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Unbequeme Wahrheiten über das Elektroauto

14.05.2011

 

Unbequeme Wahrheiten über das Elektroauto

Automobilexperte auf dem Zukunftsforum Adlershof: Keine schnelle Systemwende in Sicht

Das Elektroauto wird derzeit vor allem in der Politik maßlos überschätzt. Tatsächlich wird seine technische Entwicklung und Reifung länger dauern als erwartet. Die Vision, dass im Jahre 2020 auf Deutschlands Straßen eine Million Strom-Autos unterwegs seien, sei technisch nicht realisierbar. Diese Ansicht vertrat der Direktor des Instituts für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation IWK, München und ehemalige Chefvolkswirt der BMW AG, Helmut Becker, auf dem Zukunftsforum Adlershof. Beckers engagierter und kenntnisreicher Vortrag lieferte Denkanstöße zur nachhaltigen Energiesicherung am Beispiel der E-Mobilität in der Automobilbranche, die in einer anschließenden Diskussionsrunde, moderiert durch Prof. Wolfgang Eberhardt, von den Teilnehmern vertieft wurde.

Ist das Elektroauto wirklich der verkehrstechnische Heilsbringer, als der er von vielen ausgegeben wird? Tatsächlich haben alle Autohersteller ihre Forschungsanstrengungen zur Elektromobilität erheblich gesteigert. Auch die Stromkonzerne sind „elektrisiert" ob dieser Absatzmöglichkeit, mit der sie bisher noch nicht viel zu tun hatten. Aber Fakt ist ebenso, dass die alte Antriebstechnik tief in der Autoindustrie verwurzelt ist. Rund 400.000 Menschen sind in Deutschland in der Kfz-Zulieferindustrie beschäftigt. 50 bis 60 Prozent von ihnen sind unmittelbar an der Herstellung des Verbrennungsmotors beteiligt. Werden die zum Elektromotor umschwenken?

Noch ist der Aktionsradius des Elektroautos beschränkt. Mit einer Batteriefüllung kommt man 60 bis max 160 Kilometer weit. Nur der Sportflitzer Tesla Roadster bietet eine Entfernung von 380 Kilometer, aber dafür kostet das Auto auch satte 46.000 Euro.

Was spricht derzeit für das Elektroauto? Was sind seine „Pro"'s? Zum einen die steigenden Energiepreise, wobei hier auch der staatliche Steueranteil in den Blick genommen werden muß, als Regulativ, wenn gewünscht. Hinzu kommen die strengen administrativen Vorgaben der EU für CO2-Emission (jetzt Euronorm 6), die dem emissionsfreien Elektroauto in die Hände arbeiten. Eine ganz wichtige administrative Setzung in Beckers Augen: „Wenn diese Vorgaben nicht gekommen wären, hätte die Autoindustrie nie den Weg der Emissionsminderung beschritten". Ein weiterer Punkt ist das veränderte Verhältnis der Jugend zum Auto, das für sie nicht mehr das Statussymbol ist wie für die älteren Generationen, weshalb unter anderem auch die Führerscheinprüfungen immer weniger werden. Schließlich befördert auch der interne Wettbewerb der Autoindustrie das Vordringen des Elektroautos, etwa mit den Modellen, die französischer Hersteller noch diese Jahr auf den Markt bringen wollen. Für Becker ist der Markt der entscheidende Faktor: „Der Geldbeutel entscheidet über die Verbreitung des Elektroautos, nicht der Staat und seine Maßnahmen".

Auf der Contra-Seite - den Punkte, die gegen eine schnelle Verbreitung des Elektroautos sprechen - nannte Becker an erster Stelle die „fehlende Alltagstauglichkeit": Die Batterie sei zu schwer und zu teuer (ein Satz Batterien für 100.000 Kilometer Betriebsdauer bei 1000 Ladezyklen koste 10.000 Euro, die mit 160 Kilometer zu geringe Reichweite, die zu lange Ladezeit (6-8 Stunden). Zudem seien noch einige Sicherheitsaspekte ungeklärt. Negativ ins Gewicht fallen zudem bestimmte Strukturprobleme, wie das Netz der Ladestationen, das erst am Anfang stehe, aber auch der Umstand der Stromerzeugung generell, bei der jetzt in hohem Maße in Kraftwerke CO2 anfällt. Bis hin zu Preis, der mit 30.000 Euro vier Mal teurer sei als ein preisgünstiger Kleinwagen, den es schon für 7000 Euro gebe.

