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Was darf Klimaforschung ?

13.05.2014

Was darf Klimaforschung ?

Eine Diskussion im WZB über gesellschaftliche Verantwortung von Wissenschaft

Das WZB hat eine kleine Reihe für ein großes Thema: das Verhältnis von Gesellschaft und Wissenschaft. Am gestrigen Montag wurde die Klimaforschung und ihre "gesellschaftliche Verantwortung" in den Blick genommen. Mit zwei ausgesprochen beschlagenen Protagonisten: Hans von Storch, Leiter des Instituts für Küstenforschung am Helmholtz Zentrum in Geesthacht, und Uwe Schneidewind, Chef des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie und Autor des Buchs "Transformative Wissenschaft". Das "Streitgespräch" machte zwar einige kontroverse Positionen deutlich, blieb durch die zahme und eher desinteressiert wirkende Gesprächsmoderation unter seinen Möglichkeiten.

 

Für von Storch ist klar: einige Klimaforscher haben eine Grenze überschritten, indem sie versuchen, die Politik zu bestimmten Handlungen zu bewegen. Das habe der gesamten Zunft geschadet: das wissenschaftliche Renomme der Klimaforschung sei gering, ähnlich wie seinerzeit das der Forstwissenschaftler, als nach dem alarmistischen "Waldsterben!" die Bäume doch am Leben blieben. Gleichwohl ist von Storch nicht der Fraktion der "Klimaskeptiker" zuzurechnen, die den menschen-gemachten Klimawandel in Zweifel ziehen. Für ihn kommen Skeptiker und Alarmisten "aus derselben Familie", meinte der Klima- und Küstenforscher. "Für mich ist unstrittig, dass der Wandel kommt. Und ich glaube, dass es überwiegend am CO2 liegt". Aber, und dieses "Aber" war von Storchs Haupt-Einrede, es sei 1. wissenschaftlich bei den Klimamechanismen noch vieles unbekannt, und 2. sei es vom wissenschaftlichen Ethos nicht vertretbar, diese Erkenntnisse aggressiv zu politisieren, in Richtung von TINA-Stellungnahmen (Thatchers "There is no Alternative"). Was Wissenschaftler in Richtung Anwendung formulieren könnten, wären allenfalls "Optionen und Szenarien". Aber nicht als wissenschaftlicher "Weißkittel" den Politiker zu spielen.

"Kein Rückzug in die Komfortzone"

Schneidewinds Argumentation schob das klassische Forscher-Ethos zur Seite und setzte an den Beginn die geänderte "Rahmung". Da der Klimawandel komme, stehe die Wissenschaft in einer großen Verantwortung, um die Folgen für die Menschen in Grenzen zu halten. Die "transformative Wissenschaft" rücke diese gesellschaftliche Bezogenheit der Wissenschaft in den Mittelpunkt. Ein "Rückzug in die Komfortzone" des Elfenbeinturmes sei unter diesen Verhältnissen nicht statthaft. Durch ihre faktischen Wirkungsmöglichkeiten in alle Winkel der Gesellschaft hinein stehe Wissenschaft bereits "mittendrin im Leben". Gerade die anwendungsbezogene Forschung mit ihrer fast vollständigen Ausrichtung auf wirtschaftliche Verwertung ihrer Ergebnisse greife gerne auf die öffentlichen Mittel der Steuerzahler zurück (Forschungsfreiheit). Es gehe darum, stärker eine gesellschaftsdienliche Wissenschaft nach vorne zu bringen.

Zur Klimaforschung kommend, sagte Schneidewind, er sei jenen Klimawissenschaftlern dankbar, die ihre Erkenntnisse so verdichteten und in Bilder brächten, dass sie von den politischen Akteuren auch verstanden werden könnten. Als Beispiel führte er Rockströms Tortengrafik der globalen Belastungsgrenzen an (die von Storch erstaunlicherweise nicht kannte), die trotz noch unangeschlossener Detailforschung ein Bild von der Dimension der Herausforderung zeichne. Die "Kultivierung der Relativierung und des Zweifels" dagegen nütze niemandem. Gebraucht werde eine "kraftvolle Stimme", die auch Gehör finde. Schneidewind: "Wissenschaft muss sich einmischen - das tut der Gesellschaft und auch der Wissenschaft gut".

Das waren die Grundpositionen, bei denen es auch bis zum Schluß blieb. Bis dahin gingen beide Referenten auf vermischte Detailfragen aus dem Publikum ein. Eine gegenseitige Überzeugungsanstrengung mit einem Sieger und Verlierer fand nicht statt. Im Jargon der Klimaexperten: moderate mitteleuropäische Diskurs-Temperatur, keine Extremwetterereignisse im WZB, die Deiche an der Küste haben gehalten.

Manfred Ronzheimer für die Transformationszeitung

Ankündigung der Veranstaltung am 12.5.14

 

(PS. Lies zum Vergleich die Wissenschafts-Diskussion zwischen Schneidewind und Welzer in der Böll-Stiftung hier )

 

 

TN215d

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