Zum Seitenanfang Druckversion  

"Unerhörter Stand der Dinge"

13.06.2014

"Unerhörter Stand der Dinge"

Stiftung Zukunft Berlin legt Konzept für bürgerschaftliche Mitverantwortung vor

Die Stiftung Zukunft Berlin hat in einem Pressegespräch am Mittwoch, 11. Juni 2014, das Konzept einer "Gemeinsamen Entscheidungsvorbereitung als Antwort auf den Wunsch nach mehr Bürgerbeteiligung" vorgestellt. Mit dem Konzept, das schon länger in der Vorbereitung war, wurde unmittelbar auf den Volksentscheid zum Flugfeld Tempelhof reagiert. Das Ergebnis des Volksentscheides habe "einen unerhörten Stand der Dinge offen gelegt. Einen Stand, den, wenn man ehrlich ist, in diesem Ausmaß keine der politischen Seiten auch nur annähernd geahnt hat.", heißt es in der Stellungnahme der Stiftung.

An der Präsentation nahmen auch Vertreter der Parteien im Abgeordnetenhaus teil, die sich ebenfalls zu den Konsequenzen aus dem Tempelhof-Votum für die künftige Beteiligung der Bürger äußerten.
Mit dabei waren:
Klaus Brake (Hermann Henselmann Stiftung)
Stefan Evers (stadtentwicklungspolitischer Sprecher CDU) - mehr hier
Tilman Heuser (BUND Landesverband Berlin e.V.) - mehr hier
Antje Kapek (stadtentwicklungspolitische Sprecherin Bündnis 90 / Die Grünen) - mehr hier
Urs Kohlbrenner (Planergemeinschaft)
Kathrin Lompscher (stadtentwicklungspolitische Sprecherin Die Linke)
Cordelia Polinna (TU Berlin, Think Berl!n)
Wolfram Priess (stadtentwicklungspolitischer Sprecher Die Piraten)
Ülker Radziwill (Stellvertretende Fraktionsvorsitzende SPD; sozial- und seniorenpolitische Sprecherin) - mehr hier
Stefan Richter (Stiftung Zukunft Berlin)

*

Das Konzept der Stiftung hat den Wortlaut:
Ablauf und Struktur gemeinsamer Entscheidungsvorbereitung

Anlass
Nach Tempelhof ist jetzt der Zeitpunkt, einen Paradigmenwechsel bei der Beteiligung der Bürger herbeizuführen. Deshalb, weil das Ergebnis einen unerhörten Stand der Dinge offen gelegt hat. Einen Stand, den, wenn man ehrlich ist, in diesem Ausmaß keine der politischen Seiten auch nur annähernd geahnt hat.

Die Stiftung Zukunft Berlin hat in mehrjähriger Arbeit gemeinsam mit vielen Partnern aus Stadtgesellschaft und Politik 5 Grundsätze für bürgerschaftliche Mitverantwortung entwickelt und darauf aufbauend das hier vorgestellte Verfahren erarbeitet und erprobt. Was muss nun in Zukunft gelten?

Ziel 1. Es muss aufhören mit der Attitude: die Politik gewährt den Bürgern in ihrer Großzügigkeit, beteiligt zu werden. Stattdessen geht es zukünftig um die Mitwirkung der Bürger aus eigenem Recht und in eigener Verantwortung. Es geht um die Mitverantwortung der Bürger, auch um qualitativ zu besseren Entscheidungen zu kommen. Es geht nicht um die Verringerung des Protestpotenzials oder um das "Mitnehmen" zu weitestgehend feststehenden Entscheidungen.
2. Bürger müssen die Chance haben, Teil der Lösung zu werden. Bei Tempelhof hat man sie als Teil des Problems behandelt. Bürger ernstzunehmen heißt nicht, ihre Köpfe abzuzählen, sondern den Inhalt ihrer Köpfe ernstzunehmen. Es geht um eine gemeinsame Entscheidungsvorbereitung.
3. Die Radikalität dieser Idee einer "gemeinsamen Entscheidungsvorbereitung" ist nur dann mit Recht und Gesetz vereinbar, wenn die Entscheidungsbefugnis der demokratischen Gremien danach unangetastet bleibt. Das Ziel ist eine Stärkung der Parlamente durch eine höhere Qualität bei der Entscheidungsvorbereitung, die durch gemeinsame Arbeit von Politik/Verwaltung und der Stadtgesellschaft erreicht wird.

Ablauf und Struktur des Forums
1. GRUNDSÄTZE: Vorgeschlagen wird ein Forum, in dem zivilgesellschaftliche Akteure mit der Kompetenz ihres Fachwissens, ihrer Erfahrung oder ihrer Betroffenheit in gründlicher öffentlicher Erörterung zur Klärung von Ausgangspunkten und Entwicklungszielen zusammenwirken. Das Forum ist der Ort des öffentlichen inhaltlichen Diskurses. Abgeordnete sowie die Senats- und Bezirksbehörden nehmen von Anfang an mit ihren Entscheidungsbefugten teil.
Die Entwicklungsziele und die Machbarkeit einzelner Maßnahmen werden in diesem Forum gemeinsam von Bürgerinnen und Bürgern sowie von den Entscheidungsträgern in einem fest definierten Organisations- und Zeitrahmen erörtert. Entscheidungsträger und Bürger arbeiten gemeinsam bei der Suche nach den richtigen Lösungen. Das ist mehr als Kommentierung und Kritik der Vorschläge von Politik und Verwaltung durch die Bürger.

