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Die Umwelt braucht Kümmerer

10.04.2014

Die Umwelt braucht Kümmerer

Stiftungswoche: Das "Zukunftsmodell klimafreundliche Stadt" im Allianz Forum

Über mehr Teilnehmer als ursprünglich erwartet, rund 100, konnte sich die 66. Veranstaltung im Rahmen der 5. Berliner Stiftungswoche zum Thema "Zukunftsmodell klimafreundliche Stadt" im Allianzforum am Brandenburger Tor freuen - wahrscheinlich auch deshalb, weil sie als "Podiumsdiskussion mit anschließendem Lunchbuffet" angekündigt worden war.
Regine Lorenz vom Allianz Stiftungsforum verwies in Begrüßung darauf, dass Berlin durch die Tagung des Weltklimarates IPCC in der Stadt einen besonderen Bezug zu dem Thema habe.

 

 

 

 Foto: (v.l.) Klaus Illigmann, Dr. Lutz Spandau, Moderatorin Andrea Thilo, Regine Günther

 Faktisch kamen aber auch häufig die Belange und Erfahrungen einer anderen deutschen Metropole zur Sprache, die bayerische Landeshauptstadt München, von wo Klaus Illigmann, Abteilungsleiter Strategische Stadtentwicklungsplanung der Stadt München, und Dr. Lutz Spandau, Vorstand Allianz Umweltstiftung, angereist waren. Dritte Umweltexpertin der Runde war Regine Günther von der Umweltschutzorganisation WWF. Illigmann stellte dar, wie langfristige Umweltplanungen nicht nur an den Schreibtischen der Verwaltungszuständigen bearbeitet, sondern regelmäßig an die Stadtöffentlichkeit vermittelt werden. Etwa in einer sechswöchigen Ausstellung, die jährlich zu Beginn des Jahres die großen Entwicklungsprojekte vorstellt. Die letzte Ausstellung fasste zum Abschied des scheidenden Oberbürgermeisters Ude die herausragenden Stadtentwicklungsprojekte in seiner 20-jährigen Amtszeit zusammen.

Warnung vor hektischem Aktivismus

Stiftungsvorstand Spandau schlug den globalen Bogen und verwies auf das Wachstum der weltweiten Mega-Cities, wie etwa Shanghai mit seinen 33 Millionen Bewohnern. Wie könne hier mehr Klimafreundlichkeit bewirkt werden? Spandau griff aber auch Gesichtspunkte von Harald Welzers Stiftungsrede von letzter Woche auf, in der er vor "hektischem Aktivismus", etwa bei der Wärmedämmung, gewarnt hatte. Wenn jetzt durch das Aufbringen hochchemischer Dämmplatten zwar in den Wohnungen Wärmeenergie eingespart werde, später bei der Entsorgung dieser Materialien viel Energie zur Sondermüll-Beseitigung aufgebracht werden müsse, dann sei dies unter dem Strich nicht unbedingt klimafreundlich, gab der Allianz-Mann zu bedenken. Spandau lobte weiterhin das Engagement von Bürgern, die beispielsweise zur Energie-Autarkie der Schwarzwald-Gemeinde Schönau geführt habe, oder die Prinzessinnengärten in Berlin. Wie in den Behörden seien auch in der Zivilgesellschaft "Kümmerer" von Bedeutung, die sich aktiv und teilweise überdurchschnittlich aktiv um praktische Fortschritte hin zu Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit kümmerten.

Regine Günther betonte einen strukturellen Gesichtspunkt für die Umweltverbesserung. Zwar seien für die nichtstaatlichen Öko-Organisationen die Bürger häufig der erste Ansprechpartner. Es müssten aber auch die Kommunen sein, die etwa als Besitzer von Wohnungsgesellschaften erweiterte Entscheidungsmöglichkeiten für Maßnahmen zur CO2-Minderung hätten. Teilweise verlagere sich hier die Rolle des veränderungs-aktiven "Kümmerers" von der kommunalen auf die bundesstaatliche Ebene, wenn es um die finanzielle Förderung von klimafreundlichen Baumodernisierungen gehe. Wenn es vom Bund nicht genügend Förderung gebe, werde bei den Kommunen wenig geschehen. Gleiches gekte auch für den Verkehr, der für den Umweltzustand der Städte von noch größerer Bedeutung sei. WWF-Frau Günther: "Auch hier müssen wir darauf achte: wo werden die relevanten Entscheidungen getroffen?" Häufig seien dies nicht die Bürgermeister, sonder die Bundesregierung.

