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RFID-Chips für Museum und Bibliothek

17.12.2009

Nachlese: Treffpunkt WissensWerte "Transponder trifft Transkript - RFID-Chips für Museum und Bibliothek"

Quelle:  TSB -  17. Dezember 2009 - auch hier zu lesen

Er ist nur ein winzig kleiner elektronischer Chip - der RFID-Chip. Aber er kann erstaunliches. Auf ihm lassen sich per Funk Daten speichern und lesen - ohne den Chip zu berühren oder Sichtkontakt mit ihm zu haben. In vielen Bereichen werden RFID-Chips heute bereits eingesetzt, zum Beispiel in der Logistik-Branche, um Transportwege zu verfolgen. Bei Lebensmitteln lässt sich der Frischegrad ermitteln. Aber auch die Tickets zu Fußball-WM waren mit RFID-Chips versehen, Skipässe sind es oder der deutsche Reisepass. Wie RFID-Chips in Bibliotheken und Museen eingesetzt werden können und welches Potential die Technik hat, darüber haben Experten und Publikum diskutiert - auf dem 44. Treffpunkt WissensWerte am 9.12.2009 im Auditorium des Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrums in Berlin-Mitte.

RFID, das ist die Abkürzung für Radio Frequency Identification, zu deutsch: die Identifizierung mit Hilfe elektromagnetischer Wellen. Um das System einsetzen zu können, braucht es zwei Dinge: Zum einen einen Transponder, ein kleiner Chip, der an dem zu identifizierenden Gegenstand angebracht ist. Zum anderen benötigt man ein Lesegerät, mit dem die Daten des Chips gelesen werden. Das geht berührungslos, sogar mit einem gewissen Abstand. "Beim Lesen können Daten nicht nur übertragen werden, sondern das Lesegerät überträgt gleichzeitig auch Energie. Der Chip kann damit ohne eigene Energieversorgung auskommen", erklärt Jürgen Sieck. Der studierte Mathematiker hat in Informatik promoviert und ist seit 16 Jahren Professor für Informatik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. "Die Energie des Lesegerätes wird gleichzeitig dazu genommen, den Chip zu identifizieren", erklärt Sieck. Irrtümer sind dabei ausgeschlossen. "Sie müssen sich das vorstellen wie bei einem Autokennzeichen. Es gibt ein eindeutiges Kennzeichen und das ist unverwechselbar", so Sieck.

Das RFID-System ist nicht neu. Schon Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Technik vom US-Militär eingesetzt. Die Grundlage dafür schuf Harry Stockmann 1948 mit seinem "Number Identification System". In den 1970er Jahren kamen die ersten kommerziellen Vorläufer der heutigen RFID-Chips auf den Markt, als Warensicherungssysteme. In den 80ern wurde die RFID-Technik auch für Maut-Systeme eingesetzt, vor allem in Norwegen und den USA.

"Ganze Kataloge passen auf einen RFID-Chip"


Auch das System, Dinge des täglichen Bedarfs eindeutig auf elektronischem Wege zu identifizieren, ist nicht neu. "RFID ist das Gleiche wie ein Strichcode", sagt Wolfgang Coy. Nur dass die Information nicht optoelektronisch gelesen wird, sondern elektromagnetisch. Coy hat Elektrotechnik, Mathematik und Philosophie studiert und anschließend in Informatik promoviert. Seit 15 Jahren arbeitet er am Institut für Informatik an der Humboldt-Universität zu Berlin. "Der große Vorteil der Technik ist, dass man auf einem RFID-Chip viel mehr Daten unterbringen kann als auf einem Strichcode. Ganze Kataloge passen auf einen RFID-Chip. Und zudem wird alles mehr und mehr unsichtbar", so Coy. Denn die Chips können winzig klein sein. So klein wie ein Stecknadelkopf, sogar so klein wie eine Stecknadelspitze. Weiterer Vorteil: Die Chips sind dünn. Dünner als ein menschliches Haar. Damit können Sie auch in Papier eingebettet werden.

Automatische Buch-Ausleihe mit Hilfe von RFID

Was den RFID-Chip wiederum ideal für den Einsatz in Büchern macht. Zum Beispiel beim Identifizieren in Bibliotheken. Hier nimmt Berlin eine Vorreiterrolle ein. Die Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität befindet sich derzeit in einem Zentralisierungsprozess. Bis 2012 sollen die 49 Bibliotheken an 8 Standorten konzentriert werden. Gleichzeitig werden sie mit der RFID-Technik zukunftstauglich gemacht. Anke Berghaus-Sprengel leitet das RFID-Projekt der Universitätsbibliothek. Hintergrund für den Wechsel von Barcode auf RFID-Chip sind Personalmangel und der Druck, Kosten einzusparen, erklärt die Bibliothekarin. Zunächst wurde im Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum, dem gerade neu eröffneten Bibliotheksgebäude der Humboldt-Universität, die RFID-Technik eingeführt. Einfache Routine-Aufgaben wie die Ausleihe oder die Rückgabe der Bücher können so auf den Benutzer verlagert werden, so dass sich die Bibliotheksmitarbeiter wieder mehr um den Service kümmern und die Öffnungszeiten gleichzeitig verlängert werden können.