2. FORUMSMITGLIEDER: Das Forum setzt sich aus Repräsentanten von Politik/Verwaltung bzw. der Stadtgesellschaft zusammen. Die politisch Verantwortlichen bestimmen die Beteiligten aus Politik und Verwaltung (einschließlich Parlamentariern). Auf der anderen Seite organisiert sich die Stadtgesellschaft selbst und legt ihre Forumsteilnehmer in einem transparenten Verfahren fest. Das ist etwas anderes als die dem Senat untergeordnete Beteiligung in Beiräten, Kuratorien oder Informationsveranstaltungen und -pavillons. Die Forumsmitglieder müssen so zusammengesetzt sein, dass sie Kontinuität und inhaltliche Ausgewogenheit der Diskussion gewährleisten. Sie bleiben auch nach dem Dialogprozess im dann folgenden weiteren Verfahren auch ohne Entscheidungsbefugnis in geeigneter Weise beteiligt.

3. LENKUNGSGRUPPE: Aus den Mitgliedern des Forums wird eine Lenkungsgruppe eingesetzt, die für die Verfahrenssteuerung des Forums verantwortlich ist. Diese verständigt sich über die Moderation und ist verantwortlich für die Vor- und Nachbereitung der Foren (Tagesordnung, Verabredung nächster Schritte) sowie die Ablaufplanung, die Zahl der Zusammenkünfte und die Beteiligung einer breiteren Öffentlichkeit. Sie setzt auf Ausschreibungsbasis eine Geschäftsstelle ein.

4. ÖFFENTLICHKEIT: Das Forum arbeitet öffentlich. An einem geeigneten zentralen Ort kann eine ständige Ausstellung mit der Möglichkeit zum kommunikativen Austausch geschaffen werden. Die Protokolle werden im Internet und presseöffentlich kommuniziert. Vorschläge für Themen und Planungen können von allen Interessierten eingebracht werden. Darüber hinaus wird die Diskussion (z.B. durch Informationsveranstaltungen oder Planungswerkstätten) in die Stadt getragen. Ein Internet-Dialog wird organisiert.

5. ABLAUF: Die Anzahl der Sitzungen ist auf das absolut notwendige Maß zu begrenzen. Die erste Forumssitzung sollte in der Regel der ordentlichen Bestandsaufnahme dienen, der genaueren Klärung von Ausgangspunkten und des zu behandelnden Themas. In weiteren Sitzungen sollte es um die Vorstellung und Diskussion der unterschiedlichen Ideen, Pläne und Interessen sowie abschließend um die Abwägung sowie die Erörterung von Konsequenzen gehen. Argumente werden qualitativ diskutiert. Auf Abstimmungen wird verzichtet. Die endgültigen Entscheidungen verbleiben bei den dafür zuständigen Institutionen.

Bisherige Erfahrungen
Dialogverfahren zu großen stadtpolitischen Themen, die allein vom Senat gesteuert und verantwortet werden, bringen nicht die bestmöglichen Ergebnisse und die größtmögliche Akzeptanz. Es bedarf daher einer neuen Qualität der Zusammenarbeit von Politik/Verwaltung und der Stadtgesellschaft.

Das vorgeschlagene, von Politik/Verwaltung und Stadtgesellschaft gemeinsam verantwortete, Verfahren bei der Entscheidungsvorbereitung wurde unter Mitwirkung von Senat und Parlamentariern entwickelt, bereits erfolgreich angewendet (Novellierung Hundegesetz mit dem Justizsenator und Forum StadtSpree mit dem Stadtentwicklungssenator und den beiden Bezirksbürgermeistern) und kann für unterschiedliche Belange auf Bezirks- und Landesebene angepasst werden.

Kontakt: Anett Szabó, Stiftung Zukunft Berlin, Projektmanagement, Klingelhöferstraße 7, 10785 Berlin, Tel. +49 30 26 39 229-14, szabo@stiftungzukunftberlin.eu
www.stiftungzukunftberlin.eu

*

Presseberichte:

BM, 12.06.14, Tempelhof-Volksentscheid: Auf der Suche nach dem Berliner Bürgerwillen
ND, 12.06.2014, Das Mitmachforum: Die Stiftung Zukunft Berlin stellt neues Konzept zu mehr Bürgerbeteiligung vor

Stiftung Zukunft zur Zukunft der Metropole
Vom 20. bis 22. Juni 2014 begibt sich die CDU-Fraktion des Abgeordnetenhauses zu ihrer diesjährigen Klausurtagung nach München. Zentrales Thema ist die "Zukunft der Metropole". Zu den Beratungen hat die CDU-Fraktion Experten eingeladen, etwa den Zukunftsforscher Sven Gabor Janszky, Christoph Keese, Executive Vice President der Axel Springer AG, sowie Volker Hassemer, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zukunft Berlin. - Quelle hier

*

Beachten Sie auch:

InnoMonitor, 26.02.2013
Bürger und Parlament - wie kommen sie zusammen?
Konferenz im Abgeordnetenhaus diskutierte Wege aus der Politikverdrossenheit
http://www.innomonitor.de/index.php?id=132&be=3481

 

27.05.2014
StiftungsMonitor Nr. 1
Berichte und Termine zu Stiftungen in Berlin

 

SM015

Zum Seitenanfang Druckversion   Zum Seitenanfang  Zum Seitenanfang 
oben