 

Foto: Allianz-Forum am Pariser Platz 

Energiespar-"Sherrifs" in Pirmasens

Stadtplaner Illigmann pflichtete dem unter Hinweis auf den Bahnhofsbau in Stuttgart bei. "Derartige Großinfrastrukturen sind von den Städten allein nicht zu stemmen". Die Chancen der städtischen Verkehrspolitik sah der Münchener vor allem in der Verknüfpung der unterschiedlichen Verkehrsträger, um einen Umstieg - etwa vom Auto in den Bus oder aufs Fahrrad - zu erleichtern.

Im Diskussionswechsel zwischen Topdown-Strategien für ökologische Leitplanken und Bottomup-Ansätzen für konkrete Veränderung vor Ort konnte Spandau einige konkrete Förderprojekte seiner Umweltstiftung anführen. So werden in der Stadt Pirmasens (die durch die Abwanderung der Schuhindustrie von früher 30.000 auf heute 1.000 Beschäftigte einen tief greifenden Strukturwandel erlebt) in einem "Generationenprojekt" jüngere und ältere Menschen zu "Energiespar-Sheriffs" ausgebildet. Sie gehen in die privaten Haushalte und fordern die Energiefresser, etwa uralte Waschmaschinen, zum Duell heraus. In der Gemeinde Neumarkt wurde ein Nachhaltigkeits-Büro eingerichtet, über das Jugendliche gegenseitige Hilfsprojekte organisieren. "Das funktioniert wunderbar", berichtete Spandau von dem Projekt, das auch den Deutschen Nachhaltigkeitspreis gewonnen hat. "Auch mit solchen kleinen Maßnahmen", so der Stiftungsvorstand, "wird der Wandel zu einem mehr umweltverträglichen Lebensstil vorangetrieben".

Manfred Ronzheimer für InnoMonitor Berlin-Brandenburg

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8. Apr | 12 - 14 Uhr
Allianz Stiftungsforum und Allianz Umweltstiftung
Zukunftsmodell klimafreundliche Stadt
Die Podiumsdiskussion mit anschließendem Lunchbuffett erörtert das "Zukunftsmodell klimafreundliche Stadt". Es diskutieren Dr. Lutz Spandau (Vorstand Allianz Umweltstiftung), Regine Günther (WWF, angefragt) und Klaus Illigmann (Abteilungsleiter Strategische Stadtentwicklungsplanung München). Es moderiert Andrea Thilo. - www.allianz-stiftungsforum.de
Wo ? Allianz Forum | Pariser Platz 6 | 10117 Berlin

 

  https://umweltstiftung.allianz.de/

 

Das Stadtentwicklungskonzept "Perspektive München"

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Beachten Sie auch diese Berichte über die Berliner Stiftungswoche (die einzigen, die es gibt):

09.04.2014
Vereine als Rückgrat der Zivilgesellschaft
Konferenz über die Rolle der Kommunen im Rahmen der Berliner Stiftungswoche 

 07.04.2014
Tomaten aus dem Ding-Dong-Dom
Stiftungssonntag zeigte die Baufortschritte am Holzmarkt

 

06.04.2014
Alter Wein, neuer Schlauch
Stiftungswoche: Die Heinrich Böll-Stiftung suchte nach der "grünen Erzählung" 

http://www.innomonitor.de/index.php?id=132&be=3711

 

 05.04.2014
TED-Weltgipfel kommt nach Berlin
Stiftungswoche: Socialbar präsentiert interaktive Veranstaltungsformate

 

 

Weitere Berichte zur Stiftungswoche 2014:

03.04.2014
Erste Metropole ohne Flughafen
Holprig gelandet: Harald Welzers Berliner Stiftungsrede
http://www.innomonitor.de/index.php?id=132&be=3708

04.04.2014
Aktion direkt: Neuer Trend im Bürgerengagement
DIFU-Expertenrunde im Rahmen der Berliner Stiftungswoche
http://www.innomonitor.de/index.php?id=132&be=3709

 

 

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