Das System ist relativ einfach, sagt Anke Berghaus-Sprengel. "Wenn man seine Bücher zusammengetragen hat, die man gerne ausleihen will, geht man an einen der Automaten in der Bibliothek. Die Bücher werden dort in das Lesefeld gehalten, der Nutzer identifiziert sich mit seinem Benutzerausweis und das Gerät sagt dann, ob man das Buch ausleihen darf oder nicht. Ist alles okay, kann man die Bücher mitnehmen. Geht man mit einem nichtausgeliehenen Buch durch den Ausgang, dann geht dort ein Alarm los." Die Rückgabe ist noch einfacher. "Vorne am Haupteingang sind mehrere Klappen, dort schiebe ich die Bücher rein, damit bin ich von der Ausleihe entbunden. Das heißt, das kann jeder machen, also auch jemand, der keinen Benutzerausweis hat", erklärt die Bibliothekarin. Gleichzeitig registriert der Automat, ob die Bücher eventuell zu spät zurückgegeben wurden und man eventuell nachzahlen muss. Der Rücktransport der Bücher funktioniert dann ebenfalls mit RFID. "Über eine Transportanlage kommen die Bücher automatisch in die richtige Kiste, fahren ins richtige Stockwerk. Erst da werden sie dann per Hand wieder zurück ins Regal gestellt", so Anke Berghaus-Sprengel.

Sieben Millionen Bücher mit RFID-Chips ausstatten

Klingt einfach. Nur die Vorbereitungen waren es nicht. "Wir haben insgesamt sieben Millionen Bücher. Statten Sie die mal alle mit RFID-Chips aus. Per Hand wohlgemerkt. Wir haben zusätzlich 70 Leute eingestellt und geklebt, so dass jedes Buch einen Transponder bekommt." Dazu wurden Daten auf jedem Chip gespeichert, erklärt Anke Berghaus-Sprengel. "Die Mediennummer wurde aufgeschrieben, ob das Buch ein Mehrteiler ist, wenn ja, welcher Band. Das ganze wurde mit einer Datenbank verknüpft. Dazu haben wir Sortieranlagen gebaut und Automaten für die Ausleihe und die Rückgabe aufgestellt." Fertig ist die Bibliothekarin noch nicht mit dem Projekt. Noch haben nicht alle Bücher einen Chip, noch laufen das alte Ausleih-System und das Neue parallel. "Aber das RFID-System funktioniert. Nur ganz stabil läuft es noch nicht und auch in der Benutzerfreundlichkeit ist noch Optimierungsbedarf", sagt Anke Berghaus-Sprengel.

Trotz dieses Aufwands, die Technik wird sich durchsetzen. Die Staatsbibliothek plant ebenfalls RFID einzuführen, ebenfalls die Öffentlichen Bibliotheken. Schätzungsweise in drei bis vier Jahren wird es in Berlin kaum noch eine Bibliothek geben, die ihre Medien ohne RFID-Technik ausleiht.

Mit RFID auf Rezeptefang

Auch Museen entdecken RFID für sich. Das Jüdische Museum Berlin hat die neue Technik erstmals in seiner Ausstellung "Koscher & Co." verwendet, die das Thema Essen und Religion näher beleuchtet. Jeder Besucher bekommt, wenn er in die Ausstellung geht, einen weiß-rot bedruckten Papplöffel, der mit einem RFID-Chip versehen ist. Diesen Löffel kann der Besucher dann an verschiedenen Stellen der Ausstellung auf einen Teller legen, der dann zum Leuchten und Piepen gebracht wird. Dadurch kann man mit seinem Löffel verschiedene Rezepte sammeln. Welche, dass weiß der Besucher zu diesem Zeitpunkt noch nicht. "Wir wollten mit der RFID-Technik dem Museumsbesucher etwas Zusätzliches anbieten", sagt Lena Bonsiepen. Die Informatikerin hat das neue Angebot für das Jüdische Museum mit entwickelt. "In einer Ausstellung, auch wenn sie über Essen ist, können wir dem Besucher nicht das sinnliche Erleben von Essen erfahrbar machen. Deshalb sollen sie die Rezepte für zu Hause sammeln", so Bonsiepen.

An die Rezepte gelangt man, wenn man auf die Internet-Seite des Jüdischen Museums geht. Dort kann jeder seine individuell gesammelte Rezepte-Sammlung einsehen. "Das Ganze ist eher eine beiläufige Sache und sollte nicht im Vordergrund der Ausstellung stehen. Von den Besuchern selber wird es auch spielerisch gesehen. Der große Überraschungsmoment kommt dann erst zu Hause, wenn man sieht, welche Rezepte man gesammelt hat", so Bonsiepen.

Datenschützer sehen RFID skeptisch

Persönliche Daten werden mit dem Löffel nicht gesammelt. Auch die IP-Nummer des Besuchers, die Adresse im Computernetz wird nicht gespeichert, erklärt die Informatikerin. "Wir sagen den Besuchern auch, wie der Chip im Papierlöffel zerstört werden kann. Es reicht nämlich, wenn man die Antenne zerschneidet, dann ist der Chip zerstört und kann nichts mehr anrichten", sagt Bonsiepen.