Aus dieses Faktoren sei zu erklären, warum das Elektroauto kein Massenprodukt geworden sei. Die Batterietechnik sei noch völlig unausgereift. Der Ausbau der Infrastruktur brauche einfach Zeit, und könne nicht übers Knie gebrochen werden. Und schließlich: „Die Kunden lehnen das Angebot an Elektroautos schlichtweg ab", so Beckers Einschätzung.

Was hinzu kommt, ist die Reaktion der „Gegenseite", der Vertreter des etablierten Verbrennungsmotors. Denn vor einem kompletten Systemwechsel zu Elektro stehen die Optimierung der vorhandenen Motorentechnik durch forcierte Einsparanstrengungen. Sowohl beim Ottomotor gebe es große Einsparpotenziale als auch beim Dieselmotor, dort sogar noch mehr. Dort sei vor 20 Jahren bei den Einspritzdüsen mit einem Druck von 2000 bar gearbeitet worden. Heute sind 3000 bar der Standard. Auch durch die Verbesserungen an an deren Stellen war sich Becker sicher: „Wir bekommen die Verbräuche noch weiter runter". Und zwar bei Otto wie Diesel seien Verbesserungspotenziale zwischen 30 und 35 Prozent möglich. So komme man in den Bereich von Drei-Liter-Autos (pro 100 Kilometer), wo früher und heute noch 10 Liter für normal galten.

An dieser Stelle - den Betriebskosten an der Tankstelle - sah Becker den entscheidenden „Kippschalter" für den Massenmarkt. Elektroautos werden nur dann eine breite Marktdurchsetzung erreichen, wenn sie sich neben der praktischen Alltagstauglichkeit auch preislich rechnen. Das sei auf absehbare Zeit nicht gegeben. Deshalb werden Strom-Autos in den nächsten Jahren vor allem in bestimmten Flotten einzelner Nutzerunternehmen zum Einsatz kommen. Das seien aber lediglich Marktnischen und keine Markteroberung. Becker: „Meine Überzeugung ist, dass sich der Übergang zur Elektromobilität über Jahrzehnte hinziehen wird". Eine Zahl von einer Million Elektroautos in Deutschland werde es im Jahr 2020 nicht geben. Elektromobilität als solche sei keine Illusion, sie werde kommen, weil sich der Strukturwandel zu einer „fossilfreien Mobilität" bewege. Dennoch sei Elektromobilität „nicht die unmittelbare Zukunft".

Derzeit fahren derzeit weltweit 62 Millionen PKW auf den Straßen. Für das Jahr 2020 werden rund 100 Millionen vorausgesagt. Davon werden aber hochgerechnet lediglich drei Millionen Elektroautos sein, gab Becker Fachschätzungen wieder (genau genommen: 2 Prozent Elektroantrieb, 12 Prozent Hybrid, 86 Prozent konventionelle Antriebe). Bis zum Jahre 2025 werde allerdings der Abschied des reinen Ottomotors und sein Ersatz durch einen Hybridantrieb erwartet.

In dieser Richtung laufen derzeit auch die Entwicklungsanstrengungen aller Automobilhersteller: Zuerst den Verbrauch senken, um mehr Kilometer aus dem Treibstoff herauszuholen, dann zweitens die Hybridisierung, bis hin zum Einsatz von Biokraftstoffen der 2. Generation. Aber auch bei dieser Übergangstechnik erlaubte sich Experte Becker Fragezeichen. Toyota sei 1998 mit dem ersten Hybrid-Modell auf den Markt gekommen. „Doch was haben sie draus gemacht? Keiner kauft die Autos", stellte Becker fest. Keine Erfolgsgeschichte auf der Straße zur Elektromobilität. Für Becker zugleich auch ein weitere Beleg seiner zentralen These. „Wenn der Markt wirklich Elektromobilität will, dann bringt er sie auch zustande". Dies müsse langfristig auch ohne staatliche Subventionen auskommen. Frei nach Darwin: Alles, was gegen den Markt (die Natur) agiert, wird keinen Bestand haben.

 Das Zukunftsforum Adlershof unter dem Titel „Innovationen für nachhaltige Energien" wurde  veranstaltet von der DKB Management School, der Initiativgemeinschaft Außeruniversitärer Forschungseinrichtungen in Adlershof (IGAFA e.V.) und der Wista Management GmbH. Die ganztägige Veranstaltung am 4. Mai 2011 in den Räumen des Forum Adlershof diskutierte unter anderem Visionen zur solaren Energiezukunft sowie andere Forschungsergebnisse aus der Wissenschaft.

 

Manfred Ronzheimer für InnoMonitor

http://www.iwk-muenchen.de/

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