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Aktion direkt: Neuer Trend im Bürgerengagement

04.04.2014

Aktion direkt: Neuer Trend im Bürgerengagement

DIFU-Expertenrunde im Rahmen der Berliner Stiftungswoche

Eine der ersten Veranstaltungen innerhalb der Berliner Stiftungswoche 2014 galt der Selbstreflektion: Was können Stiftungen und Bürgerengagement im Bereich der Stadtentwicklung bewirken und was nicht? Darüber diskutierte am 1. April eine Expertenrunde in den Räumen des Deutschen Instituts für Urbanistik (DIFU). Auf dem Podium saßen Dr. Elke Becker (Difu), Dr. Stefan Nährlich (Aktive Bürgerschaft) sowie Friedemann Walther (Bürgerstiftung Neukölln). Moderator war Dr. Rupert Graf Strachwitz (Maecenata Stiftung).

Regionalplanerin Elke Becker vom DIFU hatte vor einigen Jahren im Auftrag des Bundesbauministeriums untersucht, wie die Zusammenarbeit von behördlichen Stadtplanern mit öffentlich-hoheitlichem Auftrag und den Bürgern funktioniert. Zwei Befunde sind von Bedeutung. Es gibt auf beiden Seiten unterschiedliche Handlungslogiken, die zu unterschiedlichen Bewertungen des gleichen Sachverhaltes führen können. Hinzu kommt das Informationsdeifizit: "Es passiert ganz viel, aber viele bekommen es gar nicht mit".

Friedemann Walther von der Bürgerstiftung Neukölln stellte dar, wie sich dort ("Neukölln als Inbegriff des gescheiterten Gemeinwesens") zivilgesellschaftliche Aktivität bildete, die sich gegen den Negativ-Kurs stemmte. "Unsere Idee war", so Walther, "nicht große Pläne zu schmieden, sondern Menschen mit gutem Willen zusammenzubringen, die konkret anpacken und etwas tun". In diesem Sinne habe man als "Lückenfüller für den Staat" gehandelt, der diese Probleme - Stichwort Rütli-Schule - nicht in den Griff bekommen habe.
So habe die Bürgerstiftung ein Mentoring-Projekt für Schulen ins Leben gerufen, an denen kaum einer der Schüler eine regulären Abschluß zustande brachte. Nach entsprechender Betreuung konnte das Abschluß-Niveau auf 50 Prozent gehoben werden. Walther: "Das ist noch nicht gut, aber es zeigt, dass sich etwas ändern lässt". Ziel müsse es sein, derlei Erfahrungen in die Breite zu bringen. Dies bedeute auch, dass die Schule diese Ansätze von sich aus stärker aufgreifen müssten.
Gerade die behördlich vorgegebenen Wege der förmlichen Bürgerbeteiligung (Formulare), hätten in Neukölln wenig gefruchtet. Walther, der selbst im Rathaus einen Verwaltungsjob hat: "Papierkrieg ist der größte Feind des bürgerschaftlichen Engagements". Andock-Möglichkeiten für Stiftungen sah er in neuen Modellen, etwa die Einrichtung von "Quartierfonds", mit denen die Arbeit des Quartiermanagements unterstützt werden kann. Diskussionsleiter Strachwitz von der Maecenata-Stiftung verwies auf eine Studie der TU-Wissenschaftlerin Heike Walk, die im Auftrag des UBA 39 verschiedene Verfahren der Bürgerbeteiligung untersucht hatte. Fazit: Der Verwaltung fällt es häufig schwer, das für den jeweiligen Fall richtige Verfahren auszuwählen.

In der Diskussion wurde auch eine womöglich neu wachsende Distanz zwischen bürgerschaftlichen Engagement im Form von Stiftungen einerseits und privaten Initiativen ohne jeden organisatorischen Hintergrund andererseits deutlich. Eine Teilnehmerin sagte, dass die jetzt in Gang gekommene Reform des Schulessens in Berlin weder durch die Schulbehörde oder Bürgerstiftungen zustande gekommen sei, sondern durch das Engagement von fünf Müttern, die endlich eine bessere Verpflegung ihrer Kinder erreichen wollten. Die Verwaltung habe sich nicht gekümmert. Und andere Akteure habe es nicht gegeben. "So entsteht Wutbürgertum". Kritisiert wurde in dem Zusammenhang, dass auf dem Podium ein Vertreter der Initiative Volksabstimmung Tempelhofer Feld oder einer anderen, stiftungsunabhängigen Form von Bürgerengagement fehlte.

Ein anderes Beispiel für das neue organisations-unabhängige Bürgerengagement war der Gründer der "Wegeheld"-Initiative, die mit Hilfe der Mobilkommunikation gegen das Zuparken von Fahrradwegen zu Felde zieht. Mit einer App auf dem Smartphone kann der Verkehrsverstoß dokumentiert und elektronisch Anzeige erstattet werde. "Die Medienresonanz war klasse", sagte der Retter der freien Radwege. Einen Verein wolle er deshalb aber nicht gründen. Aus haftungsrechtlichen Gründen (die Besitzer von Porsche-SUVs auf den Radwegen kontern gerne mit ihrem Anwalt) sei jetzt die Gründung einer "Unternehmergesellschaft" (UG) geplant.

Manfred Ronzheimer für InnoMonitor Berlin-Brandenburg

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1. Apr | 17 - 19 Uhr
Maecenata Stiftung:
Bürgerschaftliches Engagement und Stadtentwicklung
Was geschieht, wenn Bürgerinitiativen und Stadtentwickler aufeinander stoßen? Wie kann ein gutes Ergebnis entstehen, wenn alle nur das Beste wollen, aber sich kaum kennen oder gar kritisch beäugen?
Auf dem Podium sitzen Dr. Elke Becker (Difu), Nicole Graf (BMUB), Dr. Stefan Nährlich (Aktive Bürgerschaft) sowie Friedemann Walther (Senatskanzlei Berlin). Moderation: Dr. Rupert Graf Strachwitz (Maecenata Stiftung). Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Urbanistik - www.difu.de
Wo ? Difu - Deutsches Institut für Urbanistik, Zimmerstraße 13 - 15 | 10969 Berlin

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Die Berliner Stiftungswoche findet seit 2010 zum fünften Mal in Folge statt. Sie ist eine Initiative der Berliner Stiftungsrunde. Dort treffen sich rund 30 Stiftungen und Organisationen, die aus Berlin kommen oder hier eine Repräsentanz haben. Das Programm ist online verfügbar: www.berlinerstiftungswoche.eu

 

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