"Wir brauchen eine transparente Technik, eine die der Nutzer verstehen kann. Welche Daten werden erhoben, wie lange werden sie aufgehoben", sagt Wolfgang Coy. "Da gibt es gesetzliche Vorgaben, wie weit man gehen darf. Und das muss transparent sein für den Nutzer. Wenn ich zum Beispiel im Supermarkt über einen Zeitraum von drei Jahren einkaufen gehe, dann ist mein Einkauf vielleicht mit meinem Namen, meiner Adresse verknüpft. Ich überblicke aber erst einmal nicht, was mit diesen Daten passiert. Als Individuum sage ich mir: Die Datenmengen sind so groß, dass da nichts gespeichert und ausgewertet werden kann. Als Informatiker weiß ich aber, die kriegen das schon irgendwie hin. Wenn nicht in diesem Jahr, dann nächstes. Allerdings freue ich mich natürlich, wenn mein Supermarkt sein Angebot nach meinen Wünschen ausrichtet", sagt Coy und lacht dabei.

Verbindung zum Nutzer wird mit Rückgabe gekappt

Im Vergleich zum Jüdischen Museum werden in der Bibliothek mehr Datensätze erhoben. Aber die Nachverfolgbarkeit wird ausgeschaltet, so Anke Berghaus-Sprengel. "Die Verbindung zum Nutzer wird gekappt, wenn alles zurückgegeben und bezahlt ist. Dann kann man auch nichts mehr zurückverfolgen. Auch die Bezahlung von Mahngebühren ist nicht an einen Namen oder eine Personen-Karte gebunden. Das ist mühsam, aber so erreichen wir keine Nachverfolgbarkeit. Es wäre natürlich interessant zu wissen, wann hat welcher Professor wie viele Bücher gelesen", sagt Anke Berghaus-Sprengel und lächelt dabei. Jürgen Sieck, der Informatikprofessor von der HTW Berlin, interveniert sogleich. "Für mich wäre es natürlich schön zu wissen, welche Bücher meine Studenten ausgeliehen haben?."

Am Datenschutz der RFID-Chips wird gearbeitet. Und auch andere Fragen sind noch ungeklärt. Wie lange hält ein Chip zum Beispiel? "Einige Hersteller sagen uns, solange wie Papier oder Pergament. Mindestens aber 40 bis 50 Jahre. Das lässt sich allerdings nicht überprüfen, weil es die Technik noch nicht so lange gibt", sagt Anke Berghaus-Sprengel. Auch in anderen Feldern wird geforscht. Wie lässt sich zum Beispiel der genaue Standpunkt eines Buches in der Bibliothek bestimmen, wenn es verlegt worden ist. Die Lösung liegt vielleicht in aktiven RFID-Chips. Sie haben eine eigene Energieversorgung, eine Batterie und sie haben eine größere Reichweite als die passiven Chips, die ihre Energie durch das Lesegerät bekommen. "Der Vorteil der aktiven Chips: auf ihnen können mehr Daten untergebracht werden, ganze Rechner könnte man auf so einen Chip bringen, sie sind damit vielseitiger einsetzbar. Nachteil: Sie sind teurer", sagt Wolfgang Coy.

Fragen für die Zukunft gibt es zu Genüge: Wie lässt sich RFID mit dem Handy verknüpfen, mit dem Laptop oder mit anderen Geräten? Wie können sich die Geräte selber untereinander vernetzen? Und auch im Museum:  Wie kann man allein durch die Bewegung der Besucher mit RFID etwas auslösen? Und am Ende? Wohin mit den Resten der RFID-Chips, mit dem Elektronikschrott? Vieles braucht Zeit, sagt Jürgen Sieck. "Die Lösung dieser Fragen kommt gewiss nicht von heute auf morgen, manchmal findet man die Antwort erst übermorgen. Die RFID-Technik gibt auf jeden Fall noch viel mehr her."

Podium:


Moderation:

Thomas Prinzler
Wissenschaftsredaktion Inforadio (rbb)

Der Treffpunkt Wissenswerte ist eine Veranstaltung der TSB Technologiestiftung Berlin, Inforadio (rbb) und der Technologie Stiftung Brandenburg. Sie wird mitgeschnitten und im Programm von Inforadio (rbb) 93,1 gesendet.

Download:

Hier steht die Aufzeichnung von Inforadio (rbb) zum Anhören und Download für Sie bereit.


Links zum Thema:

RFID Journal

RFID im Blick. Das Medium für kontaktlosen Datenransfer

Informationsforum RFID

Bibliotheksportal: RFID in Bibliotheken

Das RFID-Projekt an der Bibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin - Stand und Perspektiven
Anke Berghaus-Sprengel, Tobias Kühne

Netzwelt.de: Elektronischer Personalausweis: Chipkarte kommt im Jahr 2010

Autor/Quelle | Kristin Krüger

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