Zum Seitenanfang Druckversion  

UVB-Kritik am Landeskrankenhausgesetz

18.08.2011

Pressemitteilung der UVB vom 18.08.2011  - auch hier zu lesen

Geplantes Landeskrankenhausgesetz löst Probleme der Berliner Kliniken nicht

Wettbewerbsfähigkeit der Kliniklandschaft muss sichergestellt werden

Angesichts eines Investitionsbedarfs von mehr als einer Milliarde Euro in die Berliner Krankenhauslandschaft fordern Unternehmen, Gewerkschaften und Krankenkassen ein Umdenken vom Senat und eine Nachbesserung des geplanten Landeskrankenhausgesetzes. Die Gesetzesnovelle wird am kommenden Montag (22.8.) im Gesundheitsausschuss behandelt und soll noch vor der Abgeordnetenhauswahl im September verabschiedet werden. Neben der Neuregelung der Investitionsförderung geht mit dem geplanten Gesetz der Rückzug des Senats aus der Verantwortung für eine detaillierte Krankenhausplanung einher. Für die Versichertengemeinschaft drohen weitere finanzielle Risiken, wenn die Krankenhäuser ihre Leistungen nicht mehr nach dem Bedarf und der Qualität ausrichten, sondern sich nach den lukrativsten Behandlungen orientieren.

Senat schreibt Investitionsdefizite fort

„Das neue Landeskrankenhausgesetz löst trotz der Ankündigungen keines der grundlegenden Probleme der Berliner Krankenhäuser", sagt Alexander Schirp von der Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg (UVB). „Verlässliche und ausreichende Investitionen sind dringend notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit der Kliniklandschaft - einem der bedeutendsten Wirtschaftszweige in der Hauptstadt - langfristig zu sichern. Wir haben den Eindruck, das Gesetz soll noch schnell vor der Wahl durchgewinkt werden, an den bekannten Investitionsdefiziten wird es aber nichts wesentlich ändern." Von der Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG) wird der Investitionsstau auf mindestens 800 Millionen Euro beziffert. Zusätzliche finanzielle Probleme bereitet das landeseigene Krankenhausunter-nehmen Charité. Zu den 800 Millionen Euro haben die zuständige Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz und die BKG einen jährlichen Investitionsbedarf von rund 200 Millionen Euro berechnet. Der Senat stellt im Jahr 2013 aber lediglich 60 Milli-onen Euro für neue Investitionsmaßnahmen zur Verfügung.

Kliniken sparen zuerst an Personalkosten

Durch die fehlenden Investitionsmittel scheint der Druck auf das Personal zu wachsen. „Die Arbeitsbelastung in den Krankenhäusern nimmt ständig zu", berichtet Meike Jäger vom verdi-Landesbezirk Berlin-Brandenburg. „Um notwendige Renditen einzufahren, sparen die Krankenhäuser an den Betriebsmitteln - das sind oft zuerst die Personalkosten", so Jäger. Personalreduzierung und das Ausgliedern von bestimmten Bereichen sind nach Ansicht der Gewerkschaften keine Lösung für fehlende Investitionsmittel, sondern schaffen neue Probleme. Untersuchungen zeigen, dass in Krankenhäusern ein überdurchschnittlich hoher Krankenstand herrscht. „Die Politik darf Investitionseinsparungen nicht auf dem Rücken der Krankenschwestern, Pfleger und aller anderen Beschäftigten im Krankenhaus austragen", so Meike Jäger.

„Zweckentfremdung" von Versichertengeldern muss ausgeschlossen werden

Dabei ist die Finanzierung der Krankenhäuser gesetzlich streng geteilt: Während das Land für die Investitionen verantwortlich ist, zahlen die Krankenkassen für die Behandlung der Versicherten und finanzieren damit den laufenden Betrieb. Quersubventionierung oder der zweckfremde Einsatz von Versichertengeldern für investive Vorhaben sind nicht vorgesehen.
„Es muss sichergestellt werden, dass die Versichertengelder ausschließlich dem Betrieb der Krankenhäuser zu gute kommen", sagt Dr. Anke-Britt Möhr, Geschäftsführerin Stationäre Versorgung bei der AOK Nordost und unterstreicht eine bekannte Forderung der Berliner Krankenkassenverbände nach einer gesetzlichen Lösung, die eine fortschreitende „Zweckentfremdung" von Versichertengeldern verhindert.

Detaillierte Krankenhausplanung für qualitätsgesicherte Versorgung unerlässlich

Neben den fehlenden Investitionen hätte vor allem der im Landeskrankenhausgesetz vorgesehene Rückzug vom detaillierten Krankenhausplan zu einer allgemeinen Rahmenplanung weitreichende Folgen. Im Falle einer Rahmenplanung müssen die Krankenkassen Instrumente erhalten, um spezielle medizinische Angebote an besonders qualifizierten Kliniken zu konzentrieren. „Ohne detaillierten Krankenhausplan werden sich die Kliniken auf Leistungen konzentrieren, von denen sie sich die höchsten Gewinne versprechen", sagt Dr. Anke-Britt Möhr.
Im Bereich der Perinatalmedizin zeigt sich diese versorgungspolitisch verfehlte Entwicklung bereits. Der medizinisch-technische Fortschritt ermöglicht heute, Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1250 Gramm eine Chance auf Überleben zu geben. Nicht nur weil eine Frühchengeburt mit bis 185.000 Euro sehr teuer ist, sondern vor allem weil die Betreuung mit Hilfe höchstkomplexer Hochleistungsmedizin große medizinische Erfahrung und ausreichende Fallzahlen verlangt, macht die Konzentration an wenigen spezialisierten Perinatal-Zentren Sinn. Die Aufweichung der Krankenhausplanung hat in diesem Bereich dazu geführt, dass es in Berlin heute sieben anstatt ehemals drei Frühchen-Zentren gibt. „Dass der Krankenhausplan die Bündelung bestimmter medizinischer Leistungen künftig nicht mehr zwingend vorsieht, ist aus Qualitätsgesichtspunkten unverantwortlich", so Dr. Anke-Britt Möhr.
Als Kostenträger vermissen die Krankenkassen daher eine bessere Beteiligung an der Krankenhausplanung, die zudem fast immer noch an der Landesgrenze zu Brandenburg Halt macht. „Eine weitreichendere Abstimmung zwischen Berlin und Brandenburg sowie eine Beteiligung der Leistungsträger, wie der Krankenkassen, ist für die Zukunft wünschenswert", so Dr. Anke-Britt Möhr von der AOK Nordost. „Das geplante Landeskrankenhausgesetz wird den Herausforderungen nicht gerecht. Neben der Nachbesserung des Gesetzes müssen vor allem genügend Investitionsmittel bereitgestellt werden. Der zukünftige Berliner Senat wird sich daran messen lassen müssen."

Daten und Fakten zur Krankenhaus-Landschaft in Berlin

- 79 Krankenhäuser (davon 53 im Landes-Krankenhausplan erfasst)
- mehr als 42.000 Beschäftigte
- 736.112 vollstationär sowie 22.655 teilstationär behandelte Patienten
- 3 Milliarden Euro Umsatz
Quelle: Berliner Krankenhausgesellschaft, Angaben basieren auf dem Jahr 2009

Zum Seitenanfang Druckversion   Zum Seitenanfang  Zum Seitenanfang 
oben