsjournalismus vor allem bei den Druck-Medien befindet, wurde von dem ranghohen Wissenschaftsmanager treffend beschrieben.

 

Und die Lösung? „Die Lust an der Analyse könnte eine Gemeinsamkeit von Wissenschaft und Journalismus sein", fand Strohschneider. Auf „solutionistische" Ansätze wie der akademischen Ausbildung für den Wissenschaftsjournalismus, ging er zwar nicht ein, warnte aber vor der Annahme, nur mit dem Ausbau des Forschungsmarketings die entstandene Lücke gesellschaftlicher Wissenschafts-Reflexion schließen zu können. Immerhin: Ein Beitrag könne die Ehrung von Best-Practise-Beispielen sein. „Für einen solchen Wissenschaftsjournalismus", schloß Strohschneider, „engagieren wir uns mit dem Universitas-Preis".

 

Manfred Ronzheimer

 

http://www.schleyer-stiftung.de/preise/u_preis/preise_universitas.html

 

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